Bald werden die Auseinandersetzungen eingefangen und auf DVD-Serien wie »Risky Roadz« dokumentiert. Der MC und Produzent Jammer ruft 2004 die Clash-Reihe »Lord Of The Mics« ins Leben, die er ebenfalls auf DVD festhält. Kampflustige MCs treten in kleinen Kellern, auf Treppen oder später in Clubs gegeneinander an. In der zweiten Ausgabe von »LOTM« tritt Skepta gegen Devilman aus Birmingham an, was bis heute als einer der besten Grime-Clashes gilt. 2006 zeigen die beiden MCs, wie kreativ und energiegeladen Battles sein können. Immer wieder wechseln sie Flows, spucken die Worte mal wie Brocken in die Kamera, dann gleiten sie mit einem Fluss zu Pidgin-Englisch, greifen Bars des anderen auf und wenden den Schlag des Gegners gegen ihren Schöpfer.
Skepta unterscheidet sich in seinem Flow von den meisten anderen Grime-MCs: Während viele auf Geschwindigkeit setzen, entscheidet er sich für eine langsamere und damit klarere Artikulation. In einem Clash von 2007 trifft er in der Radiosendung des DJs Logan Sama auf Ghetts, den der Autor Dan Hancox in seinem Buch »Inner City Pressure – The Story Of Grime« als Kampf zwischen Punk und Prog-Rock bezeichnet. Skepta nimmt darin die technische Versiertheit von Ghetts auf, greift sie an und setzt ihr 8-Bar-Lyrics entgegen. Was ihm nicht nur Fans, sondern auch Kritik wegen der Einfachheit eingebracht hat, führt später unter anderem dazu, dass er vermehrt Fans in den USA gewinnt. In dem Film »Skepta: Top Boy« von 2015, in dem Skepta auf einer Tour durch die USA begleitet wird, führt der US-Rapper A$AP Nast diese klare Artikulation als Grund dafür an, warum Skepta für ihn gut in der Rapszene in den USA ankommt: Man verstehe seine Lyrics.
»Ich bin unantastbar geworden«
Skepta strahlt als MC Selbstbewusstsein aus – nicht umsonst heißt sein Debütalbum von 2007 »Greatest Hits«. Was in klassischen Musikindustriemaßstäben das Lebenswerk einer Musikkarriere markiert, ist ein imposantes Debüt. Skepta spittet neben dem eigenen Lebenslauf bei »The Journey« über Partys, Rassismus und Gewalt unter schwarzen Menschen bei »Blood, Sweat And Tears«. Auch wenn es selten in einer Reihe mit Grime-Meilensteinen wie Dizzee Rascals »Boy In Da Corner«, Kanos »Home Sweet Home«, Shysties »Diamond In The Dirt« und Wileys »Treddin’ On Thin Ice« genannt wird, steht Skeptas Debüt qualitativ in nichts nach. Hört man die Tracks heute, sind sie immer noch ein eindrucksvoller Ausdruck der frischen und experimentierfreudigen Vitalität von Grime.
2009 folgte das zweite Album »Microphone Champion«, bei dem er nicht mehr nur Grime-Beats als Instrumentals nutzt und sich musikalisch öffnet. Bei dem Track »Skepta« setzt er seinen Text auf klassische Breaks und sampelt die ikonischen Bläser aus dem Soul-Stück »Unwind Yourself« von Marva Whitney, das von DJ Kools Rap Classic »Let Me Clear My Throat« im Kollektivgedächtnis von HipHop verewigt wurde. Nach dem Mixtape »Been There Done That« schnuppert Skepta um 2011 herum Charts-Luft, arbeitet mit Puff Daddy und veröffentlicht sein drittes Album »Doin’ It Again« bei dem Universal-Ableger All Around The World. Die Tracks sind auf internationalen Mainstream-Erfolg gepusht, die Musikvideos zu den teilweise nach Konserven-Dance-Rap-Pop klingenden Tracks inszenieren Skepta in weißen Villen in einer glitzernden Welt des Überflusses.
»I put it all in the bin, ’cause that’s not me«
Je bekannter Grime wurde, desto schwerer hatte es das Genre. MCs und Produzenten wurden von Politikern und Medien immer wieder mit Kriminalität und Gewalt in Verbindung gebracht und der Polizei mit »Form 696« in London Mittel an die Hand gegeben, um Veranstaltungen zu unterbinden, auf denen Grime gespielt wurde. Wie der Journalist Dan Hancox in seinem Buch »Inner City Pressure« schreibt, war das Ziel der Londoner Polizei, mit »Form 696« sogenannte »Black-On-Black Crimes« zu bekämpfen. Dancehall, Bashment und Grime gerieten damit genauso unter Generalverdacht wie sämtliche Menschen mit dunkler Hautfarbe. »Form 696«, auf dessen Grundlage Veranstaltungen präventiv abgesagt werden konnten, war bis Ende 2017 in Kraft und zwang die Londoner Grime-Szene in den Underground. Trotzdem existierte die Musik weiter, auch fernab von großen Bühnen oder Charts.
Eine DIY-Haltung spielte von Anfang eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von Grime. Und einer, der das heute nachdrücklich vertritt, ist Skepta. Er ist bei keinem Major-Label unter Vertrag, glaubt nur daran, selbst Veränderung bewirken zu können. Auch in politischer Hinsicht misstraut er Institutionen. Zwar äußert er Kritik, setzt sich für Veränderung ein, drückt aber gleichzeitig Skepsis gegenüber politischen Parteien und explizit politischen Aktionen aus. Seine Agenda, seine Perspektive, seine Positionen will er als Künstler umsetzen, propagiert eine Self-made-Philosophie, die er immer wieder mit Hood-Tales in seinen Tunes stützen will. Davon sieht er sich 2010/2011, auf der Höhe seines Mainstream-Erfolgs, entfremdet. Er stürzt in eine Krise, wie er in einem Interview mit dem Guardian 2016 erzählt: »In jedem Bereich des Lebens hast du ein natürliches Talent. Und dann kommt jemand wie ein Manager, der das Business kennt, nimmt diese Talente und nutzt sie aus. Wenn Leute erkennen, dass sie ausgenutzt werden, fallen manche in ein Loch, verschwinden – andere werden dadurch unantastbar. Ich bin unantastbar geworden. Ich gewinne, auch wenn ich keinen einzigen Penny auf meinem Konto habe, weil mein Geist frei ist.«
Die schwarze Ethnie. So unheimlich schön und so viel schönheit, die ungesagt blieb, bleibt!! *heul*