»Du kannst jemanden eben ideenlos, aber richtig hart beleidigen, das ist aber eben immer noch nicht so krass, wie wenn du ihm ganz fies in eine Schwachstelle piekst.« // Weekend im Interview

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Weekend-Robert-Winter

»Lasst doch gut sein, ich mach doch nur ein bisschen Rap.« Die großen Töne findet man bei ­Weekend nicht. Auch wenn der Rapper aus Gelsenkirchen mit seinem Album »Am Wochenende Rapper« im sowieso schon erfolgs- und qualitätsverwöhnten Deutschrap eine Marke setzt. Er hat sowohl die ­Liebe zum HipHop als auch den Szene-Buzz, die Verkaufszahlen, Fans und Social-Media-Nummern, um da oben mitzuspielen. Die Übernahmefantasien und Ansagen fehlen ihm. Weekend braucht sie nicht. Denn er hat ein Album, das sich in seiner Schlüssigkeit und, ja, Realness von einem Großteil der ­nachkommenden Rap-Star-Generation abhebt. Dabei ist es »im Endeffekt einfach nur ein Rap-Album geworden«.

»Am Wochenende Rapper« beginnt mit Scratches und einem echten Realness-Statement. Das Intro »Zurück dahin« erinnert in seiner Diktion an die Realkeeper-Hymnen, wie man sie vor 15 Jahren hörte, als die HipHopper von ihren Ausflügen mit Wochenendtickets auf die Jams der Republik erzählten, bei denen die vier Elemente noch gelebt wurden. Nur übersetzt Weekend diesen Realkeeper-Ansatz in die heutige Zeit. Natürlich, denn er steht für eine neue HipHop-Generation. Nein, er führt sie an. Er ist ungeschlagener VBT-Teilnehmer. Jenes »Video Battle Turnier« der Webseite rappers.in, das die deutsche Rap-Szene, die sich in den letzten drei Jahren konstant im Aufwind befand, quasi aus dem Nichts überrannte. Parallel zu dem Erfolg alter und neuer Figuren des Spiels entwickelte sich dort eine Kaderschmiede, die sich einerseits der Mittel echtester Rap-Tradition bediente, aber mit der Szene als solcher relativ wenig zu tun hatte. Die heutige Position Weekends – die hohe Chart-Platzierung, die Auftritte auf Festivals, die Nähe zu bekannten Rap-Akteuren – wäre ohne das VBT nicht möglich gewesen. Dennoch gibt es einen Prä-VBT-Weekend. Das zu betonen, ist diesem Christoph Wiegand sehr wichtig. »Ich muss da gerade ein wenig drauf beharren, weil so viele Leute zu mir ankommen und sagen, wie krass es ist, dass ich das erst seit zwei Jahren mache.«

Der VBT-Weekend war immer nur der Rapper Weekend. Ein Junge aus Gelsenkirchen, der HipHop liebt und sich in seiner Musik selbst in den Mittelpunkt stellt. So ist es bis jetzt. Und dort steht dann ein schlaksiger 26-Jähriger, ein studierter Sozial­arbeiter, der keine Nöte leiden, nichts Schlimmes verarbeiten, dafür aber eben ein paar andere Gymnasiasten battlen muss. »Sie sagen ‘Life is a Bitch’/ Mag ja sein, ey, meins aber nicht.« Dabei überspitzt er seine Durchschnittlichkeit bis ins Extrem. Er spielt mit dem Versager-Understatement eines Kamp, jedoch ganz ohne dessen Destruktivität. Er hat die Bodenständigkeit von Blumentopf, ohne ihre verbissene Ungelenkigkeit. Er macht Battle-Rap ohne Zwölffachreime, eine neue Art des simplen Mittelstands-Raps, weit weg von Raop, aber eben genauso weit weg von Kontroversen. Straight Rap. Weekend, was für Rap? »Halt ­Unterhaltung, ne.« Ob ihn das zu einem »schlechten Star« macht, wie er einen Album-Track betitelt hat? Natürlich nicht.

