Kings Of HipHop: T.I. Gummibandmann // Feature

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Never Scared

Es ist ein entscheidender Misserfolg, aus dem T.I. seine Lehren zieht. Er bittet um die Vertragsauflösung bei Arista und begibt sich aus dem Majorzirkus zurück auf die Straße. Einen Gastauftritt auf Bonecrushers »Never Scared« und drei Ausgaben der »Gangsta Grillz«-Serie des aufstrebenden DJ Drama später ist Tip auch über die Stadtgrenzen von ATL hinaus einer der heißesten Jungkünstler ohne Vertragsbindung bei einem der großen Labels. Den Buzz nutzt er kurzerhand, um sein 2001 gegründetes Label Grand Hustle Entertainment per Joint Venture als Sublabel bei Atlantic Records unterzubringen. Als im August 2003 der Sophomore-Anlauf »Trap Muzik« in den Startlöchern steht, hat T.I. den Status als Rookie abgelegt und sich nicht nur künstlerisch, sondern auch als Businessman industrieweit Respekt erarbeitet. Neben Haus-und-Hof-Produzent DJ Toomp (u.a. »Be Easy« und »24s«) liefern auch Jazze Pha (»Let’s Get Away«), David Banner (»Rubberband Man«) und ein heißer Nachwuchsbeatmaker namens Kanye West (»Doin’ My Job«) die herausragenden Produktionen der Platte. Das Konzept geht auf: »Trap Muzik« markiert mit dem Einstieg auf Platz 4 Tips erste Top-10-Platzierung – knappe vier Jahre nach Release folgt die Platin-Auszeichnung der RIAA.

»Trap Muzik« markiert das Album den Beginn einer musikalischen Ära, die HipHop im 21. Jahrhundert geprägt hat wie nichts anderes.

Der größte Meilenstein findet sich jedoch nicht im kommerziellen Erfolg von »Trap Muzik«, sondern im Titel des Zweitwerks. »Natürlich haben schon vor mir Leute das Wort ›Trap‹ benutzt. Zum ersten Mal habe ich es glaube ich von Khujo [Mitglied von Goodie Mob; Anm. d. Verf.] gehört«, erinnert sich T.I. 2018 in einem Interview mit »HipHopDX«. »Aber wenn es darum geht, die Worte ›Trap‹ und ›Music‹ zusammenzusetzen, um einen Sound zu beschreiben, dann ist das zum ersten Mal am 19. August 2003 passiert.« Dabei zeichnet sich das Album nicht durch ein besonders homogenes Soundbild aus – einige Songs klingen nicht gerade nach Atlanta. Die Kanye-Nummer ist typischer Chipmunk-Soul aus der »College Dropout«-Ära, »No More Talk« klingt nach State-Property-Ausschussware und auf »I Still Love You« wartet man vergeblich auf die Jigga-Gaststrophe. Dass Tip, der während seiner Jugend in den Ferien viel Zeit in New York bei seinem Vater verbringt, vom HipHop der Ostküste geprägt ist, wird beim Hören schnell klar. Aber trotzdem ist mit dem Erfolg der LP der Grundstein für einen neuen Atlanta-Sound gelegt, der sich thematisch um das Leben als Drogendealer in den sozialen Brennpunkten der Stadt dreht und dessen musikalische Basis die brachialen Drumsounds der legendären Roland TR-808 sind. Dass sich dieses Genre über die nächsten anderthalb Jahrzehnte immer wieder wandelt und von französischen Banlieues bis zu koreanischer Popmusik in allerlei andere Länder und Musikrichtungen exportiert und implementiert wird, kann damals noch niemand ahnen. Ja, mit »Trap Muzik« beginnt T.I.s rasanter Aufstieg zum Superstar der amerikanischen HipHop-Szene, aber gleichzeitig markiert das Album den Beginn einer musikalischen Ära, die HipHop im 21. Jahrhundert geprägt hat wie nichts anderes.

