Beginnen wir mit dem Offensichtlichen: »M10« ist nicht »BGB4«. Je nach Standpunkt (und wenn wir ehrlich sind, stehen wir für dieses Album doch ohnehin alle mit Lederjacke und Zahnstocher an der Straßenecke) ist das eine gute und eine schlechte Nachricht. Massiv, der sich mit dem hemmungslos überdrehten Gewaltfantasieroman »Blut gegen Blut 3« endgültig als Louis de Funès der realitätsfernen Verbalinjurie in unsere Herzen gespielt hat, entgeht mit seinem zehnten Album vorerst dem Zwang, noch eine Schippe draufzulegen. Wenn man es brachial mag und zum Aufmerksamkeitsdefizit neigt, ist das die schlechte Nachricht. Die Gute: »M10« ist trotzdem Egoshooter-Mucke und Pumpgun-Anarchie, im Hindukusch aufgenommen mit dem Leibhaftigen in der Booth. Massiv therapiert immer noch deine Mutter, bevor er sich – sicher ist sicher – 1.000 TÜV-geprüfte Nutten liefern lässt und unbeirrt mit dem Schwanz durch die Matrix geht. Astreine Unterhaltung also. Was »M10« aber grundlegend von »BGB3« unterscheidet, ist das Wissen, dass Bedrohlichkeit sich mit der Zeit abnutzt, und dass irgendwann die Aufmerksamkeit nachlässt, wenn das Gegenüber eine geschlagene Stunde lang brüllend mit der Königskettensäge fuchtelt. Das Prinzip der Dynamik – ohne »leise« kein »laut« – mag simpel sein, macht sich aber gut in Massivs Waffenarsenal. Fast freundlich klingende Parts (»Aasfresser«, »Zwei Punkt Nuller«) und die Reimketten, die sich auf »Fuck All You Hoes« von Zeile eins bis zur Hook locker zwei Oktaven nach unten schrauben, sorgen also nicht nur für willkommene Kontraste innerhalb der bekannten Themenwelt aus Straße und Battle, sondern öffnen die Stimmung auf »M10« auch für ein, zwei persönliche Momente, die ohne Aggression auskommen. Liebeslied inbegriffen. Den Spaßfaktor bestimmen allerdings weiterhin die absurden Ansagen, das Trap-Donnerwetter, die grobstollig durchgezogenen Flows und das nötige Weddinger Asphalt-Pathos. Nach einem monumentalen, physischen Erlebnis wie »BGB3« wirkt »M10« fast zahm und erfreulich kompakt (Dreiviertelstunde, null Features). Das macht es viel einfacher, dem Klappmesser-Baba beim Bitches-an-die-Wand-Tackern zuzuhören. Es ist nur ein bisschen weniger aufregend.
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