»Geld ist ein Faktor, der in meinem Leben keine große Rolle spielt.« // Muso im Interview

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Angesichts dessen, was dieser junge Heidelberger textlich vorlegt, fühlt man sich als Schreiber mit ­solch totgedroschenen Phrasen geradezu schäbig – aber man kann es einfach nicht besser auf den Punkt ­bringen: Muso ist ein Ausnahmekünstler in diesem Spiel. Das haben die Raop-Kids schnell gemerkt, als ihnen via Cro-Facebook eine musikalisch vergleichsweise anstrengende Kunstabfahrt namens »Malibu Beach« präsentiert wurde. Das haben auch die Stammtisch-Heads gemerkt, als sie sich in besagtem Video mit vermeintlichen Hipster-Codes konfrontiert sahen und Muso aufgrund der anspruchsvollen Lyrik ­dennoch nicht als Hype-Unsinn abtun konnten. Und diejenigen, die ihre geschmacklichen Schubladen eher langsam und bedacht auf- und zumachen, merkten es allerspätestens mit der Veröffentlichung des Covers zu Musos erstem Album »Stracciatella Now«: Okay, der Typ ist halt wirklich nackig und mit Mops im Arm vorn auf seiner CD drauf. Was macht der da? Ganz einfach: Er macht es anders. Und zwar alles.

Was ist deine Herangehensweise an Musik?
In das Musikmachen bin ich nicht wirklich involviert, ich schreibe nur Texte. Ich spiele ja kein Instrument, ich kann auch nicht produzieren. Ich setze mich zwar schon mit meinen Produzenten hin und schaue, wie das so wird. Aber die musikalische Umsetzung des Albums lag in den Händen von Get Well Soon und Pink Ganter. Ich schreibe nur Texte und schaue, dass sie einigermaßen auf die Beats passen. Und ich bin froh, dass das Soundkonstrukt außenrum in dieselbe Ecke platziert wurde wie die Texte. Oft ist zuerst der Text entstanden und dann erst das Musikstück dazu. Ich weiß, was ich mag, ich weiß, wie was musikalisch wirkt. Ich kenne auch viele Referenzen, also ­andere Bands, andere Musikrichtungen …

… die du auch gerne nennen kannst.
Pink Ganter hat ja auch Sizarr produziert. Auch der Sound von Get Well Soon ist ja sehr orchestral, sehr breit, dann auch Woodkid – da gibt es jedenfalls ganz, ganz viele musikalische Einflüsse.

Du hast ja vorher schon Musik gemacht.
Ich rappe, seit ich zwölf bin. Früher hab ich wie jeder andere auch irgendwelche Beats gepickt, drauf geschrieben und aufgenommen. Damals hab ich nicht wirklich auf die ganze Produktion geachtet, denn da kommen ja Millionen Faktoren zum Tragen: ob das sexy ist, ob das Swag hat. Für mich zählte immer nur, dass der Part sitzt, den ich beitragen kann. Dass ich mir über das Gesamtprodukt Gedanken gemacht habe, das kam erst so vor drei, vier Jahren.

Das kam wohl daher, dass du dann auch andere Musik gehört hast.
Ja, genau. Durch verschiedene Einflüsse und verschiedene Menschen hab ich mich ­natürlich auch verändert und wollte dann auch was anderes machen.

 

 

Wie gehst du damit um, wenn man deine Texte als sperrig bezeichnet?
Da haben die Leute vollkommen recht. Die Texte setzen eine gewisse Abstraktionsfähigkeit voraus. Und ich kann niemandem böse sein, wenn da beim Hören der Texte nix passiert im Kopf. Aber die Frage ist ja: Wie geht man als Zuhörer an Texte ran? Was erwartet man von der Musik? Wenn man sich nur berieseln lassen will, ist es klar, dass man darauf nicht so eingeht. Ich verstehe es also, wenn Leute das sagen.

Ein spezifisches, übergreifendes Thema konnte ich in deinen Songs nie ausmachen. Ich bleibe eher an einzelnen Lines ­hängen, die ein Bild malen. Aber dann kommt sofort schon das nächste Bild. Schreibst du deine Texte am Stück oder passiert das so ­collagenhaft, wie das bei mir ankommt?
Meine Texte sind insofern keine Collagen, dass ich sie schon mehr oder weniger am Stück schreibe. Aber ich mache das nicht alles an einem Tag, so wie das andere Rapper machen – so einen »Themensong«. Bei mir ist das so, dass mich die Reime zum Song führen. Ich sag nicht: Sechzehner vorbei, jetzt muss die Pointe kommen und der Übergang zur Hook. Das ist quasi frei assoziiertes Schreiben. Ich weiß auch nicht, warum ich das schreibe. Das sind Songs, Sätze, Wörter; das ist einfach in mir drin – und das kommt dann auch einfach raus. Das ist ganz meditativ. Wenn ich etwas um vier Uhr morgens schreibe, dann weiß ich am nächsten Tag nicht mehr, wieso ich das geschrieben habe.

