Logic: »Genau genommen sind es bald 1.800 unveröffentlichte Songs« // Interview & Verlosung

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Logic-Presse
 
Nach den Gesetzen der Logik sollte es die Karriere von Logic nicht geben. Er sollte tot sein, im Gefängnis, bestenfalls hinter irgendeinem Wendy’s-Tresen, um fettige ­Burger und labbrige Pommes an dickwanstige Marylander zu verteilen. Das wäre schon ein Erfolg. Eigentlich. Allemal ein ehrlicherer Job als der seiner Brüder, die Crack auf den Straßen seines Vororts gedealt haben und zu deren besten Kunden ausgerechnet sein schwarzer Vater zählte. Ein besseres Schicksal auch als das seiner weißen ­Mutter, die im Zentrum der konzentrischen Kreise der kriminellen Hölle leben musste, die ­vergewaltigt wurde, geschlagen, niedergestochen; die rassistische Vorbehalte gegen ihren eigenen Sohn hatte, ihren »Nigger«, den sie in jungen Jahren erwürgen wollte.
 
Der Sinn des Lebens heißt leben? Wohl kaum, wenn es das ist, was man von ihm zu erwarten hat. Nun geht es natürlich vielen Leuten so, man hört bloß nie von ihnen. Sie sind die stillen Statisten des Ghettos, die hier bei einem Drive-By draufgehen oder dort an einer Überdosis sterben und so der ganzen Szenerie den Anstrich des stetig drohenden Todes verleihen, dem man nur entkommt, indem man ihn austeilt statt ihn einzustecken; oder eben, indem man kleinlaut an der Wendy’s-Kasse Platz nimmt.
 
Das Problem mit Rappern, die diesem ­Schicksal über die Musik entfliehen wollen, ist meist, dass man sich irgendwie moralisch ­verpflichtet fühlt, sie gut zu finden. Ungefähr so, wie wenn man die Obdachlosenzeitung kauft, weil man das für ein unterstützenswertes Projekt hält, und nicht, weil einen wirklich interessiert, was drin steht. Aber was, wenn einer daher käme, der echtes Talent besitzt? Der zwar die Schule ­geschmissen, aber trotzdem drei Wörterbücher voll Vokabeln im Hirn hat? Dessen Musik das Pendant dazu ist, die Obdachlosenzeitung aufzuschlagen und dort eine Glosse von Hemingway oder Faulkner zu finden?
 
Meet Logic. Besser gesagt: Meet Logic 2010, als ihn noch niemand kannte und er mit »Young, Broke And Infamous« sein erstes Mixtape auf den Markt brachte. Vier Jahre später ist er zwar immer noch bestürzend jung – 24 nämlich –, aber ganz bestimmt nicht mehr broke und auf dem besten Weg dahin, das »infamous« gegen »in« und »famous« zu tauschen. Dabei helfen ihm zu gleichen Teilen das Independent Label Visionary Music Group und neuerdings auch Def Jam, wo er offiziell seit 2013, angeblich aber schon seit 2011, unter Vertrag steht. Das habe man zunächst geheim gehalten, sagt er, weil man die Fans mit dem Major Signing nicht vergraulen wollte.
 
A legend like Sinatra
 
Und man glaubt es ihm, wie man ihm überhaupt alles glaubt, wenn er mit ­besonnener Stimme eloquente Sätze formt – ­bescheiden, höflich, ganz so, als sei er in einer ­gutbürgerlichen Familie ­großgeworden, in der im Ofen Weihnachtsplätzchen ­gebacken wurden und kein Crack. Dass Logic heute da steht, wo er steht, nämlich Seite an Seite mit Stars wie Kid Cudi, Tyler, the Creator, Childish Gambino und No ID, ist ein so gewaltiger Triumph über die Wahrscheinlichkeiten des Lebens, dass man alle weiteren Unglaublichkeiten aus seinem Mund wie Selbstverständlich­keiten schluckt. So berühmt wie Frank Sinatra will er also werden, soso, und in jedem Raum, den er betritt, die Leute verstummen lassen – nicht aus Angst oder Schleimerei, sondern aus Respekt. Hmja, dann macht er das wohl.
 
Dein Debütalbum »Under Pressure« ­erscheint in wenigen Tagen. Fühlst du dich vor dem Release tatsächlich stärker unter Druck als vor früheren?
Der Titel spielt eher auf den Druck an, unter dem ich mein ganzes Leben lang stehe, als Logic und als Bobby [Spitzname zu Logics bürgerlichem Namen Sir Robert Bryson Hall II; Anm. d. Verf.]. Die andere Deutung passt aber auch. Ich habe bisher ja alles kostenlos releaset und du darfst mir glauben, vor dem ersten kommerziellen Album spürt man schon einen gewissen Erwartungsdruck der Fans. (lacht)
 
Inwiefern unterscheidet sich das Album denn von deinen Mixtapes?
Zum einen ist es viel kondensierter: Auf ein Mixtape hätte ich vielleicht schon mal vier Songs geworfen, die alle davon erzählen, wie ich zum Star aufsteige. Auf dem Album hatte ich den Anspruch, jedes Thema mit nur einem Song anzusprechen, dafür aber so gut, dass alles gesagt ist. Außerdem ist es persönlicher als meine Mixtapes; es erzählt noch mehr von meiner Geschichte und davon, wo ich ­herkomme. Musikalisch gibt es aber keine großen Neuerungen – wenn überhaupt, dann ist das sogar noch straighterer Rap.
 