Ein ansehnlicher junger Mann mit sehr vielen YouTube-Klicks und FB-Likes, der dazu noch etwas mit dem aktuellen Goldesel-Genre Deutschrap zu tun hat – ein gefundenes Fressen für sämtliche Major-Labels. Und natürlich klopften die an. Doch Weekend entschied sich für den naheliegenden Gang zu einem unabhängigen Szenemotor und kam bei Chimperator unter. Weil die Booking-Abteilung der Stuttgarter ihm bereits in den Monaten zuvor Auftritte bei sämtlichen Festivals klarmachte. Aber auch, weil er keine Hilfe von geschulten A&R-Menschen brauchte, um sich wegen musikalischer und inhaltlicher Ausrichtung zu meeten oder um mit Produzenten, Video­regisseuren oder Songwritern in Kontakt zu kommen. Die Marke Weekend war bereits definiert – und zwar von Weekend, seinem Produzenten Peet und seinem DJ Upset. (Dabei verwundert nicht, dass das Trio die Erlöse der Musik offenbar ­brüderlich teilt.)

Mehr als alles andere ist Weekend eigentlich der Self-Fulfilling-Prophecy-Rapper. Sein Debütalbum hieß »Fans gesucht«, unter der gleichen Losung firmiert er im Netz. Er wollte auf dem Splash! spielen, er wollte ein Lakmann-Feature haben. Und er wollte auf das JUICE-Cover. Er hat all das bekommen.

Nach dem VBT sagtest du mal, dass auf deinem Album kein Battle-Rap stattfinden wird.
Ja und nein. Das ist schon irgendwo Battle-Rap, weil ich eben diese bestimmte Art habe, zu texten – eben sehr ähnlich wie beim VBT. Aber es ist halt nicht: Ich gegen Rapper. Ich mag das einfach nicht mehr, Tracks zu machen, auf denen man eine imaginäre Person battlet, die auch rappt.

Verdient so was dann eigentlich noch die Bezeichnung Battle-Rap, wenn du ­Themensongs mit dieser Battle-­Perspektive angehst?
Man kann das ruhig so nennen, aber wenn ich das Wort Battle-Rap höre, dann denke ich sofort an die Art und Weise, Rap zu machen, wie sie vor fünf Jahren noch typisch war: Dass man eben einen imaginären Gegner hat, mit dem man sich auseinandersetzt. Das, was ich mache, ist wahrscheinlich eine Abwandlung davon. Mir macht das einfach Spaß – ich hab das ja schon mit der JUICE, mit dem Splash! etc. gemacht –, so eine Gelegenheit als Anlass für einen Track zu nehmen, anstatt einfach irgendeinen Track zu machen. Bei »Rolf« oder »Schatz, du Arschloch« sind das dann einfach Personen, mit denen man sich viel auseinandersetzt, und so kann man da eben was Witziges draus machen. Ich finde das lebensnäher, als diese »Du bist ein wack MC und meine Flows sind ein kleines bisschen besser als deine, obwohl es dich gar nicht gibt«-Musik.

Deine Tracks »gegen« die JUICE, das Splash!, deine Freundin etc. sind auch alle nicht böse gemeint und alles andere als feindselig.
Das ist mehr so Kumpelhumor, ne? Eigentlich verarschen wir uns den ganzen Tag, aber wenn’s drauf ankommt, sind wir voll cool. Ich will ja auch keinen Streit mit irgendjemandem haben. Für mich als Typen ist das eben die perfekte Lösung: Ich kann nett zu allen sein. Widersprich mir, wenn du das nicht so siehst, aber ich denke, die Leute von der JUICE oder vom Splash! freuen sich auch darüber, wenn man was macht, wozu die selber auch einen Bezug haben.

Das ist das, was du denkst.
Ich hoffe jedenfalls, dass das so ist. (lacht) Ich finde es jedenfalls cool, solche Dinge auf diese Weise zu thematisieren.

Könntest du dich auf diese Weise auch mit Dingen beschäftigen, die dich ­wirklich ­ärgern? Also so was wie »Schatz, du Arschloch« schreiben, um damit ­tatsächlich eine Beziehung zu beenden?
Kann ich mir schon vorstellen. Aber auf dieses konkrete Thema bezogen nicht. So was würde ich allgemein nicht gerne in Tracks verarbeiten. Aber mit anderen ­Themen würde ich wohl schon so ironisch battlend umgehen. Angenommen, ich ­würde jetzt sozialkritischer werden in meinen Texten, dann würde ich wohl auch diese Herangehensweise wählen, um ­Sachen zu kritisieren.