Bist du nüchtern, wenn du schreibst?
Äh, nö. Nicht wirklich. Teilweise schon auch, aber in den meisten Fällen war es nicht so.

Wenn dich jemand fragt, was du mit dem und dem Song meinst, hast du dann eine Antwort parat?
Es gibt ein schriftliches Bild und es gibt ein bildliches Bild. Und jeder hat andere Erfahrungen gemacht, jeder verbindet mit einem Wort andere Bilder. Und ich kann die Bilder nicht im Kopf des ­Zuhörers ­zusammensetzen. Das muss der selber machen. Das würde ja auch was ­zerstören, wenn ich das machen würde. Jeder ­interpretiert einen ganz normalen Text anders. Jeder. Es geht also immer um die Köpfe der Leute. Aber ich hab da schon meine gewissen Vorstellungen, warum ich eine Zeile schreibe. Aber ich will das nie richtig auf den Punkt bringen, weil ich damit eben auch etwas zerstören würde. Und es ist auch nicht meine Aufgabe.

Vor allem Rap-Fans hören ja in der Regel gerne ganz bestimmte Künstler, weil die eine Haltung transportieren, mit der sie sich gut identifizieren können. In dem Sinne machst du es den Leuten ziemlich schwer. Mit Absicht?
Ja, klar. Das klingt jetzt komisch und ich würde das auch keinem Menschen glauben, wenn er das sagen würde, aber bei mir ist das Fakt: Ich scheiße auf Geld. Schon mein ganzes Leben lang. Geld ist ein Faktor, der in meinem Leben keine große Rolle spielt. Deswegen stand ich in meinem Leben schon ganz oft am Rande der Existenz, am Abgrund. Ich habe meine Mutter gesehen, wie sie fünf Putzjobs hatte und sich kaputt­gearbeitet hat, damit sie mir irgendwas Beschissenes kaufen konnte. Ich habe gesehen, wie das einen kaputtmacht, zu roboten für dieses beschissene Geld. Ich habe dazu einfach keinen Bezug. Daher hatte ich nie das Motiv, aus meiner Musik etwas Erfolgreiches zu machen. Ich verstehe zwar, wenn Leute meine Musik abfeiern, aber es war nie meine Absicht, Musik zu machen, um jemanden zu erreichen. So weit denke ich gar nicht. Klar, die Texte sind so unpersönlich, dass die Leute sich nicht eins zu eins damit identifizieren können. Aber darum geht es auch nicht. Dieser ­Prozess des Musik­machens ist einfach etwas Heiliges für mich.

 

 

Wie verträgt sich das damit, dass du jetzt schon auf dem Weg bist, ein hauptberuflicher Künstler zu werden? Bist du bereit, dafür Kompromisse einzugehen? Und ­verlangt das überhaupt jemand von dir?
Ich hab ja schon viele Songwriting-Sachen für andere Künstler gemacht. Und da hab ich auch Einblicke in die Welt des Song­writings bekommen: Pointe vor der Hook, da kommt der Refrain, im Refrain müssen zwei bis drei Schlagwörter drin sein, Wiederholungen, der Text muss relativ einfach, aber trotzdem interpretierbar sein, C-Teil, Bridge … Aber manchmal mache ich einen Kompromiss, wie jetzt auf der Free-EP bei »Schatten«: Der Song hat schon mehr roten Faden als andere Songs, wo ich eben wegen den Reimen diese Gedankensprünge mache. Von daher gehe ich diesen Kompromiss schon ein. Aber nicht, um mein täglich Brot sicherzustellen, sondern weil das auch ein Teil von mir ist. Ich bin ja nicht nur so verkopft und weird und hocke da auf Schlafmitteln und schreibe irgendwas, sondern ich will ja auch mal so einen Schema-F-Song schreiben.

