»Raop«, die Emulsion aus Rap und Pop, gab den Startschuss für die erfolgreiche Chimperator-Zeitrechnung. Mit »#hangster«, der eloquenten Wortschöpfung aus Hipster und Gangster – inklusive Hashtag für die »Generation Social Media« –, soll diese nun fortgeführt werden. Auf der Achse Stuttgart–Berlin scheint man mal wieder alles richtig anzugehen.
»#hangster«, das Debüt-Album von Cros DJ Psaiko.Dino, ist kein DJ-Album. Es ist vielmehr das eines Produzenten, der aktuell nur eben vermehrt als DJ in Erscheinung tritt. Denn auch wenn man den sympathischen 28-Jährigen in den vergangenen Monaten zwischen Bühne und Club vor allem hinter den Plattenspielern zu Gesicht bekam, sind seine Fähigkeiten als Beatschmied kaum zu überschätzen. Anders gesagt: Psaiko Dino ist hauptberuflich DJ und im Herzen Produzent. Davon zeugen sowohl der vielzitierte Haftbefehl-Hit »Ja Ja Ve Ve«, als auch die diversen musikalischen Unterlagen für die Chimperator Cyphers. Nun folgt der nächste logische Schritt, das eigene Produzenten-Album. Psaikos Vorteil: der Hype ist heiß, der eigene Name bekannt und die Protagonisten der Szene momentan so cool miteinander, wie selten zuvor. Psaiko.Dino macht sich den Moment zunutze und schustert eines der interessantesten, aber auch streitbarsten Projekte für das neue Jahr zusammen. Ganze 30 Künstler aller Couleur geben sich auf dem Longplayer die Klinke in die Hand, darunter Künstler wie Cro, Haftbefehl, Sido, Olson, Die Atzen, Weekend, Muso, Schwesta Ewa, Teesy, DCVDNS, Patrice, Eko Fresh, Palina Rojinski und Celo und Abdi. Psaiko.Dino vereint sie alle mit ’nem Lächeln und ’nem Beat. Der deutsche DJ Khaled? Keep it hangster!
Wie hast du mit dem Produzieren angefangen?
In meinen Freundeskreisen wurde immer Musik gemacht. Und dann kam die Frage, ob man lieber rappt oder Beats macht. Und die Idee, im stillen Kämmerchen an Produktionen zu arbeiten, anstatt auf der Bühne vor Publikum zu stehen, hat mir damals schon besser gefallen. So hat das ganz begonnen und ist bis heute so geblieben.
Auf Bühnen stehst du trotzdem. Und hast auf einmal die Aufmerksamkeit von mehreren 10.000 Zuschauern, wie beim diesjährigen »Rock am Ring« zum Beispiel.
Ja, schon, aber ich stehe da nicht im Fokus der Leute. Ich agiere nur im Hintergrund.
Im Background fühlst du dich also wohler?
Ja. Wobei es irgendwie auch geil ist, wenn ich in einem Club auflege und weiß, dass die Leute nur wegen mir gekommen sind. In der Regel gefällt es mir aber ganz gut, wenn nicht alle auf mich starren, sondern Carlo die Aufmerksamkeit bekommt. Natürlich steht und fällt die Show auch mit mir, ich muss mich schließlich um die Technik kümmern. Aber wenn Carlo mal seinen Text vergessen sollte, dann wäre das noch eine ganz andere Nummer. Ich mag Aufmerksamkeit, allerdings in gewissen Portionen.
Es gab auch Momente, in denen du mit dem unmaskierten Cro privat durch die Stadt gegangen bist und Fans ihn nicht erkannt haben, dich dagegen schon. Wie bist du mit dieser Situation umgegangen?
Ach, das ist schon lustig. Es gab Situationen, da musste Carlo die Fotos von mir und den Fans schießen, weil sie ihn einfach wirklich nicht erkannt haben. Das ist schon irgendwo cool. Ich meine, die wären wahrscheinlich vollkommen ausgerastet, wenn sie gewusst hätten, dass Cro vor ihnen steht. Als wir zuletzt die Clubtour gespielt haben, war das aber auch schon anders. Da war es einfach total ersichtlich, dass der dürre Typ neben mir Cro ist. Und dann können wir uns nicht einfach im Club daneben benehmen und in die Ecke kotzen, denn alle Augen sind auf uns gerichtet. Die Leute interessieren sich plötzlich in übertriebenem Maße für einen. Mir ist das auch etwas unangenehm, wenn ich auf der Straße nach einem Foto gefragt werde, die ganzen umherstehenden Menschen aber gar nicht verstehen, warum da jetzt jemand mit mir abgelichtet werden will. Und dann fragen sie nach und man muss sich erklären. Das ist irgendwie komisch.
