»Money always talks« // Masta Ace & Edo G im Interview

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Masta-Ace

Zu einem kommerziellen Durchbruch reichte es bei Edo G. bislang nicht, obwohl die Musik, die der Bostoner veröffentlichte, stets von überdurchschnittlicher Qualität war. Einst mit Da Bulldogs ins Spiel gelangt, hat er sich nun mit dem in Sachen Berufserfahrung ­vergleichbaren, gleichwohl deutlich erfolgreicheren New Yorker Masta Ace zusammengetan. 2002 erschien ihre erste Koproduktion namens “Make Some Noise”, die nicht so weltbewegend gewesen sein kann – jedenfalls haben beide große Schwierigkeiten, sich überhaupt an den Titel zu erinnern. (Ed: »Irgendetwas mit ‘Make ’Em Clap’q, Ace: »Ja, irgendwie so. ‘Make Noise’, glaube ich.«) Trotzdem firmieren die beiden TrueSchool-Helden inzwischen als Duo unter der ­Abkürzung A&E und ­veröffentlichen nun ihr erstes gemeinsames Album mit dem Namen »Arts & Entertainment« über ­Masta Aces Label M3. Ein Gespräch über Hartnäckigkeit und Widerwillen, eine ­bereichernde Reise ins ­österreichische Mayrhofen und das erleichternde Gefühl, ein Eigenheim zu besitzen.

Ihr werdet gerne mal als Veteranen bezeichnet. Ich denke da immer an die mit militärischen Auszeichnungen behangenen alten Herren im Rollstuhl. Irgendwie unpassend, oder?
Masta Ace: Nein, überhaupt nicht. Die ­Bezeichnung »Veteran« bedeutet einfach, dass du eine Sache schon lange Zeit machst. Du bist entweder ­Rookie oder Veteran – und da wir das Rookie-Stadium ­sicherlich hinter uns gelassen haben, schätze ich, müssen wir als Veteranen bezeichnet werden. Ich kann mit dieser Bezeichnung sehr gut leben. Das heißt ja nicht automatisch, dass du nur noch auf einem Hocker sitzt. Auch Veteranen können ­selbstverständlich noch oben mitspielen.

Hättet ihr euch träumen lassen, dass ihr mit 40 immer noch über Bühnen springt?
Edo G: Ich hatte niemals in meiner Karriere einen Zeitplan. Ich reite einfach die Wellen ab, die kommen und sehe dann, wohin sie mich bringen. Solange wir mit den Besten mithalten können, sind wir nur einen Tag älter als 21.
Masta Ace: Ich hätte nie gedacht, dass Rapper jenseits der 30 wirklich noch rappen. Zu der Zeit, als ich ins Spiel gelangte, wurde 30 als unfassbar alt angesehen. Ich erinnere mich, dass ich auf Chuck Ds Geburtstagsparty war. Ich glaube, er wurde 33 [Chuck D wurde am 01.08.1993 33 Jahre alt, Anm. d. Verf.]. »Mein Gott, wie alt der ist«, dachte ich bei mir. In diesem Alter noch zu rappen, erschien mir ausgeschlossen. Aber es war die große Zeit von Public Enemy und Chuck D war immer noch verdammt gut am Mikrofon. Heute bin ich fast zehn Jahre älter als Chuck damals und ich bin immer noch am Start.

Ihr habt also nie daran gedacht, die »Jugendkultur« HipHop der Jugend zu überlassen?
Masta Ace: Ich werde weitermachen, so lange ich gut klinge und Spaß daran empfinde. Sollte ich irgendwann mal mein eigenes Zeug anhören und feststellen, dass ich nicht mehr oben mitspiele und mir der Biss fehlt, dann werde ich einfach aufhören.
Edo G: Ich denke, dass HipHop heute nicht mehr nur eine Jugendkultur ist. Sie wächst mit ihren Protagonisten, und die sind nun einmal in einer großen Zahl mittlerweile jenseits der 30. Das sieht man auch daran, dass Jay-Z mit seinem anstehenden Album “The Blueprint 3” ganz klar ein Publikum jenseits der 30 anvisiert. Es gibt mittlerweile für jede Stilrichtung innerhalb von HipHop ein Publikum.

