K.I.Z. Video

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K.I.Z.-Videos sind originell, detailverliebt und auf den Punkt gebracht. So auch in diesem Fall. »Abteilungsleiter der Liebe«, ein furchtbar, trauriger Song aus ihrem grandiosen Album »Urlaub fürs Gehirn«. Firmen und Unternehmen lagern wichtige Aufgaben an billige Drittanbieter aus, die Löhne fallen, Jobs verpuffen, Familien werden zerstört, Menschen verlieren die Fassung. Der normale Alltag in 2011 halt. Du musst ein harter Hund sein, um in diesen Jahren ein Baller zu werden.

Doch so war es schon immer. 1987, die Landtagswahl in Schleswig-Holstein steht bevor und zwischen der seit Ewigkeiten regierenden CDU und der SPD herrscht Beef. Wir sprechen hier nicht vom normalen, schrecklich langweiligen Wahlkampf, bei dem es Floskeln und ausgelaugte Punchlines auf Plakaten hagelt. Sondern richtig Beef. Die Rapper heißen in diesem Fall Uwe Barschel und Björn Engholm. Mit hanebüchenen Behauptungen gegen die selbst Kollegahs Ein-Ei-Vorwurf gegenüber Separate ein Witz ist. MC Uwe heuert Privatdetektive an, bezichtigt Lil‘ Engholm der HIV-Infektion, er sei schwul, würde trotzdem eine Braut nach der anderen weghacken und wolle zusammen mit seinen grünen, perversen Freunden Sex mit Kindern legalisieren. Richtig großes Kino also.

Unterstützung erhielt MC Uwe hierbei von der versierten Promo-Agentur Axel-Springer, die ihm den spitzfindigen Szene-Kenner Reiner Pfeiffer vermittelte. Die beiden haben sich richtig verrückte Sachen einfallen lassen. Telefonstreich spielen und Lil‘ Engholm mit verstellter Stimme anrufen, um ihm zu erzählen, er hätte sich Aids eingefangen, Engholm einfach so bei der Polizei anzeigen, sein Telefon verwanzen. Richtig kranker Scheiß. Irgendwer snitcht, dem »Spiegel« fällt der Spuk auf, skandalöse Machenschaften. Ein Traum für Journalisten.

Das Video greift diese Zusammenhänge in der finalen und wirklich geisteskranken Phase dieser peinlichen bundesdeutschen Affäre auf. Birol Ünel, begnadeter Schauspieler mit Kreuzberg-Swag und etwas furchteinflößender Aura, spielt Barschel auf dem Weg zur dramatischen Pressekonferenz. »…gebe ich der gesamten deutschen Öffentlichkeit mein Ehrenwort – ich wiederhole: Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort! – dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind.« Zitate für die Ewigkeit, so wie Christoph Daums reines Gewissen bezüglich des Chemiegehalts seines Haupthaars.

Er ist sich natürlich dessen bewusst, dass er das Spiel zu bunt getrieben hat und die Situation ziemlich verfahren, ja, aussichtslos ist. Also ab in die Schweiz, die Minibar leeren, Staubsaugernasenmann auspacken, Escort-Service anrufen und ein wenig durchdrehen, um die Gedanken zu ordnen. MC Uwe vergisst im Trubel des Exzesses den morgigen Interview-Termin mit dem Stern-Magazin und so finden sie ihn übel verkatert und mausetot in der Wanne.

Ein verstorbener, arglistiger Ministerpräsident, ein Nachttisch voll mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, ein politischer Gegner, der vom Opfer zum Mitwisser wird und ebenfalls zurücktreten muss, eine zweifelhafte Obduktion, Agenten des Bundesnachrichtendienst, die zufällig am selben Tag ein Zimmer im selben Hotel gemietet haben, DDR-Akten und dann auch noch der Mossad. Alles total verrückt. So durchgeknallt, dass in diesem Jahr erneut die Ermittlungen aufgenommen wurden.

Und so schaffen es K.I.Z. mit »Abteilungsleiter der Liebe« nicht nur den derzeitigen Irrsinn der finanzwirtschaftlichen Gegebenheiten humorvoll in Songform zu verpacken, sondern machen auch noch auf unsere ganz eigene urdeutsche Watergate-Affäre aufmerksam. Und als Kinder der 80er freuen wir uns natürlich jedes mal, wenn wir die D-mark sehen. Dafür danken wir ihnen.

(nn)

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