Und was sagst du diesen Leuten dann?
Meistens, dass ich der DJ von Cro bin. Da muss ich wenig erklären.
Aktuell sind aber tatsächlich auch alle Augen eher auf deine Person gerichtet, denn du hast ein Produzentenalbum gemacht. Stand die Idee eigentlich sowieso, ein Album aufzunehmen, oder ging das eher davon aus, dass du die Möglichkeit gesehen hast, diese ganzen verschiedenen Künstler zusammenzubringen?
Tatsächlich ist das parallel entstanden. Ich habe eines Nachts mit Jan-Simon (Wolff, Geschäftsführer von Chimperator Department; Anm. d. Red.) telefoniert und er fragte mich, warum ich eigentlich kein Album mache. Und nach einem dreistündigen Telefonat hatten wir dann das Konzept (grinst). Ich hatte auch sofort 30 Wunschfeatures und verschiedene Ideen für Konstellationen. Eigentlich wäre es interessant, wenn ich noch die damaligen Skizzen davon hätte, wer zusammen auf einen Song kommen sollte, und die nun mit den finalen Tracks vergleichen könnte. Aber wir haben im Laufe der Zeit dann doch viel geändert, daher geht das gar nicht mehr. Jedenfalls ging die Arbeit genau an dem Tag dann auch direkt los.
Gab es denn Künstler die es letztlich gar nicht aufs Album geschafft haben?
Klar. Aber da waren auch Wunschkünstler von mir dabei wie Machine Gun Kelly oder Cam’ron (lacht). Aber ernsthaft, eigentlich haben sich kaum Leute quergestellt. Und klar, mit einigen hat es natürlich auch aus Zeitgründen leider nicht geklappt. Aber das ist ja bei solch einem Projekt immer der Fall.
Also gab es niemanden, der das Konzept der Platte schwierig fand und keine Lust darauf hatte?
Da gab es ein, zwei Leute. Aber ich möchte jetzt keine Namen nennen, sonst wird mir das sofort als Diss ausgelegt und das wäre definitiv nicht so gemeint. Also schweige ich lieber.
Wie kann man sich denn die Herangehensweise an das Album vorstellen? Hast du bestimmt, wer zusammen auf einen Song soll, oder haben da letztlich auch Künstler untereinander getauscht?
Es wurde zwar auch untereinander gewechselt, aber in der Regel haben wir bei der jeweiligen Anfrage direkt den potenziellen Gegenpart vorgeschlagen. Und so stressig, wie man sich das bei all den verschiedenen Künstlern, Managements und Labels vielleicht vorstellen mag, war es glücklicherweise gar nicht. Eigentlich hatten alle total Bock auf das Projekt. Und ganz so wahllos sind wir jetzt auch nicht an die Sache herangegangen. Der rote Faden bestand, neben meinen Produktionen, ja gerade darin, zwei oder drei vermeintlich nicht passende Künstler auf einem Song zu vereinen. Wenn man mal ehrlich ist, herrschte da untereinander schon von vornherein eine ziemlich große Akzeptanz und dann verwundert einen auch der Featuresong zwischen Cro und Haftbefehl nicht mehr groß. Klar, auf dem Blatt hast du da den Azzlack und den Hipster. Aber eigentlich, und das haben ja auch beide immer wieder betont, feiern sie einander. Dieser Haftbefehl-Cro-Song, auf den aktuell alle warten, war jedenfalls die eigentliche Initialzündung. Der hat letztlich die Idee für das Konzept geliefert, zwei Welten aufeinander prallen zu lassen.
Trotzdem wirst du dich wohl dem Vorwurf stellen müssen, mit deinem Album die Szene verwässert zu haben. Straße trifft Hipster, Punchlines und Pop. Alle sind – zumindest augenscheinlich – cool miteinander und niemand will mehr anecken. Wird Psaiko.Dino da zum Feindbild?