Wie findest du es, wenn Leute deine Musik als harmlos bezeichnen?
Ja, die ist grundsätzlich harmlos. Meine Musik hat schon eine Art Biss, aber die Grundstimmung ist auf keinen Fall böse. Ich bin kein Straßenrapper-Mensch, ich will nicht hart sein. Ich bin mehr so der Junge von nebenan, der vielleicht ein bisschen rotzig ist – und nicht gefährlich. Was heißt denn überhaupt harmlos? Hat Rap denn den Anspruch, gefährlich zu sein? Da fühle ich mich nicht auf den Schlips getreten. Wenn mir jemand Harmlosigkeit vorwirft, dann sage ich: Stimmt, das bin ich. Wir können gerne darüber sprechen, ohne dass ich dir dein Handy abziehe. Das ist für mich nichts Negatives.

Die letzten großen Weichenstellungen im deutschen Rap hatten immer damit zu tun, neue musikalische und inhaltliche Einflüsse von »draußen« zuzulassen und einzubauen – wie zuletzt bei Casper. Dein Album hingegen ist musikalisch eine sehr klassische Veranstaltung, funktioniert aber trotzdem.
Ich glaube, wir sind jetzt einfach noch mal zwei Jahre weiter als diese Zeiten, wo man sich am besten eine Band geholt und diese Indie-Einflüsse eingebaut hat. Irgendwann sind die Leute auch Dinge leid. Es gibt ja viele Leute, die in diese Casper-Fußstapfen getreten sind. Vor ein paar Jahren wären sie damit alles gewesen, aber jetzt haben sie es halt schwer, weil es das alles eben schon mehrfach gibt. Ich glaube aber auch, dass dieses ganze straighte HipHop-Ding, wie ich das jetzt gemacht habe, es bei einer breiten Masse auch durchaus schwer hat. Das ist schon begrenzt. Beim VBT hat es sein Maximum gefunden, und mehr Hörer kannst du damit ja auch gar nicht kriegen. Casper hingegen können sowohl 13-Jährige, als auch deren Mittdreißiger-Eltern hören. Ich glaube, das wird bei mir schwierig.

Gab es jemals die Überlegung, solche Moves zu machen, um potenziell mehr Hörer zu erreichen?
Nein. Wenn wir live ein bisschen ­musikalischer werden wollen würden, dann würden wir Peet hinsetzen und ihm einen Drumcomputer oder ein Keyboard ­hinstellen. Das würde ich feiern, aber eine Band … Das wurde uns auch vorgeschlagen, aber ich wüsste jetzt gar nicht, wie man das mit unserer Musik kombiniert. Das würde nicht funktionieren. Dazu müssten wir etwas komplett anderes ­machen, und das möchte ich nicht.

Wir erlebst du den derzeitigen Deutschrap-Hype?
Ist großartig, ne. Bei der letzten großen Welle, als der Straßenrap groß wurde, war ich ein wenig außen vor, weil ich einfach keinen Straßenrap mache. Und inzwischen ist es sehr vielfältig. Ganz verschiedene Stile aus unterschiedlichen Ecken werden krass gut umgesetzt und sind erfolgreich. Es gibt jetzt sogar coolere Straßenrapper als damals. Es ist eine super Zeit für alle.

Bei dem Hype der Endneunziger warst du 14 Jahre alt.
Ja, da hab ich die alten Savas-Sachen, Blumentopf, Lyroholika und natürlich Creutzfeld & Jakob gehört. Man sagt mir ja auch manchmal nach, dass ich einen Blumentopf-Humor habe. Aber ich finde, dass ich da auf jeden Fall bissiger bin. Die Zeit hat sich natürlich auch verändert. Allein das Texteschreiben, wie man heute Pointen setzt. Dieser Punchline-Gedanke war früher einfach ein anderer. Inzwischen passiert vieles eher mit der Brechstange. Allein die Beleidigungen, die heute einfach so in Texten fallen, hätte man zu der Zeit nicht gemacht. Ein Wort wie »Hurensohn« war da nicht akzeptiert, drei Jahre später war es Teil jeder Punchline und heute gähnen die Leute, wenn sie es hören.

Aber glaubst du, dass ein Format wie das VBT tatsächlich inhaltlich härter ist als frühere Battles?
Was Provokationen durch Kraftausdrücke angeht, gar nicht so unbedingt. Dort wurde ja sehr vieles auf der Humorschiene gefahren. Du kannst jemanden eben ideenlos, aber richtig hart beleidigen, das ist aber eben immer noch nicht so krass, wie wenn du ihm ganz fies in eine Schwachstelle piekst. Und das ist im VBT passiert.