Ihr nennt euch zusammen A&E. Was hat es mit dem Namen auf sich?
Masta Ace: Wir haben uns den Namen eines Kabelkanals hier in den Staaten entlehnt, der A&E heißt, was für »Arts & Entertainment« steht. Das beschreibt genau die Absicht, die wir mit diesem Album hatten.
Edo G: Was wir tun, hat einen künstlerischen ­Anspruch, will aber gleichzeitig auch unterhalten. Deshalb passt der Name einfach vorzüglich.

Wer ist auf wen zugegangen mit der Idee zu ­diesem Projekt?
Edo G: Ich bin 2004 das erste Mal mit dieser Idee an Ace herangetreten, als wir zusammen auf Tour mit Aces Album »A Long Hot Summer« waren. Der Vorschlag stieß damals nicht auf viel Gegenliebe. Womöglich war ich etwas zu stürmisch für ihn.
Masta Ace: Ich fand einfach, dass wir einen Anlass bräuchten, um ein gemeinsames Projekt in Angriff zu nehmen. Andernfalls hätte es sich so angefühlt, als ob das Album aus jeglichem Zusammenhang gerissen daherkommt. Ich habe damals keinen Anlass gesehen, einfach ins Studio zu gehen und aufzunehmen. Zudem galt mein Hauptaugenmerk der Albumpromotion von »A Long Hot Summer«, und anschließend war bereits EMC geplant. Als das EMC-Projekt abgeschlossen war, stand aber kein neues Projekt ins Haus, also hing ich etwas in der Luft. In dieser Situation kam Edo wieder mal auf mich zu und meinte, er habe einen Investor gefunden. Ich lebte zu der Zeit bereits in Jersey, und er meinte, er habe ­jemanden an der Hand, der uns eine anständige Geldsumme zur Verfügung stellen wollte, um zehn Tracks aufzunehmen. Zum ersten Mal seit ­langem hatte ich also Zeit, und Geld war auch da. Money always talks.

Edo, du hast also eine ordentliche ­Portion Hartnäckigkeit bewiesen.
Edo: Schon, aber ich wusste, dass ich ihn irgendwann knacken würde. Ich musste nur geduldig sein und mich in der Zwischenzeit mit anderen Dingen beschäftigen. Also wartete ich, bis der richtige Moment da war. Zuerst war geplant, nur mit Beats von ­Supreme One zu arbeiten, weil er derjenige war, der das Geld in den Ring geworfen hatte. Wie das so oft der Fall ist, löste sich das Kapital gegen Ende 2007 aber in Luft auf. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir schon zehn bis zwölf Stücke aufgenommen. Wir standen also vor der Entscheidung, das ganze Projekt aufzugeben oder weiterzumachen. Wir entschieden uns für Letzteres und griffen auf alle verfügbaren Ressourcen zurück, die wir hatten, unter anderem auch auf andere Produzenten, da wir uns nicht mehr an Supreme One gebunden fühlten, nachdem die Finanzierung ins Wasser gefallen war. Von Supreme haben wir letztlich drei Beats verwendet.

Ace, du meintest eben, dir habe der ­Anlass ­gefehlt, um das Projekt anzugehen. Als ­jemand mit Geld daherkam, hast du aber sofort ­zugesagt? Ging es also nur darum?
Masta Ace: Nein! Wie ich schon sagte: Ich war in andere Projekte eingebunden. Ich hatte zunächst einmal schlicht keine Zeit. Also fiel es mir auch verhältnismäßig leicht, Ed immer wieder abzusagen. Aber als nach Abschluss des EMC-Projekts zur freien Zeit auch noch ein anständiges Budget hinzukam, begann die ganze Geschichte mehr Sinn zu ergeben.

