Spotlight: Vandalismus // Feature

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Bei »Spotlight« stellen wir euch Künstler*innen, Labels und Projekte jeglicher Art vor, die gerade am Anfang stehen oder noch unter dem Radar des Mainstreams stattfinden. Bei Rapper Vandalismus ist zweiteres der Fall, denn er ist alles andere als ein Neuling in der Szene. Zum Release seines aktuellen Albums »Gloria & Schwefel« haben wir ihn im Urlaub angerufen und über seine Rolle in der Rapszene gesprochen.

Telefoninterviews haben sich während der Corona-Pandemie bewährt, immerhin hält man damit die Ansteckungsgefahr für die Gesprächspartner bei Null. Den Interviewpartner im Urlaub zu stören, kann trotzdem falsch wirken, auch wenn Vandalismus die Sache gelassen sieht. Denn in der Releasewoche zu verreisen, kann durchaus seine Vorteile haben: »Ich glaube, wenn ich zuhause gewesen wäre, hätte ich den ganzen Tag vor dem Handy gesessen und immer alles gecheckt und gelesen. So hatte ich drei Tageszeiten, wo ich geguckt habe, eine Stunde lang alle Instatories geteilt habe, alles beantwortet habe und danach wieder raus bin. Hier ist es auch mega schön ruhig, daher war es eine assoziative, schöne Atmo dazu.« Viel zu tun gab es trotzdem, denn »Gloria & Schwefel« ist gut angekommen, sowohl bei Fans, als auch bei der Presse. »Es war sehr viel mehr als ich erhofft habe. Ich habe bisher auf kein Album so gutes Feedback bekommen, das hat mich überrannt.«

Die vorigen Alben schließen dabei auch die ein, die in den letzten zehn Jahren unter dem Namen Destroy Degenhardt oder Disko Degenhardt veröffentlicht wurden. Aber warum überhaupt den Namen wechseln? »Ich mache das einfach für mich. Ich hab keine Universal-Verpflichtung und einfach Bock, kreativ zu sein. Und wenn ich mich anders nenne und mich dadurch kopfmäßig frei machen kann, dann mach‘ ich das halt. Hätte auch sein können, dass es voll der Schuss ins Knie ist, aber war es zum Glück nicht. Dann ist es cool und ich habe meinen kreativen Spaß.« Keine Major-Label-Verpflichtung, sondern Indie-Label Audiolith, dazu Namenswechsel, die keinem Markenkalkül, sondern der Kreativität folgen, und eine Fanbase, die vielleicht nicht riesig, dafür aber treu ist – Vandalismus erfüllt viele klassische Erwartungen an einen Rapper, der Untergrund verkörpert. »Lieber 200 Die-Hard-Fans, die es richtig feiern, als 20.000 die sich mein Album anhören und ‚Joah, cooles Album‘ sagen.«, meint Vandalismus selbst dazu.

Die Songs auf »Gloria & Schwefel« knüpfen an dieses Narrativ an und gehören nicht zu der Sorte leicht eingänglicher Musik, die man zur Entspannung nebenbei laufen lässt. Stattdessen gibt es Voice-Samples aus Filmen und Serien zu hören, die von aneinandergereihten Punchlines, einer Menge an Szene-Referenzen und Beats mit rougher Ästhetik ergänzt werden. »Ich bin halt ein Film- und Seriennerd und feier‘ die Sprüche. Ich bin ja ein Lyrikfreund und finde dann einfach Sprüche und gewisse Zitate und finde es gut, dass jemand anderes das für einen ausspricht. Man kann sich dann ein bisschen mit den Aussagen schmücken und sich aussuchen, welche man cool, romantisch oder witzig findet. Das ist nicht nur ein Ausschmücken oder Ausfüllen, sondern schon so, dass ich denke, dass ich das unbedingt einbauen will.« Dass man bei der Fülle an Verweisen schnell mal den Überblick verliert, nimmt Vandalismus gerne in Kauf: »Ich mag das einfach, es ist eine Stil-Sache. Beim Battlerap hast du ja auch einzelne Sprüche. Dann gefallen dir vielleicht zwei Sprüche nicht, einen findest du voll geil, über den nächsten hörst du weg und den nächsten findest du wieder cool. Das kommt bei mir so beim Schreiben. Ich bin kein Freund von Füllsätzen, sondern eher von so einem schönen bunten Haufen.«

Dieser bunte Haufen ist nicht nur vielseitig, sondern inhaltlich tiefgehend. Neben Reflektionen über das eigene Dasein, die oft eine bedrückend-ehrliche Ausprägung haben, finden vor allem politische Themen ihren Platz. Die Features von Panik Panzer und PTK tragen ihren Teil dazu bei und sind für Vandalismus mehr als nur prominente Aushängeschilder. »Es geht ja nicht nur um Namen und das Künstlerische, sondern auch darum, dass es menschlich passt und man Bock hat, etwas zusammen zu machen und ihn cool findet. Ich würde mit keinem was zusammen machen, den ich musikalisch nicht geil finde, aber auch mit keinem, den ich menschlich Panne finde. Ich mag eigentlich auch keine Features, sondern mit jemandem einen Song zusammen zu machen. Das muss spannend sein, künstlerisch anregend sein und für mich auch spannend. Es reicht nicht, dass mir jemand einfach einen 16er schickt, sondern dass man gemeinsam guckt, wie man arbeitet.«

Der außergewöhnlichste Track des Albums ist trotzdem eine Solostück, ganz ohne Features. Auf »Maskulina« beschäftigt sich Vandalismus mit den Männlichkeitsrollen, die wir von früh auf eingetrichtert bekommen, die Männlichkeit als körperliche Stärke und Selbstbewusstsein propagieren und emotionale Verletzlichkeit nicht zulassen. »Ich hab‘ mich nie wirklich als Mann oder als Frau gefühlt«, rappt Vandalismus auf dem intimen Track und entwirft ein Gegenmodell zum Klischee. »Irgendwann entwickelt man dann doch ein besseres Selbstbewusstsein, um zu sagen ‚Ich komme mit meiner eigenen Position, mit der ich mich gut fühle, klar und traue mich jetzt auch, dazu zu stehen.‘ Wir sind ja trotzdem Herdentiere und es hat auch viel damit zu tun gehabt, dass man Gegenbeispiele hatte. Freunde, die das klassische Männerbild nicht verkörpert haben. Die sind einfach mega warmherzige, strahlende Menschen, bei denen dieses ganze Männer-Ding nicht existent ist. Je mehr davon in meinem Leben waren, desto mehr habe ich mich auch getraut, zu mir zu stehen.« Mit der Veröffentlichung der Single geht Vandalismus jetzt ebenfalls als Gegenbeispiel voran und steht dafür ein, dass auch Rapper sich von Rollenklischees befreien können.

»Gloria & Schwefel« ist am 4. September bei Audiolith erschienen.

Beitragsbild: Maxim Dean

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