»Achtzig Prozent der deutschen Rapper können einfach nicht singen« // PA Sports im Interview

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»Deutschlands Albtraum« lautet der Titel eines mehrere Jahre alten JUICE-Artikels über PA Sports. Und obwohl die Überschrift damals nicht so negativ gemeint war, wie sich das zunächst lesen mag, personifiziert Parham Vakili als intelligenter Akademikersohn mit Migrationshintergrund und ­Vorstrafenregister tatsächlich den Albtraum des konservativen Teil dieses Landes. Vor unserem Treffen habe ich allerdings ganz unwillkürlich andere Zweifel: Werde ich den 23-Jährigen, der stets zwar höflich, aber auch sehr bestimmt wirkt und sich zuweilen in Rage reden kann, im nächsten Moment aber möglicherweise auch schwer aus der Reserve zu locken ist, knacken können? Zu meiner Erleichterung erscheint zum Interview ein entspannter und zum Plaudern aufgelegter PA Sports. Parham Vakili dreht sich erst mal einen standesgemäßen Haze-Joint, logisch, schließlich wollen wir uns über das vierte und bisher beste Album des Essener Rappers unter­halten. Es heißt, na klar, »H.A.Z.E.«.

Die vier Buchstaben sind natürlich ein ­Akronym. Es steht, wie PA Sports vorab erklärt, für Hoffnung, Anfang, Zerstörung und Ende. Das soll eine Platte verkörpern, die vom Künstler explizit in zwei Hälften aufgeteilt wurde. Hoffnung und Anfang stehen für den ersten Teil des Albums, das leichtfüßig klingt und einen zufriedenen PA Sports präsentiert. Zerstörung und Ende hingegen verkörpern die Melancholie und die Wut, die der Rapper natürlich ebenso weiterhin in sich trägt. So kannte man den Deutsch-Iraner schon von seinen letzten Alben. Überraschend ist vor allem die erste Hälfte des Albums, auf der PA Sports grauen Beton, Tristesse und eine No Future-Haltung gegen einen glänzenden Hoffnungsschimmer eintauscht. Zudem singt PA auf seinem vierten Album zum ersten Mal – und kann es.

Manche mag das überraschen, folgerichtig hätte PA Sports allerdings schon viel früher beginnen sollen, seine Stimme für mehr als nur Raps zu benutzen. Denn bevor er mit zarten zwölf Jahren die Freestyle-Sessions und Jams im gesamten Ruhrpott stürmte, besuchte der zehnjährige Parham Vakili bereits eine Musikschule, lernte unterschiedliche Instrumente zu spielen und nahm Gesangsunterricht. Mit Melodien, Refrains und Kadenzen kennt er sich weit besser aus, als die meisten Rapper. Warum er dieses Talent und die andere Seite seiner Persönlichkeit erst jetzt zeigt? Nun, das behält PA für sich. Aber eine Rolle dürften einige Dinge gespielt haben. Zum Beispiel ist der Künstler mittlerweile Vater geworden. Zudem hat er zwar schon in jungen Jahren viel Scheiße erlebt, daraus aber mittlerweile seine Konsequenzen gezogen. Kriminalität und Straße hat er längst hinter sich gelassen – die Mentalität von damals hat er sich jedoch beibehalten. Auf Wenige treffen die geflügelten Worte »you can take me out of the hood, but you can’t take the hood out of me« besser zu als auf Parham Vakili. All diese Dinge ergeben auf »H.A.Z.E.« ein faszinierendes Ganzes: Jugendliche, ­allgemein der Straße zugerechnete Attribute wie Aggression, Stolz oder Härte paaren sich hier mit einer neu gefunden Gelassenheit und einer gewissen Reife.