Noch persönlicher? Du hast ja bisher mit deiner schwierigen Jugend nicht gerade hinter dem Berg gehalten.
Ja, ich spreche da sehr offen drüber. Für mich ist das eine Art Therapie. Außerdem hoffe ich natürlich, dass ich damit Leute erreiche, die sich in ähnlichen Situationen befinden und denen ich einen Weg zeigen kann, wie man aus diesem Sumpf rauskommt. Das Album stellt also mich und meinen Weg in den Vordergrund, aber es ist trotzdem nicht jeder Song schwermütig oder tiefsinnig; auf einigen wird auch einfach nur gespittet.
 
Wie steht deine Familie eigentlich dazu, von dir gewissermaßen in die ­Öffentlichkeit gezerrt zu werden?
Das Verhältnis zu denen ist cool. Nur mein Dad war vor einiger Zeit mal nicht so ­glücklich mit der Situation und hat gedroht, mich zu verklagen. Aber inzwischen haben sich die Wogen wieder geglättet. Mit den Fehlern, die er gemacht hat, muss er leben – ob ich nun darüber rappe oder nicht.
 

 
Anders als zum Beispiel bei Eminem hat es bei dir nie den Charakter einer Abrechnung, wenn du über deine Eltern rappst.
Ja, ich habe auch nicht so viel Wut im Bauch. Okay, etwas Wut ist da natürlich schon, aber ich versuche, damit auf eine positive Art umzugehen. Ich denke, das ist auch der Grund, warum ich heute hier sitze und nicht im Knast. Wenn ich etwas ­Abgefucktes gesehen oder erlebt habe – also eigentlich ständig –, dann habe ich mir nicht gedacht: »Ok, so macht man das also«, sondern »Wow, so sollte man es wirklich auf keinen Fall machen.« Für mich war meine Umgebung nicht voller (falscher) Vorbilder, sondern voller abschreckender Beispiele.
 

 
Gab es denn auch richtige Vorbilder?
Klar gab es die. Solomon Taylor zum ­Beispiel, den ich mit 13 kennengelernt habe. Der war sechs Jahre älter als ich und hat mir viel über das Leben beigebracht. Außerdem meine Paten und mein Homie Lenbo, in dessen Keller ich wohnen konnte, nachdem ich mit 17 zu Hause rausgeflogen war. Das Zimmer war natürlich total abgeranzt, aber es wurde ein wichtiger Ort für mich. Ich habe da oft mit Freunden abgehangen und Tracks geschrieben, deshalb habe ich als Cover für mein Album jetzt auch eine Zeichnung genau dieses Kellerraums gewählt.
 
Eine Zeitlang hast du nicht viel anderes gemacht als dort abzuhängen und Tracks zu schreiben, oder? Auf deinem Album behauptest du, du hättest 1.700 Stück auf Lager.
Genau genommen sind es bald 1.800 und nur 150 davon sind veröffentlicht. Ich weiß, dass das schwer zu glauben ist, aber es stimmt! Ich habe mit 14 mit dem Rappen angefangen; seit ich 18 bin, ist es mein ­wesentlicher Lebensinhalt. Viele Leute werden mich jetzt erst kennenlernen, aber für mich fühlt es sich schon wie eine Ewigkeit an.
 

 
Aber du hast nicht vor, aufzuhören, oder?
Oh nein, im Gegenteil. Ich will eine Legende werden – wie Frank Sinatra.
 
Ihn erwähnst du häufig, du nennst dich sogar selbst »Young Sinatra«. Was hat es damit auf sich?
»Young Sinatra« ist mein musikalisches Alter Ego, ein bisschen so wie »Slim Shady« für Eminem, auch wenn ich das auf dem Album nicht mehr so betone wie vorher auf den Mixtapes. Ich bin eben großer Sinatra-Fan – auch, aber nicht nur von seiner Musik. Ich will eine Ikone sein, so wie er es war. Wenn ich eines Tages sterbe, will ich, dass Leute stolz darauf sind, mir irgendwann mal die Hand geschüttelt zu haben. Ich glaube, dass ich auf dem Weg bin, genau das zu erreichen. Und auch, wenn sich das wie ein riesiges Klischee anhört: Ich glaube, dass ich das tun und trotzdem authentisch und gewissermaßen auf dem Boden bleiben kann. ◘
 
Text: Constantin Baron van Lijnden
Foto: Presse
 
VERLOSUNG
Logic kommt in wenigen Tagen für vier Gigs nach Deutschland. Wir verlosen 2×2 Tickets pro Tourstopp. Wer gewinnen möchte, schreibt eine E-Mail mit dem Betreff »Logic«, seinem bürgerlichen Namen und seiner Wunschstadt an verlosungen (at) juice (.) de.*

 
Logic-Tourpräsentation
 
Dieses Interview erschien als in JUICE #163 (hier versandkostenfrei nachbestellen).
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*Hinweis: Einsendeschluss ist der 28.03.2015. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
 

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