Warum das neue Megaloh-Album so spannend werden kann // Kolumne

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Mit »Was ist das?« hat Megaloh auch musikalisch ganz offiziell sein neues Album angekündigt. Unser Autor Louis Richter erlebte beim Hören einen emotionalen Throwback, der Lust auf noch mehr neues Material macht. Eine persönliche Erinnerung und eine etwas unfaire Hoffnung.

Am Ende dieser 141 Sekunden sehe ich mich wieder auf dem Pausenhof der Menzel-Oberschule in Berlin-Moabit stehen. Es ist Ende 2010 oder Anfang 2011, auf jeden Fall ist es kalt. Eine kleine Meute von Jungs steht wie immer während der großen Pause an dem grünen Zaun, der den Basketball- von dem Fußballplatz trennt. Wir sind 15 oder 16 Jahre alt und bewegen uns in diesem Vakuum, in dem man die kindliche Kindheit hinter sich gelassen hat, aber (zum Glück) noch so weit weg von irgendeiner Form des Erwachsenseins ist. Wir haben kaum Ahnung vom Leben und gar keine von Mathe. Wir sind schlichtweg ein paar Teenager aus Moabit, die ihre 15 Minuten zwischen den Unterrichtsstunden vornehmlich dazu nutzen, um über Fußball, noch mehr Belangloses und Rap zu reden. Und in diesen Tagen auch verstärkt über die »Monster«-EP von Megaloh.

Making of a hood legend

Wir wissen so gut wie nichts über den Künstler selbst, aber wir wissen, dass er aus unserer Gegend kommt. Wir hören, dass er das tut. Ein paar von uns erzählen, dass sie Mega sogar schon getroffen hätten. Im Bus, beim U-Bahnhof, hier und da. »2010 guck M-E-G sagt wer ist dran, Bitch/ M-O-A-B-I-T für immer 21«. Irgendeiner von uns zitiert diese zwei Zeilen des Tracks »2010« gefühlt alle paar Sekunden. Wir fühlen uns musikalisch erstmals wirklich vertreten, Megaloh wird für uns zum ersten lokalen Star, zu einer Art »Hood-Legende«. (Im selben Zeitraum droppt das Kollektiv Babba Music um u.a. Marvin Game, Morten, Mister Mex, Greeny fka Yang Green übrigens den Sampler »Moabit Nr. 1«. Es sind goldene Zeiten für junge, Rap-hungrige Kids auf der Insel).

Die neun Tracks der »Monster«-EP triefen dabei nur so vor lyrischer Rücksichtslosigkeit und Härte. Megaloh rotzt und spuckt gewissenlos über die Berliner Südstaaten-Adaptionen von Benny Blanco, Ghanaian Stallion (die beiden arbeiten damals erstmals zusammen) und der Producer-Crew Ambeation (aus der zum Beispiel Sonus030 entstammt). Man tritt Mega heute vermutlich nicht zu nah, wenn man festhält: Diese Tracks waren mitunter sogar richtig assi (»Mein Sound ist nicht so lieblich und nett/ Ich fick‘ dein‘ Arsch, das ist politisch korrekt«).

Foto: Robert Winter

Dennoch ist bereits damals zu erkennen, wie versiert dieser Typ mit Wörtern umgehen kann. Da steckte immer mehr hinter den Punchlines, hinter der ignoranten Fassade. Viele Jahre später wird Megaloh in einer JUICE-Titelstory erzählen, dass bereits während des Prozesses zu »Monster« auch die Seelenstripteases »Traum vom Fliegen« und »So ist das Leben« entstanden sind. Es wird mich nicht wundern.

Weniger Dreck und Galle

Megaloh verdient sich einen Deal und dringt in der Folge mit den Alben »Endlich unendlich« und »Regenmacher« in prominentere Rap-Gefielde vor (und zerlegt nebenbei Deutschrap-Klassiker in ihre Einzelteile). Aus dem Geheimtipp wird ein großer Name des Spiels samt des verdienten Rufes, einer der besten Live-MCs des Landes zu seien.

Die Galle und der Dreck aus »Monster«-Zeiten dringen fortan immer seltener an die Oberfläche, Megaloh arbeitet dagegen gekonnt, erfolgreich und immer öfter mit Instrumentierungen, seine Musik wird ausproduzierter und runder. Mega ist nicht mehr nur für seine Hood interessant, sondern für Rap-Fans im ganzen Land. Sein Sound trägt diesem Umstand auf organische Art und Weise Rechnung. Ich bin ehrlich: So sehr ich die Texte und Haltungen immer schätzte, konnte ich mit dem Sound auf Dauer immer weniger anfangen (Ausnahmen bestätigen auch hier die Regel).

Foto: Robert Winter

Unfaire Hoffnung

Dann kamen diese 141 Sekunden von »Was ist das?« und ich war wieder drin. Denn Megaloh vereint auf der ersten Single seines nächsten Albums all das, was er am besten kann – und was ich von ihm will. Da ist wieder diese Vorsprung-durch-(Rap)Technik-Attitüde. Da gibt es wieder Punchlines, ein glaubwürdiges Maß an Härte und unpeinliche, weil angenehm gereifte »Monster«-Vibes. Und da wird im dritten Vers spielerisch leicht der Übergang zu gesellschaftlichen Themen wie Klimapolitik und zu politischer Lethargie geschaffen, ohne den rauen Charakter des Tracks zu zerstören oder nur einen Funken Seele aus dem eigen-modernen Instrumental von Ghanaian Stallion zu nehmen.

Auf »Was ist das?« kommt Megaloh so komplett und klar daher wie lange nicht mehr. Das macht Hoffnung auf ein Album, das den Zeitgeist zwar kennt, daraus aber sein eigenes Ding macht und Megalohs Stärken umso gekonnter bündelt.

Ist es nun unfair zu hoffen, dass ein Künstler die persönlichen Erinnerungen eines einzelnen Hörers an seinen Status Quo anpasst, um so den Bogen zwischen damals, zwischendurch und heute zu schlagen, anstatt das Album einfach so zu nehmen wie es kommt? Ja. Ist dieser Text egoistisch? Ja, sicher. Traue ich Megaloh zu, dass er das könnte, wenn er wollte. Oh ja. Ich hätte Bock darauf und bin extrem gespannt auf das noch namenlose Album. Und zeige den Track gleichmal den Jungs vom Pausenhof.

1 Kommentar

  1. Mega hat lange vor der Monster-EP schon überragende Alben gemacht.
    Kann jedem nur empfehlen, sich „im Game“ und die alten Mixtapes anzuhören.
    So hungrig und talentiert war keiner davor oder danach… der Junge ist Deutschraps Wunderkind.

    Megaloco hätte auch schon vor Monster fast nen Deal gehabt, als er „Alles negertiv“ mit Sprachtot und Frauenarzt gemacht hatte.
    Bis heute eines der besten Mixtapes überhaupt aus der Spitter-Era… und das Ding war nur als Teaser für das Album gedacht, das dann leider nie erschien, weil Sprachtot vom Label das Vierfache an Kohle gefordert hat. 🙂

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