Würdest du die These ­unterschreiben, dass das VBT der bisher einzige ­Talentwettbewerb im deutschen Rap ist, der funktioniert hat?
Nee. Das war vielleicht der größte bisher, aber diese Freestyle-Geschichten von Out 4 Fame früher waren auch sehr groß. Die Leute, die da mitgemacht haben, haben größtenteils auch etwas aus sich gemacht. Fard zum Beispiel konnte das sehr gut als Sprungbrett nutzen. Wobei ich bei ihm immer unsicher bin, ob da die Freestyle-Sachen wirklich das Sprungbrett waren – er hat dann eine krasse Wandlung hingelegt und dieses Straßenrap-Zeug gemacht. Und dann gibt es ja auch noch Rap am Mittwoch, und auch diese ganzen VBT-Nachzügler möchte ich da nicht ausklammern. Das VBT ist schon das größte Ding, aber man muss auf jeden Fall auch die RBA erwähnen. Und wenn du kuckst, wer da herkommt, ist die RBA eigentlich noch viel krasser als das VBT: Kollegah, K.I.Z., Pillath, F.R. – alles Acts, die weit erfolgreicher waren als bisher jeder VBT-Teilnehmer.

Aber die RBA hat währenddessen lang nicht so eine Breitenwirkung gehabt wie das VBT.
Nee, das nicht. Die RBA ist mehr so die Hochschule, wo du es halt lernst, während das VBT schon sehr »DSDS«-mäßig ­geworden ist. Bei der RBA kuckt dir halt keiner zu, aber wenn du da rauskommst, hast du halt bestimmte Fähigkeiten ­erworben.

Wie wichtig ist denn dieser Faktor, dass man beim VBT zukucken kann, diese Internet-Öffentlichkeit?
Das ist das A und O. Wenn du da mitmachst, dann willst du ja auch dieses Feedback haben. Bei »Feuer über Deutschland« hat es mich zum Beispiel krass aufgeregt, dass es da keinen Sieger gab. Da muss doch jemand sein, der das bewertet! Ich hätte keinen Bock zu battlen, wenn man sich danach die Hand gibt und sagt: Hey, wir waren echt beide cool. Da muss ein Sieger bei rauskommen, sonst ist das doch langweilig. Ich hab bei »Feuer über Deutschland« vieles sehr gefeiert, zum Beispiel Lakmann oder Maeckes & Plan B. Aber dann waren die Battles alle vorbei, und es kam keine nächste Runde. Nach meinem Verständnis hätte es da Gewinner geben müssen. Aber vermutlich hätten die alle nicht mitgemacht, hätte es die Option gegeben, zu verlieren.
Man spricht davon, dass du jetzt zeigen kannst, ob man den Erfolg beim VBT auch monetarisieren kann.
Aber ist das wirklich so? Ich weiß es nicht. Vielleicht hat es damit zu tun, dass ich zweimal gewonnen habe. Und es außerdem geschafft habe, mich danach einigermaßen rar zu machen. Die Leute wurden nicht übersättigt. Ein Rapper wie Pimf ist musikalisch unglaublich krass, aber ist beim VBT einfach nicht so weit gekommen. Deswegen hat er vielleicht nicht die gleiche Reichweite wie ich, aber er hat eben auch nicht diesen VBT-Stempel. Oder natürlich Lance Butters, bei dem ich super gespannt bin, was passiert, wenn er sein Album macht.

Dein Erfolg beim VBT ist natürlich auch auf deine Fähigkeiten zurückzuführen. Aber wie wichtig schätzt du für deinen Erfolg den Fakt ein, dass das Publikum sich mit dir identifizieren konnte?
Meine Stärke lag auf jeden Fall darin, dass ich auch eine Konsumentenperspektive einnehmen konnte. Wenn es bei einem Teilnehmer etwas gab, worüber man sich lustig machen konnte, dann habe ich das gemacht, als wenn ich mir als Außenstehender das Video angeschaut und mich gefragt hätte, was zur Hölle er da macht. Klar war ich auch der Rapper, aber ich habe auch eine andere Perspektive eingenommen. In technischen Belangen waren mir ja etliche Teilnehmer überlegen.

Im Intro des Albums rappst du ja auch: »Ich bin einer wie ihr.«
Ich fühl mich auch einfach so. Für mich ist vieles bei dem Rap-Ding ja auch noch neu. Ich rappe zwar schon lange, aber den ganzen Rattenschwanz mit Interviews und Festivals kenne ich noch nicht lange. Und der ist mir auch sehr suspekt. Auch wenn ich das sehr gerne mache, habe ich da eine gewisse Skepsis. Vielleicht auch, um mich ein wenig zu schützen.

