(Four Music)
Marten Laciny ist an einem Punkt angekommen, an dem er sich die Frage stellen muss, wohin die Reise eigentlich gehen soll. Der Freshness-Bonus seines Helium-Styles ist nach zwei Marsimoto-Alben bisschen aufgebraucht und auch bei seinem Alter Ego Marteria gilt es, ein signifikantes Unterscheidungsmerkmal zum Debüt zu erarbeiten. Am Scheideweg zwischen ewigem Undergroundhero und Popstar hat Marten daher alles auf eine Karte gesetzt und sich dafür entschieden, mit “Zum Glück in die Zukunft” das Opus Magnum zu erschaffen, das ihn endgültig tief in die hiesigen HipHop-Annalen einschreiben wird und Hardcore-Nerds wie Mainstream-Menschen gleichermaßen befriedigt. Sicher, es gab eine Guideline, an der er sich orientiert hat, um dieses Ziel zu erreichen. So hat er seine Inhalte sprachlich mühsam in eine Form gebracht, die an den Rändern offen ist, aber dennoch stets greifbar bleibt. Er hat ein ausgewogenes Maß an Ernsthaftigkeit und dem ihm eigenen Wahnwitz gefunden. Und: Er flucht nicht. Doch ein Meisterwerk lässt sich nicht am Reißbrett entwerfen. Was “Zum Glück in die Zukunft” zum besten deutschen Rapalbum der letzten halben Dekade macht, ist Martens Fähigkeit, scheinbar unvereinbare Gegensätze so geschickt nebeneinander stehen zu lassen, dass sie gar nicht mehr als solche auszumachen sind. Man kann mit visionären Beats nur ein Spezialistenpublikum erreichen? Ein Song für den Sohnemann klingt zwangsläufig nach pathetischem Emo-Overkill? Die katastrophalen Zustände, in denen sich Welt und Gesellschaft befinden, lassen sich nur mit Empörung und Wut anklagen? Marteria schafft auf diesem Album das schier Unmögliche: Egal, welcher Themen er sich annimmt, seine Lyrics bersten vor sprachlicher Finesse und inhaltlicher Aussagekraft. In Verbindung mit den überdimensionalen Beats seines Produzenteams The Krauts (of Peter Fox fame), das hier über sich selbst hinausgewachsen ist, gewinnt all das an Größe und Pop-Appeal und ergibt die perfekte Kombination aus analogen und digitalen Klängen, ja: das Beste beider Welten mit einer ordentlich wummernden Bassline drunter. So könnte Marteria sogar Kader Loths Einkaufszettel für den nächsten Douglas-Besuch einrappen und würde sein Publikum immer noch zum Tanzen bringen. Die Fähigkeit, auf bekanntem Terrain neue Maßstäbe zu setzen – man nennt sie Genialität.
Text: Markus Werner