Mauli: »Wenn man sich nicht angreifbar macht, ist man meiner Meinung nach auch nicht greifbar« // Interview

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Böse gesagt: Mauli machte sich einen Namen, indem er viele Namen nannte. Natürlich bot sein LP-Debüt »Spielverderber« auch hervorragend produzierte Beats und eingängige Hooks. Was aber vor allem im Kopf blieb, waren Sticheleien gegen die Freunde von Niemand, Errdeka oder Audio88 & Yassin. Der im April erscheinende Nachfolger »Autismus & Autotune« ist gerade deshalb so spannend, weil er eine klare und erstaunlich reife Antwort auf die Frage gibt, was dieser Maulwurf außer Dissen eigentlich noch so kann.

Es ist dunkel und kalt in Berlin. Die Tage zwischen Weihnachten und Silvester, in denen die Besinnlichkeit den hektischen Stunden vor dem Jahreswechsel weicht, kühlen die Stadt noch einmal richtig runter. Ich warte auf Mauli, der sich mit aktuellen Demos seiner anstehenden Platte im Kofferraum auf dem Weg nach Moabit befindet. Fast zweieinhalb Jahre sind vergangen, seit er sich mit offenem Visier aufmachte, die Festung Deutschrap mit möglichst viel Pöbelei, Provokation und Namedropping zu erzürnen. Auf den Frontalangriff folgten eine Tour, ein Live-Album und dann – lange nichts mehr. Stattdessen trat der Berliner als Podcaster in Erscheinung. Bock, wieder selbst zu rappen? Hatte er lange nicht. Mauli lenkt den schwarzen Kombi über den Ernst-Reuter-Platz in Richtung Charlottenburg, die Sitzheizung wärmt. »Autismus & Autotune« befinde sich noch in der Fertigstellung, erzählt er, die meisten der Songs habe er noch niemandem gezeigt.

Wie studiolastig war dein Alltag zuletzt?
Du sitzt gerade in meinem Studio. Die meisten Beats habe ich nämlich im Auto gemacht. Zu Hause ist eine Bose-Box schon das Limit für die Nachbarn. Also haben wir irgendwann damit angefangen, abends rumzufahren, während ich auf dem Beifahrersitz produziert habe. Außerdem setzen wir uns nach dem Mischen und Mastern im Studio eh immer ins Auto, um den Sound auf den Boxen zu prüfen. Dann dachte ich mir, dass es doch sinnvoll ist, direkt dort zu produzieren. Ich kann mir auch gut vorstellen, später mal in einem größeren Wagen, der über ein paar Sitze und einen Tisch verfügt, dauerhaft Musik zu machen.

Aber hier hast du nicht die Vocals aufgenommen, oder?
Nein, für das Recording war ich im Studio mit Odd, einem Australier, der viel instrumentale Musik macht, singt und sehr viel Ahnung von analogem Arbeiten hat. Nach ein, zwei Homestudio-Sessions haben wir uns in ein Studio eingemietet, in dem wir in zwei Tagen fünf Songs fertiggemacht haben; Tracks, die ich seit einem Jahr rumliegen hatte. In meinem Handy hatte ich auch noch Notizen mit einzelnen Zeilen oder Ideen, für die man wahrscheinlich einen ganzen Tag bräuchte, um da ans Ende zu scrollen.

Dein letztes Studio-Release ist nun schon deutlich über zwei Jahre her.
Nach »Spielverderber« hatte ich den klassischen Post-Release-Abturn aufs Schreiben. Dazu kam, dass ich letztes Jahr eine Deutschrap-Überdosis hatte. In der Zeit, in der ich kaum geschrieben habe, habe ich mir trotzdem viele Interviews und neue Releases reingezogen. Und irgendwie ist nicht mehr so wahnsinnig viel passiert – auch in Amerika nicht. Wahrscheinlich war es aber auch das Gefühl, etwas machen zu müssen, das mich so lange lahmgelegt hat. Außerdem habe ich mich mit meinem letzten Album gewissermaßen über den Rest der Szene gestellt und behauptet, dass die anderen alle nichts können. Da kannst du dann natürlich nicht noch einmal mit dem gleichen Produkt um die Ecke kommen, sonst wirkst du halt wie ein… fuck – ich habe mir eigentlich vorgenommen, keine Namen zu nennen. Ach, egal (lacht) … sonst wirkst du irgendwann wie ein Savas, der vier Mal das gleiche Album macht, auf dem er in immer neuen vielen Variationen erzählt, dass er der King, das Alpha oder das elitärste Glied der Kette ist.