Warst du eigentlich schon mal in Garmisch-Partenkirchen?
Nö. Aber ich stelle mir das schön vor, so mit der Skisprungschanze. Im Winter kann man da sicher die Schanze als Sprungbrett nutzen, um Weltruhm in der Ski-Elite zu erlangen (lacht), aber im Sommer ist es da aber glaub ich ganz trist, wenn da die Sonne scheint, aber eigentlich Schnee liegen sollte … Ach, keine Ahnung. Ich bin da auch schon oft vorbeigefahren, wenn wir in München waren. Mittlerweile verbinde ich damit schon was. Mich fragen auch ständig Leute aus Garmisch-Partenkirchen, warum der Song so heißt. Dann schreibe ich zurück: Is’ doch geil. Mit Smilie. So muss es halt auch sein. Ich hätte den Song auch »Halt mal Händchen, Alphamännchen« nennen können. Und das würde auch Sinn machen, weil das eine ganz starke Zeile ist, in die mal viel reininterpretieren kann. Aber den Song dann so zu nennen, würde das Ganze auch wieder limitieren. Ich will, dass das nicht limitiert wird.

Das Offensichtliche ist also gar nicht deins?
Nee. Gar nicht. Ich bin so ein weirder Kopf, ich denke wahrscheinlich zu oft um zu viele Ecken.

Was für ein Feedback bekommst du denn bislang auf deine Musik?

Bei »Malibu Beach« gab es schon viel Hate, aber ich war da nie jemandem böse. Ich konnte das verstehen. Neue Sachen lehnt man halt manchmal auch ab. Klar ist der Song im Rap-Sinne super gespittet und auch nicht der weirdeste Text, aber wir haben das halt gefühlt und das deswegen so gemacht. Bei »Schatten« merkte ich, dass die Leute langsam meine Facetten ­erkennen: Okay, der schreibt so was wie »Malibu Beach«, kann aber auch so einen Song schreiben wie »Schatten«. Das sind ganz unterschiedliche Dinger, wo man natürlich schon meine Handschrift erkennt, aber eben nicht alles in eine Schublade stecken kann. Ein blindes Huhn findetauch mal ein Korn, ich schreibe also ­bestimmt auch mal einen guten Song. (lacht) Nein, das Feedback ist eigentlich erstaunlich gut.

 

 

Wie viel Aufmerksamkeit verdankst du eigentlich der Tatsache, dass du auf einem sehr erfolgreichen Label mit einem sehr erfolgreichen Zugpferd gesignt bist?
Total viel. Prozentual ist das schwer zu ­sagen, aber wirklich ganz viel. Ich ­bekomme ja auch sehr viel Unterstützung von den Jungs. Die posten alle meine ­Sachen und sind auch total korrekt zu mir. Die haben da alle Bock drauf und finden das auch total cool. Ich bin da sehr ­dankbar dafür.

Glaubst du nicht, dass du das ­Chimperator- bzw. Cro-Publikum mit deiner Musik überforderst?
Ich weiß es nicht. Was ich mache, ist einfach etwas anderes. Als »Malibu Beach« rauskam, hat ein Typ das ein, zwei Monate später nachgerappt und auf YouTube hochgeladen. Und wenn der Typ sich dadurch inspiriert fühlt und vielleicht irgendwann mal anfängt, Texte zu schreiben wie ich: wow. Ein krasseres Lob kann es für mich ­eigentlich nicht geben.

Deine bisherigen Videos sind auch sehr anspruchsvoll. Inwieweit bist du da ­involviert?
Meine Musik bietet schon Raum für experimentelle Sachen. Bei ­»Garmisch-Partenkirchen« ist es ja so, dass der Song alleine schon sehr ­schwermütig wirkt, aber mit dem Video hat man einen visuellen Reiz, der einen am Ball hält – das Video nimmt einen quasi an der Hand und führt einen durch das Lied. Was dazukommt: Deutsch ist zwar eine ­wunderschöne, aber auch verdammt ­präzise Sprache. Wenn ich jetzt nicht nur Texte schreiben, sondern mir auch noch überlegen müsste, wie man meine Inhalte visuell umsetzt, dann wäre das bereits eine eigene Interpretation und würde alles kaputtmachen. Die Musik und das Visuelle sollen andere machen. Aber da hab ich auch Bock drauf, mit richtig guten Leuten zusammenzuarbeiten, die auf ihrem Gebiet genau solche Freaks sind wie ich auf meinem. Ich kein Woodkid-Typ, der das Überbrain ist und alles selber macht. Ich kann halt bisschen Texte schreiben und bisschen rappen. Das reicht ja zum Glück.

 

1 Kommentar

  1. […] Offensichtliche ist ja auch gar nicht so sein Ding, wie er in diesem Interview mit der JUICE verrät. Damit sich jeder sein eigenes Bild zusammen bauen kann, kommt der Heidelberger durchaus […]

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