MHD: »Jedes Mal ‚Ohne mein Team’« // Interview

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Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass MHD sein erstes Handyvideo von »Afrotrap Part 1 (La Moula)« auf Youtube hochlud. Doch schon nach wenigen Tagen sollte nichts mehr so sein, wie es vorher war. 500 Millionen Views später sieht er sich permanent in Bewegung.

An seinem Geburtstag ist MHD in Berlin: Pressetermine. Er steht kurz vor der Veröffentlichung seines zweiten Albums »19«, das wie eine Bestandsaufnahme seiner künstlerischen Langlebigkeit betrachtet werden kann. Am Ende eines langen Interviewtages, an dem MHD immer wieder gefragt wird, was die drei Buchstaben seines Namens denn eigentlich bedeuten, und ob er nochmal zeigen kann, wie man zu seiner Musik tanzt, treffen wir uns unter einem Pavillon neben dem Pool eines Berliner Clubs und ziehen Bilanz.

Erst einmal: Herzlichen Glückwunsch nachträglich!
(lacht) Danke dir!

Hast du reingefeiert?
Nee, ich bin ganz normal pennen gegangen. Wir sind dauernd am Feiern, da muss ich das nicht auch noch in meiner Freizeit machen.

Dein neues Album »19« ist wieder party-lastig, wobei auffällt, dass die Tracks vielseitiger und ausproduzierter sind. Willst du beweisen, dass du mehr kannst als Afrotrap-Freestyles?
Auf jeden Fall! Wir haben uns richtig den Kopf zerbrochen, um krasse Songs zu erschaffen. Die Afrotrap-Tracks sind viel durchdachter und musikalischer: Hör dir nur mal die Gitarrensolos an!

Der Track für deinen Vater »Papalé«!
Auf dem letzten Album hatte ich ja den Track »Maman J’ai Mal« für meine Mutter, jetzt musste ich auch einen für meinen alten Herrn hinterherschießen, bevor er beleidigt ist. (lacht)

Was hat es mit der 19 auf sich?
Das steht für das 19. Arrondissement von Paris – das Viertel, in dem ich aufgewachsen bin, wo ich alles erlebt habe. Dort hab ich Pizza ausgeliefert und angefangen, Musik zu machen. Und ich hab da meine Familie und Leute, für die hab ich das Album gemacht. Ich wollte einfach zeigen, wo ich herkomme.

Statt wie viele andere Künstler den Hype auszunutzen und ein Tape nach dem anderen rauszuhauen, hat es nach deinem Debüt zwei Jahre gedauert bis zum neuen Album. War es ein Risiko, sich so viel Zeit zu lassen?
Mein Debütalbum »MHD« musste damals direkt kommen, bevor ich bei Booba als Voract mit auf Tour ging. Währenddessen ist das ganze Ding immer größer geworden, dann kam meine eigene große Tour. Ich hab sogar einen Kinofilm gedreht.

Ach, echt? Eine Doku?
Nein, ein richtiger Spielfilm, mit mir in der Hauptrolle. Kommt nächstes Jahr! Es ist einfach viel passiert in den zwei Jahren. Allein deswegen hat es gedauert, bis das Album kam. Aber ich hab mir keine Sorgen gemacht, auch wenn es anstrengend war. Das Album ist fertig, der Film ebenfalls abgedreht – alles ist gut!

War die Arbeit am Album selbst anders als beim Vorgänger?
Ja, ganz anders! Bei »MHD« musste alles schnell gehen, ich hatte nur ein paar Wochen Zeit und musste unbedingt etwas releasen. Damals war es eher so, dass ich die Aufmerksamkeit nutzen wollte, um abzuliefern, bevor vielleicht keiner mehr guckt. Dass es diesmal zwei Jahre gedauert hat, liegt natürlich auch daran, dass ich mir fürs Album so viel Zeit nehmen wollte und konnte, wie es eben dauert, bis ich wirklich zufrieden bin.

Was ich witzig finde: Immer wenn dich deutsche Journalisten interviewen, zeigen sie dir deutsche Afrotrap-Tracks und fragen dich, was du davon hältst.
(lacht) Ja, jedes Mal »Ohne mein Team«!

»Es gibt natürlich Rassismus, das wird wohl nie aufhören. Aber bei uns im Viertel hält man zusammen.«

Ich hab das Gefühl, dass die eigentliche Frage dahinter lautet, ob es dich stört, wenn Künstler ohne Bezug zu afrikanischer Musik einfach das Schema kopieren, um Kasse zu machen.
Es gibt natürlich viele, die den Hype mitnehmen wollen und solche Lieder ohne Herz machen. Ich selbst mach das nicht nur für den Club, aber wünsche mir natürlich auch, dass sich die Musik verbreitet und jeder Afrotrap machen kann. Ganz egal, wo man herkommt.

Ist dir nicht trotzdem ein gewisser Res­pekt wichtig? Ich glaube nicht, dass jeder deutsche Rapper weiß, dass die Gitarre in seinem Beat von kongolesischem Rumba inspiriert ist.
Guck mal, es tickt doch nicht jeder gleich! Ich zum Beispiel war privat seit über einem Jahr in gar keinem Club, aber wenn ich jetzt Bock drauf hätte, würde ich natürlich gehen. Trotzdem mache ich nicht Musik, um im Club abgefeiert zu werden, sondern weil ich es liebe. Ich will Afromusik auf der ganzen Welt verbreiten! Und ich kenne auch andere Künstler, die ähnliche Tracks machen – und zwar mit Liebe, selbst wenn es Partyhits sind. Ich persönlich finde auch gar nicht, dass es Clubmusik ist, sondern viel eher Musik für Konzerte und Festivals, wo alle gemeinsam feiern. Aber selbst wenn meine Songs in Shishabars laufen, freue ich mich!

Als ich 2009 noch in Paris gelebt habe, war es bei uns im Viertel leider nicht normal, dass Schwarze und Araber zusammen chillten. Einmal hatte ich sogar ne kleine Schubserei mit jemandem, der nicht cool fand, dass ich sozusagen mit den »falschen« Leuten unterwegs bin. Heutzutage hab ich das Gefühl, in Musikvideos von dir oder PNL ist die ganze Nachbarschaft gemeinsam zu sehen. Hat sich da also was verändert?
Ich sag dir ganz ehrlich: Jedes Viertel bei uns ist unterschiedlich. Da, wo ich wohne, war das nie ein Problem. Da gibt es Schwarze, Araber, Juden und so weiter, aber das spielt keine Rolle. Man geht gemeinsam Fußball spielen, ist zusammen in der Schule und miteinander befreundet. Mein bester Freund ist auch Araber, manchmal hat er bei mir geschlafen oder ich hab spontan bei ihm übernachtet – das war auch für unsere Familien ganz normal. Es gibt natürlich Rassismus, das wird wohl nie aufhören. Aber bei uns im Viertel hält man zusammen.

Text: Yacine Hollmann
Foto: Ojoz

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #189. Die aktuelle Ausgabe ist versandkostenfrei im Shop zu beziehen.

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