»Früher habe ich wahrscheinlich noch befürchtet, dass ich dafür gehatet werden könnte, wenn ich sage, dass bei mir auch nicht immer alles cool und witzig ist«

Ich hatte beim Hören der Demos das Gefühl, dass jetzt mehr der gesamte Song und weniger die einzelne Line im Vordergrund steht.
Voll. Für dieses Album habe ich mir auch mehr Stichwörter und Grundgedanken aufgeschrieben als konkrete Lines. Mit diesen Bausteinen habe ich dann gearbeitet und daraus die Texte geflochten. Bei der letzten Platte habe ich noch vielmehr gefeiert, wenn ich alle drei Zeilen mal etwas Lustiges gesagt oder irgendwen beleidigt habe.

Mauli erzählt von den Monaten nach dem »Spielverderber«-Release, Gesprächen mit Vega und Bosca und einem Telefonat mit Olli Banjo. Eskaliert sei das alles nie. Was aber genervt habe, sei die Reduzierung seiner Vocals auf das Nennen von Namen gewesen. »Wenn du nach dem Release des neuen Albums nicht wieder danach gefragt werden willst, was du gegen Timeless oder Errdeka hast, musst du das halt weglassen.« Und diese Lücke galt es zu füllen.

Bisher hat man in deiner Musik über dich als Typen kaum etwas erfahren. Ändert sich das nun auf der neuen Platte?
Auf »Autismus & Autotune« sind auf jeden Fall Songs drauf, die ich niemals auf »Spielverderber« gepackt hätte. Auch, weil ich gar nicht das Bedürfnis hatte, groß etwas zu erzählen. Wem denn auch? Es war ja nicht so, dass ich einen Über-Status hatte und Tausende Menschen auf mein Album gewartet hätten. Ich hatte bei dem neuen Album aber auch mehr Mut zum Erzählen. Früher habe ich wahrscheinlich noch befürchtet, dass ich dafür gehatet werden könnte, wenn ich sage, dass bei mir auch nicht immer alles cool und witzig ist. Aber das ist Quatsch. Wenn man sich nicht angreifbar macht, ist man meiner Meinung nach auch nicht greifbar.

Außerdem haben die Vocals einen anderen Stil, sind weder richtig gerappt, noch komplett gesungen. Hast du nach so etwas gesucht?
Nicht direkt. Aber worauf ich im Vorhinein Bock hatte, war, noch weniger Wörter pro Zeile zu nutzen. Mir haben zuvor zwar schon Leute gesagt, dass ich manchmal klinge, als ob ich fast einschlafe, aber ich wollte das jetzt auf die Spitze treiben. (lacht) Wahrscheinlich kam das aber auch durchs Live-Spielen. Da habe ich auch schon immer viel mit Autotune herumprobiert und viele Parts so halb gesungen.

Ist dir »normales« Rappen zu langweilig geworden?
Das passt einfach nicht zu mir. Ich bin kein Rap-Rapper, der sich Beats runterlädt und dann versucht, den krassesten Part zu schreiben. Ich glaube auch, dass ich gar nicht so unendlich viele Vocal-Alben rausbringen werde, sondern später vielleicht nur noch produziere. Bei Produktionen kann ich auch viel mehr mit dem Feedback anfangen. Das Rap-Publikum ist ja schon speziell. (schmunzelt)

Du produzierst dein neues Album komplett selbst. Wie kommt’s?
Beats bauen kann ich schon seit Jahren. Beim letzten Album habe ich bereits mitproduziert, war für jeden Song mit morten zusammen im Studio. Ich halte ihn nach wie vor für einen riesigen Produzenten. Es wäre daher nur logisch und cool gewesen, wenn er auch das neue Album produziert hätte.

