Tyler, The Creator – IGOR // Review

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(Columbia / Sony Music)

Wertung: Fünfeinhalb Kronen

»For Real This Time«. Auf »Igor« eröffnet Tyler, the Creator mit der klaren Message: Jetzt aber wirklich. Wirklich was, will man fragen. Musikalisch hat und will er seit jeher ein eigenes Spektrum, sein eigenes, chaotisches, seltsames Universum erschaffen. Doch im Mittelpunkt des Chaos steht die Ordnung, und so konzeptioniert Tyler die Geschichte von »Igor« – ein Liebesdrama-Konzeptalbum in zwölf Akten. Diesmal schüttet uns Tyler sein Herz aus. »For Real This Time«. Aber es geht um Igor. Der verliebt sich in einen Freund. Der steht laut Igor nicht zu seinen Gefühlen, oder zu ihm, zumindest nicht so richtig zu allem. Dessen Freundin ist auch eher semi-begeistert und wird zunehmend zur Glaswand zwischen beiden. Tyler wechselt dabei immer wieder zwischen Extremen, von Stimmverzerrungen und Disharmonien zu kitschig-kindlichen Melodien. Das sechsminütige Epos »Gone, Gone / Thank You« stilisiert sich zu einem Finale wie aus einem Musical, um abschließend vorsichtig nachzufragen: »Are We Still Friends?«. Während namhafte Features (u.a. Frank Ocean, Pharrell, Lil Uzi Vert) bei anderen Künstlern als reiner Selbstzweck fungieren, sind sie bei Tyler kleine eingewebte Teile in der großen Struktur,. Der »MBDTF«-Move. Wenn Tyler/Igor hastig zu Beginn von »Puppet« darüber nachdenkt, den Geliebten anzurufen, atmet der Track demonstrativ aus, als Kanye West aus dem Hintergrund bemerkt, dass es eventuell schon zu spät sei. »Igor« ist ein Spiel mit den Identitäten. Der schrille Igor mit blonder Perücke und bunten Anzügen trägt in jeder Sekunde Tylers Handschrift, der auf »Whats Good« mit der Persona bricht und ins Autobiografische wechselt – etwa wenn er über seinen Autounfall aus dem vergangenen Jahr spricht. Im »Earfquake«-Video wird Igor nach seinem Namen gefragt. Die Antwort: zensiert. Igor? Oder doch Tyler? Tyler entzieht sich künstlerisch der Debatte um seine Person und seine Sexualität mit einem Wechselspiel aus Nähe und Distanz. Bis man sich am Ende des Albums selbst fragt: Spielt die Perspektive – abseits persönlicher Neugier – irgendeine Rolle? Nein. Tyler setzt seine Entwicklung von »Flower Boy« nahtlos fort und zementiert seinen Status als einer der künstlerisch spannendsten Musiker der US-Szene. »For Real This Time«.

Text: Niklas Potthoff

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