Natürlich ist das der große Angriffspunkt an dem ganzen Album, da mache ich mir nichts vor. Aber Hater sind Hater und werden haten. Irgendetwas lässt sich doch immer finden. Ich glaube, dass es viele Leute auch einfach cool finden werden, die verschiedenen Künstler endlich auf einem Song zu hören. Von daher mache ich mir eigentlich keine großen Sorgen.
Ich stelle mir den Aufwand bei diesem Album sehr groß vor: Der Künstler muss nicht nur Lust auf das Projekt an sich haben, sondern auch noch auf den anderen Künstler des jeweiligen Songs. Ganz zu schweigen von dem Beat, der für denjenigen vorgesehen ist. Und schlussendlich muss man auch noch Zeit dafür finden, den Song aufzunehmen. Nicht gerade einfach, oder?
Das ist schon krass, ja. Aber in der Regel hatten alle sofort Bock auf meine Beats, was die Sache erheblich vereinfacht hat. Und ich mag genau diese Art des Produzierens, speziell an einen Künstler angepasst, besonders gern. Ich glaube man merkt auch, dass ich Songs wie den mit Schwesta Ewa zum Beispiel, den mit Olson, oder auch den Track mit Muso direkt auf sie zugeschnitten habe. Und wenn ich im Voraus direkt den Geschmack des jeweiligen Künstlers treffe, dann ist da schon einmal viel Zeit gespart. Mir ist die Herangehensweise auch viel lieber, für einen Künstler zu produzieren, als wenn ich einfach nur den Mac aufklappe und irgendwelche Beat-Ordner zusammenstelle. Sollte es soweit kommen – und das hoffe ich sehr! –, dass ich mal ein ganzes Album für einen Künstler produzieren kann, dann sollte die Arbeitsweise auch genau so aussehen.
Wie lange hat die Ausarbeitung des Albums denn dann am Ende eigentlich gedauert?
Tatsächlich nur ein halbes Jahr. Das ging erstaunlich schnell, wenn ich mir das jetzt mal so überlege. Aber das ganze Chimperator Team hat mich auch wirklich krass unterstützt. Ohne die hätte das nicht so reibungslos geklappt.
Inwieweit hat dir auch dein Standing als DJ von Cro etwaige Türen geöffnet?
Das hat schon geholfen, schließlich kennen mich die meisten Menschen genau deswegen. Aber gerade in der Anfangsphase war es interessant zu sehen, wie viele der Leute mich dann doch auch als Produzenten auf dem Schirm haben. Die Atzen um Manny Marc und Frauenarzt beispielsweise, die wir als eine der ersten Künstler angefragt haben, weil wir die fixe Idee hatten, dass ich doch auch einfach mal auf dem Song rappen sollte. Ich habe mich damals noch gefragt, warum Die Atzen denn überhaupt einen Song mit mir machen sollten, wenn sie mich überhaupt nicht kennen. Aber im Telefonat mit Manny Marc habe ich dann gemerkt, dass diese Cro-Sache schon die Runde gemacht hat und Leute auch gecheckt haben, dass ich eben nicht nur der DJ des Hypes bin, sondern auch darüber hinaus eine Berechtigung habe, die nicht von der Hand zu weisen ist. Ein bisschen was habe ich ja schon auf der Habenseite.
Produzentenalben sind in der Vergangenheit ein schwieriges Thema gewesen, weshalb das auch jahrelang niemand mehr wirklich versucht hat, oder?
Wir haben uns natürlich überlegt, wie wir mit dem Album möglichst viele Leute erreichen. Und ich mache mir da auch nichts vor: Es gibt Künstler auf dem Album, die haben nicht nur Bock auf das Projekt gehabt, weil wir super miteinander befreundet sind, sondern weil sie auch davon ausgehen, dass ziemlich viele Menschen das Album hören werden. Und trotzdem finde ich, dass nicht auch nur einer von ihnen einen billigen 16er abgeliefert hat. Das Album ist vollkommen rund und stimmig geworden. Und mir damit irgendetwas beweisen, dass ich nun auf die 1 gehen kann oder ähnliches, wollte ich auch gar nicht. Ich glaube, die Schwierigkeit von der du sprichst, rührt eher daher, dass auf vielen Produzentenalben einfach sechs, sieben krasse Künstler waren und der Rest mit irgendwelchen Homie-Features aufgefüllt wurde. Die Songs waren dann vielleicht gut produziert und cool, aber außer dem kleinen Kreis hat das niemanden wirklich interessiert. Das ist bei mir aber nicht der Fall, weil wir uns von Anfang an das Ziel gesetzt haben, auf 15 Songs auch wirklich 15 krasse Namen zu haben. So bleibt das Projekt nämlich durchgängig interessant und bekommt eine ganz andere Relevanz.