Die erste Hälfte des Albums hat mich sehr überrascht. Das Ganze ist viel melodiöser als früher geraten.
Richtig. Manche Fans können da leider nur sehr schwer differenzieren und denken sich wahrscheinlich: Der fängt jetzt auch an zu singen und will Drake oder Capo sein. Deshalb habe ich sehr darauf geachtet, nicht den typischen Autotune-Singsang zu machen. Das singe ich alles mit meiner wirklichen Stimme, ohne hinterher groß mit irgendwelchen Programmen daran rumzuschrauben. Ich komme aus der Musik und habe mich schon mit ihr beschäftigt, als ich noch kein Rapper war. Nicht falsch verstehen: Mit meinen früheren Alben bin ich sehr zufrieden und ich stehe voll hinter dem, was ich bisher gemacht habe. Insbesondere hinter »Machtwechsel«, das liegt ja noch gar nicht so lange zurück. Aber ich verfüge über ein viel breiteres musikalisches Spektrum und einen noch weiteren Horizont, als ich das bisher zeigen konnte. Bisher hat man mich in der Szene immer nur als einen stabilen Künstler wahrgenommen, obwohl ich von meinen Fähigkeiten her sehr viel ­erfolgreicher sein könnte. Viele Freunde ­haben immer wieder zu mir gesagt, sie ­hätten das Gefühl, ich würde noch auf irgendetwas warten. Als würde ich einfach nur solide Arbeit abliefern, anstatt alles rauszulassen und zu zeigen, was ich wirklich kann. Bei diesem Album hatte ich zum ­ersten Mal kein richtiges Konzept im Kopf. Die letzten Alben waren ja von vorne bis ­hinten durchdacht. Dieses Mal hatte ich einfach nur den Plan, ins Studio zu gehen und die bestmögliche Mucke zu machen.

Hast du keine Angst, dass du mit dem ­fröhlicheren Teil des Albums deine alten Fans verschreckst?
Da habe ich natürlich schon mal drüber nachgedacht, klar. Meine Hardcore-Fans lieben mich schließlich dafür, dass ich so hardcore bin. Ich war schon immer sehr verschlossen gegenüber anderen und neuen Sachen. Aber man muss wachsen, anders geht es ja nicht. Jeder verändert sich beständig. Ich lege sehr viel Wert darauf, dass meine Musik echt ist. Würde ich jetzt verkrampft auf dem beharren, was ich die letzten Jahre gemacht habe, obwohl ich das gerade gar nicht mehr fühle, wäre das doch total unecht. Deswegen mache ich das ­einfach und hoffe, dass die Leute es kapieren und auch fühlen.

Hat deine neugewonnene Zufriedenheit und deine positive Einstellung viel damit zu tun, dass du vor knapp einem Jahr Vater geworden bist?
Ja, ich denke schon. Das passiert im Körper eines Mannes, der Vater wird, wahrscheinlich sowieso von alleine. Aber dadurch ­bekommen viele Dinge auch eine ganz andere Bedeutung. Vieles, was mich vorher belastet oder gefickt hat, wurde dann auf einmal irrelevant. Beziehungsweise ist vieles einfach nicht mehr so schlimm, weil mich mein gesundes Kind jeden Tag aufs Neue mit Glück erfüllt. Vorher gab es einfach nichts, dass das jeden Tag wieder und wieder geschafft hat, wenn ich abends nach Hause gekommen bin. Gut, ich hatte gesunde Eltern und einen gesunden Bruder, die habe ich aber auch schon die 20 Jahre davor jeden Tag gesehen. (lacht)

Wie kam es denn dazu, dass du angefangen hast zu singen?
Achtzig Prozent der deutschen Rapper können einfach nicht singen. Die wollen das aber auf Biegen und Brechen im Studio irgendwie hinbekommen. Dann wird da geautotunet, bis es sich irgendwie gut anhört. Ich habe das Singen ausprobiert und festgestellt, dass ich es kann. Das macht dann natürlich auch voll Bock. Wenn du sechs Jahre lang immer nur dasselbe machst und plötzlich ein neues Element entdeckst, dann willst du das natürlich ausprobieren. Vor allem, wenn man dieses Talent vorher nie benutzt hat und relativ simpel immer nur Songs nach dem Schema 16 Bars – Hook – 16 Bars – Hook gemacht hast.

