Shiml – Agora // Review

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(Urban / Universal)

Wertung: Drei KronenEin Zugpferd war Shiml schon in der Anfangszeit von Selfmade Records nicht, aber immer gut für einen explosiven Feature-Part. Er selbst machte es sich in der zweiten Reihe unbequem, von wo aus er die Geister schied. Seine berühmt-berüchtigte Hysterie und die ihm eigene Dringlichkeit, immer ein bisschen schneller als der Beat zu rappen, hat Shiml verloren. Auf »Agora«, seinem ersten Soloalbum seit neun Jahren, nimmt er sich Zeit für Pointen, Zeit für Pausen, verliert dadurch aber auch ein Alleinstellungsmerkmal. Geblieben ist seine aufdringlich hell-hohe Stimme, die man entweder hasst oder liebt. Wer Shiml auf Feature-Parts am liebsten mochte, der sei gewarnt: »Agora« kommt ohne Gäste aus und konzentriert sich komplett auf den »in Weserwasser geborenen« Blockjungen mit dem Hang zum Pathos. Aufgeblasen klingen auch die Beats, die schon im Intro eine Sirene erklingen lassen, die Alarm macht. Die schwarzmalerische Soundästhetik passt zu Schlachtfeldmomenten (»Aus gebrannter Erde«), in denen das Feuer lodert, und dem Rauch und dem Nebel (»Winterschlaf«), der sich dazwischen über das Land legt. Ganz so monumental wie der Klassiker will »Hinterm Horizont« sich trotzdem partout nicht anfühlen. Wesentlich besser als die mediokren lauten Momente funktioniert stattdessen die Introspektion. Shiml beschreibt immer wieder, warum er im Deutschrap-Kindergarten nie mitgespielt hat; erzählt von früheren Prioritäten in Form von originalen Sneakers und gefälschter Cola (»Wenn der Wind sich dreht«); gesteht, dass er nie Interviews geben wollte, und schildert in Songs wie »Die Guten von uns« ­­Schreibblockaden und Missmut. Im antiken Griechenland war die Agora der zentrale Kulturplatz, auf dem Feste gefeiert und Reden geschwungen wurden – ein Ort, zu dem Shimls Version ein Gegenentwurf ist. Er erzählt immer noch am liebsten von den zwielichtigen Gestalten, die in dunkler Kleidung mit den Schatten der Stadt verschmelzen. Dort fühlt er sich wohl, und dort ist er einer der Besten.

Text: Arne Lehrke

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