morten – Disc 1 // Review

-

(Immer Ready)

Wertung: Dreieinhalb Kronen

Lange bevor Trap den deutschen Rapmarkt auf links drehte, hatte morten schon eine beachtliche Diskografie beisammen, gespickt mit Kostproben aller Rap-Subgenres. Wer ihn genau verfolgt, hört und sieht schnell, dass dieser Typ HipHop vielleicht tiefge­­­­­­hender studiert hat als dein lokaler Golden-­Era-Fetischist – man nehme nur die an die Westcoast-Legende Mausberg angelehnten Kollabos mit Al Kareem. Abgeschlossen hat er diese Lehre mit einem Diplom in Form eines ganz eigenen Sounds. morten hat sich lyrisch eine eigene Welt geschaffen, die so kryptisch wie zugänglich ist – zumindest bei genauerem Hinhören. Und er baut Beats, die den Trap-Party-Gänger ob der Coolness und Radikalität genauso beeindrucken wie den plattensammelnden Beat-Nerd, der sich wegen des selbstbeschriebenen »Jahre im Keller für Tage an der Sonne«-Fleißes in den zahllosen Details verliert. »Disc 1« ist deshalb auch genau dann am stärksten, wenn morten zur kompletten Entfaltung kommt. Wie auf dem streetig-biografischen Intro »Dieses uhh.flp«. Oder auf dem für morten-Verhältnisse leicht bekömmlichen »norma jeane mortenson.flp«. Oder auf dem überragenden »10grammX.flp«, das die musikalischen, gesanglichen und erzählerischen Skills des Moabiters so gut vereint wie vielleicht noch nie. Aber die kompromisslose Individualität dieser Stücke birgt auch ein Risiko: Denn der Film, den morten dreht, ist so eigen, dass er an Prägnanz verliert, wenn zu viele Schauspieler die Bühne betreten. So tun die sieben Features dem elf Track starken Longplayer eher schlecht als gut. Und das, obwohl Butch auf der Pusher-Hymne »5 Telefone« einen hervorragenden Part abliefert und Chima Ede und Chris Henry auf »Riski« schlichtweg stark performen. Man wünscht sich beim Hören aber eben doch mehr Szenen, mehr Harmonien, mehr Thug-Weisheiten von Morten Trotzinski, von dem man sich in ­Sachen Besetzungen für die Songs der kommenden Projekte genau das erhofft, was sein Sound schon so lange hat: mehr Individualität.

Text: Louis Richter

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein