Warum Haftbefehl im Deutschrap über den Dingen steht // Kommentar

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Deutschrap braucht Haftbefehl mehr als Haftbefehl Deutschrap. »RADW«, die jüngste Auskopplung aus »DWA«, ist nicht nur ein Brett vor dem Herren, sondern vor allem eine Machtdemonstration. Denn Haftbefehl steht in Sachen Deutschrap über den Dingen.

Okay, steigen wir einfach direkt mit den schweren Geschützen ein: Haftbefehl müsste in seinem ganzen Leben nie wieder eine einzige Zeile in ein Mikrofon rappen und wäre trotzdem auf dem Mount Rushmore der einflussreichsten deutschen Rapper aller Zeiten. Hot-Take-Alert, klar, aber eben auch argumentativ belegbar.

Denn Aykut Anhan stand Anfang der Zehnerjahre in vorderster Front, als deutscher Gangster-Rap sich durch den Schlamm der Post-Aggro-Zeit und der Post-Ersguterjunger-Hochphase robbte und nicht nur außerhalb der Szene belächelt wurde. Er lieferte mit »Azzlack Stereotyp« einen Gamechanger ab, dessen Wichtigkeit für das ganze Genre erst Jahre nach dessen Release messbar wurde. Er testete die Grenzen der deutschen Sprache aus, erweiterte sie um mittlerweile alltäglich verwendbare Begriffe (als Beispiel reicht allein schon »Chabos wissen wer der Babo ist«) und baute diesem Prozess mit dem 2012er Album »Kanackis« ein Denkmal. Er lieferte 2014 mit »Russisch Roulette« einen Klassiker aus dem Bilderbuch, 2015 mit »Unzensiert« ein Premium-Mixtape und gründete mit den Azzlackz eines der stabilsten Labels des hiesigen Games und verhalf Künstlern wie Celo&Abdi dabei, zu Stars der Szene zu werden.

So weit, so bekannt, so einflussreich, so Kurzform. Und dann passierte erstmal nichts mehr.

Aus der Vogelperspektive

Fünf Jahre lang nahm Hafti, von der kontinuierlichen Labelarbeit und vereinzelten Featureparts mal abgesehen, eine Beobachterperspektive ein. Wie der Referee beim Tennis saß er auf seinem Hochsitz und beobachtete Deutschrap bei den Ballwechseln. Die Indie- und Pop-Einflüsse gingen, Dada- und Cloudrap kamen, Gangsterrap tauschte einen Großteil seiner Kompromisslosigkeit und Soundhärte gegen Autotune, Marimbas und Tanzbarkeit ein – mit dem Ergebnis, dass das Genre plötzlich so groß ist wie noch nie.

Es gäbe nicht viele Künstler, die sich während all dieser Prozesse hätten dermaßen zurückhalten, und dennoch weiterhin relevant bleiben können. Denn dieses eine Haftbefehl-Album hing weiter wie eine Wolke über der Szene. Jeder wusste, dass da etwas kommt, keiner wusste, wann oder wie. Die bewusste musikalische Verknappung schürte den Mythos Haftbefehl vielmehr weiter als ihn zu entmystifizieren.

Spätestens seit der ersten Kick von »RADW« ist klar, dass sich nicht nur das Warten gelohnt hat, sondern dass Haftbefehl rein gar nichts von seiner Aura, von seinem Status, ja, von seinem Mythos eingebüßt hat. Da ist nicht der geringste Anflug von Trendhascherei, da ist kein Album und kein Künstler rauszuhören, das oder der Hafti inspiriert hat. Da ist kein Zeitstempel auf die Musik gedrückt. Da ist einfach nur ein Typ, der groß, gut und abgewichst genug ist, zu machen, was ER machen will. Du musst keine Trends adaptieren, wenn deine Marke sie alle mühelos überlebt. Zeitlos größer Zeitgeist, einfache Formel.

Ratatatatat – Wer will was machen?

Und so spuckt Haftbefehl gewohnt dreckig, gewohnt stilsicher und ab und an gewohnt minimal Off-Beat seine Zeilen und Wörter, die die Grenzen zwischen Autobiografie und ungeschönter Brennpunkszustandsbeschreibung verschwimmen lassen. Die Drums von Bazzazian stampfen das Trommelfell platt, der Sound ist so hart, radikal und rücksichtslos, dass es beim ersten Hören beinahe wehtut – bevor sich mit jedem weiteren Play die Exzellenz des Sounddesigns offenbart. Hafti brüllt, spuckt Galle und Realtalk, es macht ratatatatat und wer will was machen?

Haftbefehl spielt in seiner eigenen Liga. In Sachen Sound, in Sachen Status und auch wenn die YouTube-Trends es anders verkaufen wollen und diverse Videos von austauschbaren Newcomern in 24 Stunden mehr Klicks sammeln als »RADW« an einem Wochenende: Auch in Sachen Relevanz für Deutschrap. »Das Weiße Album« ist nicht nur das wichtigste Release 2020, es ist ein weiterer Mosaikstein des Gesamtbildes einer Deutschrap-Legende wie es sie zuvor nicht gab und, wer weiß, vielleicht nach ihr nicht wieder geben wird. Hot-Take-Alert? Liegt im Auge des Betrachters.

Foto: Brede

5 Kommentare

  1. Dieser Fanboy hängt ja mal am eigenen Text.
    Pseudo-Intellektuell²
    Interpretationsneurose³
    Journalismus: Sechs, setzen.
    Haft hat für diese Liebeserklärung doch safe Kohle rübergeschoben, oder?
    Derb peinlich.

  2. Das doch vom postillon geschrieben oder?

    Wie kann man behaupten das jemand, der einen ganzen track mit sinnfreien zweck reimen gemacht hat, über den Dingen steht…

    Juice kann man sich wohl in Zukunft sparen

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