Gab es denn niemanden, den du hättest pushen wollen?
Das hätte ja nicht ins Konzept gepasst. Und einmal damit angefangen, wäre ich aus der Nummer sicher auch nicht mehr rausgekommen. Was nicht heißen soll, dass es niemanden in meinem Umfeld gibt, der es nicht verdient hätte, von einem größeren Publikum gehört zu werden. Aber dieses Mal hat es einfach nicht gepasst und vielleicht mache ich ja auch noch einen zweiten Teil, bei dem ich dann all diese Leute vorstelle. Es sei denn, sie sind bis dahin schon berühmt genug (lacht).
Hast du eigentlich Angst davor, dass der Hype plötzlich wegbricht?
Man muss immer weitermachen. Ich will nicht nur von Cro abhängig sein, schließlich steht der ja auch nicht 365 Tage im Jahr auf der Bühne und braucht einen DJ. Mit dem Album vollziehe ich einen weiteren Schritt in die Unabhängigkeit. Die Leute sollen mich auch als Produzenten wahrnehmen. Ich habe Hummeln im Hintern und will kreativ sein, Dinge umsetzen, eben weiter machen. Ich kann mich jetzt nicht einfach hinsetzen und ausruhen. Außerdem denke ich, dass es geradezu fahrlässig wäre, wenn ich nicht genau jetzt ein Album herausbringen würde, wo ich doch gerade die besten Voraussetzungen dafür habe.
Du bist ein gern gesehener Club-DJ. Entspricht der Sound, den du auflegst, auch dem, was deine eigenen Produktionen auf dem Album beeinflusst hat?
Nein, es rappt ja schließlich auch kein deutscher MC auf Club-taugliche Amiproduktionen. Capo geht zwar gerade ein wenig in diese Richtung, aber es gibt jetzt keinen Rick Ross auf Deutsch. Was ich eigentlich schade finde! Aber mittlerweile mache ich mir auch mehr Gedanken darüber, was ich im Club tue. Vor zwei Jahren habe ich einfach nur aufgelegt, was ich selber gerne hören wollte. Heute schaue ich schon, was zum Publikum passt. Ich wurde von Chimperator damals irgendwie in diese DJ-Nummer reingezwängt und musste mir vieles erst einmal selbst beibringen. Da habe ich schon eine ziemliche Entwicklung durchgemacht in den vergangenen Jahren.
Wenn du von »reingezwängt werden« sprichst, wie lief das denn damals ab?
Das hörte sich jetzt negativer an, als es gemeint war. Es war eigentlich so, dass ich zwar nebenher immer schon ein paar Beats gemacht habe, bei Chimperator aber Grafikpraktikant war. Kurz vor dem Signing von Cro haben wir uns dann kennengelernt und da kristallisierte sich schon heraus, dass Carlo und ich uns wirklich gut verstehen. Daraus ist eine sehr enge Freundschaft geworden, und als es dann wirklich darum ging, dass Cro auf die Bühne sollte, war irgendwie klar, dass wir das gemeinsam machen würden. Ich war eigentlich überhaupt kein DJ und Cro hatte vor der ersten Tour mit Madcon vielleicht zwei oder drei Auftritte hinter sich, aber wir wurden da einfach ins kalte Wasser geworfen (grinst). Der erste Auftritt auf der Tour war, wie erwartet, einfach nur grauenhaft. Aber bis zum Ende der Dates haben wir es dann doch mal hinbekommen, dass drei Leute die Hände oben hatten. Von da an waren wir ein Team. Und, naja, der Rest ist Geschichte (lacht).
Hast du denn von Anfang an an die Sache geglaubt?
Weder Carlo noch ich hätten uns erträumt, dass es so kommt, wie es gekommen ist. Für mich war das von Anfang an ein Kumpel-Ding. Und erst als das »Easy«-Video erschien, wurde uns klar, dass das etwas Größeres werden könnte. Dass daraus irgendwann sogar ein Job für mich entstehen würde, war auf gar keinen Fall absehbar. Irgendwie gefällt mir dieser Gedanke aber doch ganz gut (grinst).
Text: Amadeus Thüner
Foto: Julian Essink
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