Du sagst mehrfach, dass du schon Musik gemacht hast, bevor du angefangen hast zu rappen. Was für Musik war das?
Im Alter von acht oder neun Jahren habe ich nebenbei Gitarre gespielt. Mit zehn oder elf habe ich dann an der Folkwangschule in Essen Kurse im Rock- und Pop-Bereich belegt. Das war total teuer, aber ich habe meine Eltern so lange damit genervt, bis ich hingehen durfte. Als ich 13 wurde und nebenher jobben konnte, habe ich es dann auch selbst mitfinanziert. Das waren drei Stunden Unterricht pro Woche: Eine Stunde Band, da war ich sogar schon am Rappen, aber eben mit Live-Band hinter mir. Dann eine Stunde Pop-Analyse: Da habe ich schon mit zwölf Jahren Sachen über die GEMA beigebracht bekommen. Zusätzlich dann immer noch eine Stunde Gesangs­unterricht. Das Ganze habe ich drei Jahre lang durchgezogen, bis ich dann in die HipHop-Szene kam. Ich habe sogar schon mit zwölf Schauspielerei betrieben und in Theaterstücken und Musicals mitgespielt. Also: Ich wurde erst später cool und dann hart (lacht).

Haben deine Eltern dich denn in deinem Interesse für Musik bestärkt und gefördert?
Mein Vater war immer extrem dagegen, weil er ein krasser Akademiker ist und eine sehr klare Vorstellung davon hat, wie das Leben laufen soll. Meiner Mutter tat ich leid, weil sie gesehen hat, dass ich das unbedingt machen wollte. Die Musikschule hat sie deswegen gepusht, das war ja auch noch harmlos. Als ich dann aber mit 14 kiffende Freunde hatte und nur noch auf Jams rumgesprungen bin, fand sie das nicht mehr so cool. Da habe ich auf einmal einen Azad gehört, der irgendwas von Blocks und Beton erzählt hat und auch Savas, der damals hauptsächlich vom Blasen und von schwulen Rappern erzählt hat. Da hatte meine Mutter dann auf jeden Fall Bedenken, aber ich war zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr zu bremsen. Ich bin von zu Hause abgehauen und erst um vier Uhr nachts vercrackt wieder heimgekommen, weil ich auf irgendwelche Freestyle-Jams wollte. Da war mir alles scheißegal.

Seit »Feuer über Deutschland« hast du aber nichts mehr in der Richtung gemacht, oder?
Richtig. Aber momentan treffe ich mich sehr regelmäßig mit Ben Salomo. Ich hätte sehr gerne im Rahmen der BMCL gegen Damion Davis gebattlet. Der ist ein krasser Freestyler und vor allem in Berlin ja echt einer mit Rang und Namen. Leider ist das aktuell für mich aus Zeitgründen nicht möglich. Ich setze mich nämlich direkt nach »H.A.Z.E.« schon an mein nächstes Projekt, das wir bereits einige Monate später abliefern wollen. Wenn ich mich mal wieder einem Battle stellen würde, dann müsste ich vorher auch richtig fit sein und das braucht Vorbereitungszeit, die ich momentan nicht habe. Dennoch habe ich den Wunsch und den festen Plan, das noch dieses Jahr irgendwann zu ­machen. Dann gehe ich da einmal kurz hin, lass mir meinen Status, meinen Thron bestätigen und abstempeln. (lacht) Ich hätte übrigens auch große Lust, mal gegen Laas zu battlen. Das wäre ein Battle auf Augenhöhe, ein richtiges Event! Wir kennen uns ja von der Savas-Tour auch persönlich, vorher hatte ich natürlich noch NRW-mäßige Vorurteile gegen ihn. Aber seitdem ich ihn kenngelernt habe, mag und respektiere ich ihn auch als MC. Ich war von seinem Battle gegen Drob Dynamic übrigens, wie ­vermutlich alle, extrem geflasht. Er hat sich ja gewissermaßen sein Standing in der ­Szene wieder erarbeitet. Daher kann ich schon verstehen, dass er jetzt kurz nach so einem krassen Battle keine Lust hat, das direkt wieder aufs Spiel zu setzen. Ich habe Ben gesagt, dass er etwas klarmachen soll, was ungefähr dieses Niveau hat. Damion Davis hat jetzt nicht geklappt, aber wir schauen mal, was es dieses Jahr noch für Gegner zur Auswahl geben wird.