Woher kommt das?
Weil ich das eben nicht so sehe. Es gibt viele Leute, die musikalisch eine viel breitere Masse ansprechen. Ich mache ja eigentlich Spartenmusik. Ich mache halt straight Rap. Wieso mich einige Leute mögen, liegt vielleicht auch daran, dass ich relativ einfach formuliere. Ich benutze wenige Rap-Fachbegriffe und rede, als wäre ich in einem normalen Gespräch. Das ist eigentlich meine einzige Erklärung für all das.

An einer Sache stoßen sich die Leute bei dir ein wenig – deine Stimme. Magst du eigentlich deine Stimme?
Meine Stimme ist auf jeden Fall begrenzt. Bei vielen Tracks denke ich mir schon, dass da mehr gehen könnte. Das größte Potenzial hat meine Stimme leider nicht.

Wer hat denn eine krasse Rap-Stimme?
MoTrip! Der hat die Todes-Rap-Stimme. Karuzo von Genetikk und Lance auch. Flipstar hat die absolute Rap-Stimme. Da geht nichts drüber.

Orientierst du dich denn an anderen Rappern?
Nö. Ich habe jahrelang so Conscious-­Sachen gehört. Dilated Peoples und so, aber auch das erste Non-Phixion-Album war für mich ein krasser Meilenstein.

Das sind also die Sachen, über die du in jungen Jahren in Gelsenkirchen mit HipHop in Berührung gekommen bist?
Joa, ich kann das zeitlich gar nicht so ­einschätzen, um ehrlich zu sein. Ich hab das schon sehr aufgesogen. Ich wollte mich früher stark von irgendwelchen Mainstream-Sachen abgrenzen und habe mich darüber identifiziert, Sachen zu hören, die nicht so viele kannten.

Ich war ein wenig überrascht, wie ­elektronisch dein Album letztendlich klingt. Auch weil Peet ja ein riesengroßer Dexter-Fan ist und man hörte, dass ihr ein Soundbild im Kopf hattet, das nach Apollo Brown klingt.
Das stimmt. Ich steh voll auf Sample-Beats, eigentlich hätte auch ich sehr gerne mehr Beats wie den von »Life Is A Bitch« auf dem Album gehabt. Aber Peet hat mir eben Beats geschickt und ich habe davon gepickt. Es war Zufall, dass da so viele Synthesizer auftauchen. Eigentlich hätte ich gerne mehr Samples gehabt.

Dennoch unterscheiden sich diese Sample-Beats ja auch von den ­Instrumentals, sagen wir, Melting Pot’scher Prägung, etwa was die eher ­organischen Drums angeht.
Ja, aber für mich ist das auch sehr anstrengend, darauf zu rappen. Ich höre das sehr gerne und ein Guilty Simpson kann über so was super rappen. Ich kann es nicht, bin darüber aber auch nicht unglücklich. Ich finde es auch gut, dass sich die Beats auf dem Album teilweise stark unterscheiden. Bei diesen von Beat-Nerds produzierten Sachen habe ich auch oft das Problem, dass die Beats eigentlich geil sind, aber sie sich zu wenig unterscheiden. Da geht es eher um ein hörbares Gesamtkonstrukt, aber die Mischung aus Sample und versetzten Drums klingt dann oft auch anstrengend ähnlich. So viel Platz für Beat-Nerderei ist bei mir eh auch nicht. Mir ist es wichtig, dass die Stimme sehr vordergründig ist. Oftmals muss bei den Produzenten ja auch dann die Snare so auf die Fresse hauen, dass der Rapper mal kurz weg ist.

Wie schätzt du eigentlich das Beat-Niveau vom VBT ein?
Das kann man eigentlich gar nicht sagen. Da gibt es ja einen Beat-Pool, wo jeder einen Beat hochladen kann. Und wenn man das Niveau der VBT-Anfangsrunden kennt, dann kann man auch sehen, dass das Level der Produzenten ähnlich ist. Aber natürlich gibt es da auch krasse Leute. Peet hat ja beim Splash!-VBT mehr als die Hälfte der Sachen gemacht. Nicht nur meine. Das war auch sehr gut für die Veranstaltung. Auch Bennett On ist überkrass.

