Prezident – Du hast mich schon verstanden // Review

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(VinDig)

Wertung: Zwei Kronen

Hihi, ein Wilhelm-II-Zitat, hoho, ein Hitler­vergleich, haha! Prezident eröffnet sein neues Album mit einem Song namens »Kein Song gegen Pegida«, aber Obacht: Die volle Tragweite erschließt sich natürlich nur, wenn man richtiger Fan ist, aufmerksam zugehört und alle Kontexte korrekt verbunden hat! Dann wird nämlich klar, dass der Wuppertaler keineswegs mit Pegida sympathisiert, sondern sich und seine Kunst einfach nur nicht von eben jenen Gutmenschen vereinnahmt wissen möchte, die das klare Statement über die inhaltliche tiefere Auseinandersetzung stellen und eben darum ja auf Songtitel wie den eben zitierten hereinfallen. Rofl. Dass Prezident eben diesen ja als Trigger neben vielen weiteren an der Oberfläche seines neuen Albums platziert und damit eine Gewichtung vorgenommen hat, zählt im Rahmen dieser selbstgerech­ten Lesart nichts – zumal Prezident auch in der Tiefe seines Albums zeigt, dass er in seinem Elfenbeinturm jegliche Relation aus den Augen verloren hat. Empowerment, First World Problems, rechte Verschwörungstheorien, Empörung und Narzissmus: All das verschwimmt auf »Du hast mich schon verstanden« zu einer trüben Brühe, die vereinzelte zutreffende Analysen ersäuft. In seinen schlimmsten Momenten wirkt das Album wie das Proseminar-Äquivalent zu einer Youtube-Prank-Loop: Die Texte verzetteln sich zwischen Berufung auf die Autonomie des Kunstwerks und einem dann doch immer wiederkehrenden Bezug auf das Politische. Ist das ein Versuch, der stagnierenden Musik einen neuen Dreh zu verpassen? Wie viel Qualität drin gewesen wäre, deutet der Doppeltrack »Rites de Passage | Pissen in den Ozean« an, der desillusionierte Kapitulation auf einen me­lancholisch-monotonen Beat packt. Selbst das anschließende »Absurd« ist nicht überragend, schafft mit seinem Verzweifeln an fehlenden gesellschaftlichen Sinnangeboten aber zumindest einen Hintergrund, vor dem sich das restliche mühsame Provozieren einordnen lässt. Mehr davon, und »Du hast mich schon verstanden« hätte die unbequeme Diskussionsgrundlage sein können, die hier lediglich angetäuscht wird.

Text: Sebastian Berlich

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