(Spoken View / hhv.de)
2010 hat Morlockk Dilemma nicht nur eisern gefegt und böse getourt, sondern mit Partner Hiob auch noch die Postapokalypse eingeläutet – manch einem wäre das kreativer Output genug, um sich für eine Weile zurückzulehnen und mal ganz entspannt die verursachten Verheerungen zu beobachten. Aber kaum sind die eingeweichten Silvesterböller auf den Straßen optisch zu Hundekacke mutiert, malträtiert Dilemma das Spiel erneut mit einer Keule von Tonträger: Willkommen im »Circus Maximus«. Hat man zunächst das wahnsinnige Cover verdaut, eröffnet er den Zirkus in gewohnt-ungewohnter Dilemma-Manier mit Filmzitat und verstaubtem Loop. Eingefleischten Hörern wird auf »Die Ankunft« sofort seine veränderte Stimmlage auffallen, die hier weniger hoch, dafür deutlich verrauchter das typische atemlose Stakkato transportiert. Dass damit auch dem ignoranten Hörer die Unterscheidung zwischen dem Protagonisten und dessen Stylebruder im Geiste Hiob leichter fällt, bleibt ein Nebeneffekt, im Großen und Ganzen passt die heisere Intonation bestens in das akustische und inhaltliche Universum des Leipzigers. Und das umfasst auf »Circus Maximus« nebst einer Armada von aus antikem Tonmaterial geschnittenen Rumpelwundern sowohl Besen- als auch apokalyptische Elemente: Imaginäre Gegner per Wortschatz, -witz und -schwall aus den Sandalen zu klatschen gehört hier ebenso zum Repertoire wie die Verarbeitung der Umstände in morlockkschen Allegorien – so entwickelt sich etwa »Der Galgenberg« im Verlaufe des Songs von einer anschaulichen Führung durch die Historie des Aufknüpfens zur handfesten Medienkritik. »Herkunft« stellt dann unter Bemühung sämtlicher Klischees das paradiesische München beißend überspitzt dem grauen Moloch Leipzig gegenüber. Von besonderem Humor zeugt auch »Sündenfall«: Zunächst eine reichlich geschwollene Hymne auf die Frauen, gipfelt der anfängliche Minnegesang in der Erkenntnis, dass auch diese engelsgleichen Wesen mal kacken müssen. Es jedem recht zu machen, ist eben auch diesmal nicht Dilemmas Anliegen. Wer jedoch solcherlei Kante zu schätzen weiß, für den setzt »Circus Maximus« die Serie herausragender Dilemma-Veröffentlichungen nahtlos fort.
Marc Leopoldseder