Hast du als »Neuling« eigentlich schon ­unangenehme Erfahrungen gemacht mit diesen ganzen Gestalten im Business?
Ja, aber nicht so viel zum Thema Arroganz und »Was macht der Pisser hier im Backstage?«, sondern eher, dass ich Leute getroffen habe, die ich früher gefeiert habe, und jetzt überhaupt keinen Bock mehr habe, mir deren Zeug jemals wieder anzuhören. Da hab ich auch wirklich ein Problem damit: Ich kann Musik und persönlichen Scheiß ganz schlecht trennen. Wenn ich jemanden treffe und die Musik vorher so geht so fand, kann es sein, dass ich das Zeug danach total feiere. Andererseits, wenn ich die Musik vorher rauf und runter gehört habe und feststelle, der Typ ist ein Vollidiot, dann bin ich auch mit dem Album durch. Das ist vielleicht ein bisschen schade, aber …

Das passiert einem als Musikjournalist ja andauernd. Scheißjob, würde ich sagen. Was ist das Schlimmste überhaupt am Dasein als Rapper?
Boah, ich genieße eigentlich grad alles sehr. Schwierig ist nur manchmal die Erwartungshaltung von »Fans«. Dass Leute grundsätzlich der Meinung sind, sie dürften sich über alles beschweren. Obwohl das auch recht harmlos ist, wenn du gerade aus dem VBT kommst. Trotzdem finde ich es krass, wie wenig sich Leute vor Augen führen, dass du da einfach nur Musik machst. Die haben da kein Anrecht drauf. Wenn es ihnen gefällt, können sie das kaufen. Wenn nicht, dann nicht. Keiner hat einen Anspruch darauf, dass du irgendetwas für ihn tust. Das ist ganz schwierig gerade, weil die Leute so überschwemmt sind mit Musik. Und dann sitzen die mit verschränkten Armen vor Facebook und denken: Nee, wenn der jetzt so macht, dann geh ich zu einem anderen. Und die Art und Weise, wie so was kundgetan wird, ist oft sehr fordernd. Und da verstehen diese Leute ihre Position einfach nicht. Ich hab ja auch schon mal einen Song gemacht, in dem ich meine Fans komplett beleidige, obwohl ich damals kaum welche hatte. Der Song hieß »Fans gesucht« und da beschrieb ich in den Strophen, was ich für sie tue: Und zwar überhaupt nix. Und ich war sehr gemein zu ihnen. Aber ich rege mich nicht genügend darüber auf, dass es mich wirklich nerven würde. Nur manchmal, da lächle ich ein bisschen. Das ist die bessere Emotion.

Du hast ja immer wieder erwähnt, dass du deinen Job reduziert hast, um mehr Zeit für Musik und Auftritte zu haben. Wie realistisch erscheint es dir, dich nun komplett auf die Musik zu ­konzentrieren?
Ich könnte das ja gerade tun. Und das würde für ein paar Monate auch bestimmt laufen, aber das Ding ist: Ich möchte das gar nicht. Ich möchte diese zweieinhalb Tage normale Arbeit haben, um a) meine Miete safe drin zu haben und b), auch regelmäßig aus diesem Musikding rauszukommen. Wenn du nur Musik machst, ist das ziemlich anstrengend, weil alle in dieser Parallelwelt leben, in der viele Alltagssachen einfach wegfallen. Wenn du auf einem Festival bist und der Typ, der da für dich zuständig ist, zum fünften Mal ankommt und dich fragt, ob alles okay ist und sich für irgendeinen Scheiß entschuldigt, der dir gar nicht aufgefallen ist, dann denke ich mir: Ey, mach das nicht zu oft bei mir, denn ich will nicht so einer werden, wegen dem du dich tausendmal ­entschuldigst. Deswegen ist es ­vorbeugend auch recht angenehm, ganz normale Arbeit zu machen.

Also hast du Angst, dass du einen ­Höhenflug bekommst?
Ich glaube, ich bin bei so etwas relativ stabil. Ich bewege mich aber auch nicht seit zehn Jahren in so einer Szene, und deswegen hab ich dazu auch einen ganz anderen Bezug. Wenn du zehn Jahre lang von allen wie der King of Rap behandelt wirst, dann biste halt irgendwann der King of Rap. Und da bleibt dann relativ wenig Christoph übrig. Und das würde ich ganz gern vermeiden.

Text: Alex Engelen & Marc Leopoldseder
Fotos: Robert Winter

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