Trouble Man

Meilenstein hin oder her, rund um »Trap Muzik« offenbart T.I. zum ersten Mal in seiner professionellen Laufbahn sein größtes Laster: Immer wieder gerät er mit dem Gesetz in Konflikt. 2003 wird er zunächst wegen eines Angriffs auf eine Security-Mitarbeiterin in einer Shoppingmall in Florida zu mehreren hundert Sozialstunden verurteilt, ehe er sich 2004 für den Verstoß gegen seine Bewährungsauflagen auch in Georgia stellt und vier Monate hinter Gittern verbringt, anstatt sein Erfolgsalbum zu promoten. Obwohl das ursprüngliche Urteil eine dreijährige Haftstrafe verhängte, gelingt T.I. mithilfe seiner Anwälte schnell der Wechsel in den offenen Vollzug. Dort entsteht in verschiedenen Studios in und um Atlanta das Material für das im Spätherbst 2004 veröffentlichte »Urban Legend«, das ihm eine schnelle Rückkehr auf die vorderen Plätze der Billboard-Charts beschert. Zusätzlich landet er mit dem von Swizz Beats geflippten Jigga-Sample auf »Bring Em Out« seine erste Platzierung in den Single-Top-10, während auch Mannie Fresh, Scott Storch und Daz Dillinger Produktionen zur LP beisteuern. Die erfolgreiche Zusammenarbeit mit DJ Toomp, Lil Jon, Jazze Pha und den Neptunes setzt Tip ebenfalls fort. Pharrell spricht von seinem Kollaborateur als »Jay-Z of the South«, ein immer wieder zitierter Titel, der T.I. lange nachhängt und ihm eher gemischte Gefühle beschert. Im Frühjahr 2005 erweist sich der Albumtitel als selbsterfüllende Prophezeiung – »Urban Legend« ist mit mehr als einer Million verkaufter Einheiten Platin. Dass Tip mittlerweile zur A-Liste gehört, beweist auch sein Gastauftritt auf der Destiny’s-Child-Single »Soldier«, von der die Girlband immerhin eine halbe Million Einheiten und – mitten in der Ringtone-Ära – auch mehr als eine Million Klingeltöne absetzen kann. Außerdem tritt er als Executive Producer auf und veröffentlicht den Soundtrack zu Craig Brewers legendärem Pimp-Drama »Hustle & Flow« über Grand Hustle. Völlig unerwartet gewinnt die Platte mit »It’s Hard Out Here For A Pimp« von Three 6 Mafia sogar einen Oscar.

Seinen gewonnen Status nutzt T.I. in der Folge, um die Karrieren seiner Homies anzukurbeln: Im Vorbeigehen erscheint mit »25 To Life« das Debütalbum seiner Pimp $quad Click, später landet Young Dro als erster Grand-Hustle-Künstler abseits von CEO Tip mit seiner Debütsingle »Shoulder Lean« einen veritablen Hit. Inmitten all des Trubels erreicht der damals 25-Jährige mit seinem vierten Album »King« wohl seinen künstlerischen Zenit. Getragen von der Überhymne »What You Know«, für die er später den Grammy in der Kategorie »Best Rap Song« einheimst, debütiert er mit mehr als einer halben Million verkaufter Einheiten auf der Eins der Albumcharts. Ursprünglich als Soundtrack zu seinem Schauspieldebüt »ATL« geplant, erweist sich die Umfirmierung zum Album als kluger Schachzug. Überhaupt passt sich Tip immer wieder clever den noch so widrigen Umständen an: Als Anfang 2006 mehrere Song-Leaks im Netz auftauchen, entscheidet er sich kurzerhand, die Tracks via das DJ-Drama-Mixtape »Gangsta Grillz: The Leak« zu veröffentlichen, um den Buzz rund ums Album weiter anzuheizen.

Als sein Marktwert auf der Straße seinen Höchststand erreicht hat, klingelt das Klapphandy: Am anderen Ende möchte ein hohes Tier von Jive Records wissen, ob Interesse an einer Zusammenarbeit mit Justin Timberlake bestünde. Der Ex-*NSync-Mädchenschwarm steckt mitten in den Arbeiten zu seinem nächsten Soloalbum. Heraus kommt mit »My Love« nicht nur einer der besten Songs von »FutureSex/LoveSounds«, sondern auch ein Grammy fürs beste Duett in Sachen Rap und Gesang.

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