Aber?
Er hat zwischenzeitlich gemerkt, dass ich mich ein wenig im Kreis drehe und nicht richtig zurück in den kreativen Prozess finde. Dann hat er mir angeboten, dass wir einfach mal eine Woche zusammen wegfahren und Musik machen. In diesem Bootcamp habe ich dann gemerkt, dass ich mich viel öfter noch einmal an einen Beat gesetzt habe, als direkt auf ihn zu schreiben. Nach der Woche hatte ich keine Zeile mehr, dafür aber wieder Spaß am Produzieren. So bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich das Album einfach selbst machen muss, wenn es am Ende so klingen soll, dass ich damit zufrieden bin.

Wir hören uns durch die Platte, während Mauli über die Stadtautobahn Richtung Wedding fährt. Wirkte er in Videointerviews oft wie ein Frechdachs, der den nächsten Joke oder Twitter-Insider stets auf der Zunge hatte, kommt er in diesem Setting ganz anders rüber, deutlich relaxter und reifer. Während der rund zwanzigminütigen Listening Session sagt er nichts, sondern fährt einfach. Bei einzelnen Stellen, die noch nicht so klingen, wie er sich das vorstellt, zieht er seine Augenbrauen zusammen – oder greift direkt an den Regler. »Ey, das kann ich dir so eigentlich gar nicht zeigen«, sagt er vor dem Outro. »Der Bass klingt noch richtig schrecklich.« Beim Hören wird aber auch klar, dass er seinen Humor und das Talent für prägnante Zeilen nicht verloren hat. Nur setzt er beide Attribute nun anders ein. Statt des Namens eines Rappers wird immer wieder gut versteckte, pointierte Sozialkritik geäußert.

Das Hauptthema des Albums scheint zu sein, dass man nichts muss, sich nicht zwingen lassen soll.
Ja, und vor allem: dass man nicht das Gefühl haben sollte, bei irgendwas mithalten zu müssen, schon gar nicht hinsichtlich Sozialer Medien. Du findest ja gefühlt jeden Menschen der Welt auf den gleichen drei Plattformen. Da gibt’s dann eigentlich nur drei Arten von Leuten: diejenigen, die viel Geld haben und das zeigen. Dann die, die nur halb so viel haben, es aber so aussehen lassen wollen, als ob. Und dann die Leute, die kaum was haben, aber das Gefühl haben, da irgendwie mitspielen zu müssen und sich deshalb verstellen.

Aber ganz rausziehen kann man sich da auch nicht, oder? Man findet dich ja auch auf diesen Plattformen.
Das ist ja das Widersprüchliche: Ganz ohne geht es halt auch nicht, dann würde ja gar keiner von dem neuen Zeug mitkriegen. Und dann will man es ja auch nicht nur am Release-Date hypen, sondern muss es den Leuten eigentlich die ganze Zeit vor die Fresse halten, weil die so viel angeboten bekommen, dass sie sich ansonsten anderen Sachen zuwenden, wenn du nicht am Start bist. Es ist eine Herausforderung, da die Gratwanderung zu schaffen.

Ist »Autismus & Autotune« also ein gesellschaftskritisches Album?
(schmunzelt) Ja, wenn man so will. Wenn sich die Gesellschaft auch dadurch definiert, dann auf jeden Fall.

Text: Louis Richter
Foto: Mandarinka

2 Kommentare

  1. „Böse gesagt: Mauli machte sich einen Namen, indem er viele Namen nannte“

    Find Ich überhaupt nicht, das macht vllt im Bezug auf VBT Sinn, aber als ob es irgendwen interessierte oder Aufmerksamkeit generierte als er Audio88 Errdeka Retrogott und co erwähnte. Frechdachs Image hin oder her, aber das ist nicht der Knackpunkt seiner Musik gewesen (wenn auch die prägnantesten Lines in Kommentaren meistens Sticheleien sind.)
    Spielverderber war vom Soundbild und von der Ignoranz her einfach ziemlich next Level für deutsche Verhältnisse. Das kommt mir oft zu kurz, glaube sein Album wäre für die meisten kein Stück weniger interessant für die meisten gewesen, wenn er das Namedropping von irgendwelchen „underground“ Rappern einfach weggelassen hätte

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