Über wie viel Geld sprechen wir hier eigentlich?
Masta Ace: So genau möchte ich das nicht beziffern, es war jetzt keine Summe, die unser Leben verändert hätte. Ein Haus hätten wir uns davon auch nicht kaufen können. Es war aber eine ganz hübsche Summe. Am Ende des Tages versucht doch jeder, über die Runden zu kommen und seine Rechnungen zu bezahlen, oder? Zudem hatte sich damals meine Lebenssituation geändert. Ich hatte gerade ein neues Haus gekauft und wusste also, dass ich von nun an regelmäßig einen Kredit zu bedienen hatte.

Wie würdet ihr eure Beziehung beschreiben?
Edo G: Wir haben diesen März zu zweit eine Reise nach Österreich unternommen und dort insgesamt drei Konzerte gespielt. Neben Konzerten in Wien und Linz sind wir auf einem Snowboard-Festival in Mayrhofen aufgetreten. Allein in Mayrhofen haben wir vier Tage verbracht, um dort Snowboard zu fahren, zu entspannen und einfach mal nichts zu tun. Diese Tage haben uns einander sehr viel näher gebracht, es gab keine Ablenkung durch unsere Crews. Da waren nur wir zwei. In diesen Tagen hat sich für uns herauskristallisiert, wie das Album klingen soll und was wir uns von ihm erwarten.
Masta Ace: Die Stimmung war auch so ­entspannt, weil wir uns beide mal nicht mit den ­Befindlichkeiten und Wünschen der einzelnen Crew-­Mitglieder ­herumschlagen mussten. Das war wirklich ­erfrischend, dass mir nicht ständig einer mit dieser oder jener Beschwerde in den Ohren lag. Großartig, einfach nur Konzerte geben zu können – ohne den ganzen Stress drumherum.
Edo G: Ace führt seine Crew an, ich meine. Normalerweise müssen wir also ständig irgend etwas organisieren oder regeln. Sich mal nicht damit auseinandersetzen zu müssen, hat sich gut angefühlt. Das war seit Jahren das erste Mal, dass ich mich um nichts außer mich selbst kümmern musste.

Dann müssen die Aufnahmen ja auch sehr ­harmonisch vonstatten gegangen sein. Wo habt ihr aufgenommen? In New York oder Boston?
Edo G: Wir haben zwar schon einige Tracks in ­Boston aufgenommen. Meistens habe ich mich aber ins Auto gesetzt und bin nach New York runter gefahren. Das hat sich einfach angeboten, weil Ace dort sein Studio hat. Ich habe mich also des öfteren dreieinhalb Stunden ins Auto gesetzt und blieb dann gleich für ein paar Tage unten.

Auf der Vorabsingle »Little Young« setzt ihr euch kritisch mit dem Zustand der HipHop-Szene im Jahre 2009 auseinander. Welche ­anderen ­Themen schneidet ihr auf dem Album an?
Masta Ace: Wir haben den Fans einen Track gewidmet, der einfach nur »Fans« heißt. Drei Strophen: eine von Ed, eine von mir und eine von Large Professor. Denn was wären wir ohne sie?
Edo G: Ein weiteres Stück namens »Round And Round« mit Doitall von den Lords Of Underground handelt von all den Orten, die wir auf unseren Reisen rund um den Globus kennen lernen durften und natürlich von den Menschen, die wir überall auf der Welt kennen gelernt haben und heute als Freunde bezeichnen.
Masta Ace: Wir haben aber auch einige Tracks auf dem Album, auf denen wir einfach nur spucken. Da gibt es zum Beispiel »Ei8ht Is Enough«, wo wir beide immer nur acht Zeilen ohne jeden Refrain rappen – erst er, dann ich, dann er.

Wie ist es eigentlich um die Bostoner HipHop-Szene bestellt?
Edo G: Da ist zur Zeit wirklich einiges los. Es gibt so einige Künstler aus Boston wie Termanology oder Statik Selektah. Term kommt zwar nicht direkt aus Boston, sondern aus Lawrence, aber er bezeichnet sich selbst als Bostoner. Und Statik arbeitet derzeit an seinem nächsten Album. Natürlich darf man nicht die alte Garde um Mr. Lif, Akrobatik oder Big Shug vergessen.