Wenn ich anderen Leuten die Freestyleblogs aus der »H.A.Z.E.«-Promophase zeige, sagen die meisten: Jaja, in einem Video ist das doch eh immer alles gestellt, vorher aufgeschrieben und garantiert kein Freestyle.
Ich weiß. Wenn das hier ein Video-Interview wäre, würde ich es dir aber sofort beweisen. Genau so: Du schreibst zehn Wörter auf und ich mache dir in einer Minute einen Freestyle daraus. Das habe ich auch vor: Morgen sitze ich bei Visa Vie im Interview und werde ihr sagen, sie soll das mit mir machen. ­Wobei mir noch was einfällt: bei der BMCL und Laas war das ja auch zum Großteil vorher geschrieben. Das würde ich dann natürlich auch so machen, es sei denn, man einigt sich vorher wirklich auf einen echten Freestyle. Ich finde das trotzdem total real. Geh’ du erstmal auf die Bühne, zieh’ das durch und riskier’ deinen Arsch. Ich habe größten Respekt vor Laas Unltd. und finde, dass sich von dem einige Rapper in Deutschland mal eine Scheibe abschneiden könnten. Gerade die, die immer ihre Fresse aufreißen und einen auf krass machen, hätten nämlich nie die Eier für einen Move wie den, den er gebracht hat. Die ganzen Kanacken- und Streetrapper sind doch zu komplexbeladen. Ich bin auch kein Freund davon, meine Mutter beleidigen zu lassen, dafür bin ich über die Jahre einfach auch zu Straße im Kopf geworden. (lacht) Das wäre schon eine Sache, die ich vorher klar­machen würde. Aber: Die sind so komplexbeladen, dass sie es nicht aushalten, auf der Bühne zu stehen und damit zu leben, dass ein deutscher Rapper, der nicht aus der Straßenecke kommt, die Möglichkeit hat, jetzt 40 Sekunden Scheiße über sie zu reden. Das ist schon zuviel für die, das traut sich keiner von denen. Das passt doch gar nicht zu deren Image! Ich würde es voll feiern, wenn einer von den harten G-Rappern da auch mal auf der Bühne stehen würde.

Du hast mit Kianush einen noch relativ ­unbekannten Rapper auf deinem Album. Was fasziniert dich an ihm?
Ich feiere viele deutsche Rapper, aber es gibt selten diese Momente, die mich so richtig mit Ehrfurcht erfüllen. Strophen, bei denen man spürt, dass jemand ein Feuer in sich trägt, das richtig gefährlich brennt. Bei Credibil und Blut & Kasse hatte ich das zuletzt endlich mal wieder, aber dann eben auch bei Kianush. Der ist auch ein richtig schlauer, krasser Charakter. Kianush ist nicht nur einer der besten Rapper Deutschlands, sondern auch ein sehr stiller, sehr erwachsener Mann. Wir waren vor kurzem mal zusammen mit Savas und noch ein paar anderen in einer Shishabar. Nach drei Stunden hat Kianush dann zum ersten Mal angefangen zu reden und alle saßen plötzlich mit offenen Mündern da. Kianush ist ein richtig krasser Esoteriker, der wahnsinnig gut reden kann und auch viele abgefahrene Ansichten hat. Der springt nicht auf irgendwelche Hypes auf, sondern ist ein sehr prinzipientreuer Typ durch und durch.

Text: David Molke
Foto: Presse

Dieser Artikel ist erschienen in JUICE #157 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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