Und wer ist in deinen Augen gerade am ­angesagtesten?
Edo G: Ich natürlich. Danach kommt Term. Er ­betreibt einen unfassbaren Aufwand, grindet wirklich hart und ist lyrisch großartig.

Ist die Bostoner Szene in sich geschlossen?
Edo G: Nun, es gibt keinen Hass. Natürlich hängt jeder in seiner Crew ab, aber wir sind alle cool miteinander. Ich veranstalte seit drei Jahren das jährlich stattfindende Boston HipHop Unity Fest, zu dem ich alle Bostoner Künstler für eine Show versammeln konnte. Jeder war da – except Guru’s punk ass. Das kannst du so schreiben. Grüße von Edo. Er wollte nicht auftreten, weil er das Gefühl hat, Boston würde ihm nicht den Respekt entgegen bringen, den er meint zu verdienen. So ein Unsinn.
Masta Ace: Ich würde gerne wieder über uns anstatt über andere Künstler sprechen.

Gut, sprechen wir über eure Zukunftspläne. Ace, dein letztes Soloalbum liegt immerhin schon fünf Jahre zurück.
Masta Ace: Ich werde keine Solo-LP mehr veröffentlichen, zumindest nicht im Stile von »Disposable Arts« und »A Long Hot Summer«. Nach »A&E« ist ein weiteres EMC-Album geplant, anschließend möchte ich mich meiner nächsten Soloaufgabe widmen, einer DVD-Dokumentation, die die Geschichte meines Lebens und meiner Karriere erzählt. Da steht mir viel Recherchearbeit ins Haus. Ich möchte Menschen interviewen, mit denen ich aufgewachsen bin und die helfen können, meine Geschichte zu erzählen. Zu dieser DVD werde ich ein Album mit neuen Stücken aufnehmen, das der DVD beiliegen wird.
Edo G: Ich möchte nächstes Jahr ein weiteres Soloalbum veröffentlichen. Neun Tracks habe ich schon im Kasten.

Und was passiert mit A&E nach diesem Album?
Edo G: Nun, wir möchten erst einmal sehen, wie die LP angenommen wird. Wenn sie auf Liebe stößt, würde ich auf jeden Fall sehr gerne ein weiteres ­Album aufnehmen.
Masta Ace: Es ist wichtig zu sehen, wie die Menschen reagieren und wie die Rückmeldungen sind. Davon werden wir alles weitere abhängig machen.

Letzte Frage: Inwiefern haben sich eure ­Lebensumstände seit dem 20. Januar 2009, dem Tag der ­Vereidigung Obamas, geändert?
Edo G: Wir haben nach der gewonnenen Wahl im November alle gefeiert, als ob jeder den Jackpot geknackt hätte. Es ist ein tolles Gefühl zu wissen, dass mein Sohn in einer Zeit aufwächst, in der auch er die Möglichkeit hat, Präsident zu werden.
Masta Ace: Es ist dieses diffuse Gefühl von Stolz, das schwer in Worte zu fassen ist. Ich lebe nun seit drei Jahren in New Jersey, habe dort ein Haus gekauft, um meiner Tochter eine bessere Umgebung zu bieten, als ich sie in meiner Kindheit vorfand. In dieser überwiegend von Weißen bewohnten Umgebung habe ich dennoch das Gefühl, mit ihnen friedlich zusammen leben zu können, obwohl überall McCain-Aufkleber auf den Autos und an den Haustüren prangen. Ich gehe sicher nicht so weit zu sagen, das seien alles Rassisten. Aber diese Menschen konnten sich bestimmt nicht vorstellen, einmal einen schwarzen Präsidenten zu haben. Und nun ist es passiert. Das erfüllt mich mit Stolz, der mich mit erhobenem Haupt und breiter Brust durch die Straßen meiner Stadt gehen lässt – like »yeah, what?«

Text: Johannes Desta

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