»Wir haben noch nie HipHop produziert« // jaynbeats im Interview

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Was ist das klassische Set-Up, wenn ihr produziert?

Timothy: Ich bin komplett auf Logic, aber ich mache ja auch gar nicht die Drums. Die macht Jonas im Fruity Loops. Meistens fangen wir mit der Melodie an, aktuell arbeite ich viel mit Kontakt von Native Instruments, von denen ich eh großer Fan bin. Das Witzige ist aber auch, dass wir eigentlich coole Keyboards und DAWs haben wie den Komplete Kontrol oder die Maschine, aber tatsächlich spiele ich so gut wie alle Melodien nur meiner Computertastur ein (lacht). 
Jonas: … das sieht auch ziemlich lustig aus!
Timothy: Wir haben zwar immer ein Keyboard angeschlossen, aber irgendwie hat sich das so etabliert, keine Ahnung. Meistens schicke ich die fertige Melodie/das fertige Sample dann an Jonas.
Jonas: Der restliche Beat passiert dann auch bei mir. Ich ziehe mir die Melodien in FL Studio, arrangiere alles, leg die Drums rüber und fange mit dem Mixing an. Gross Beat ist eines meiner Lieblings-Plug-Ins beispielsweise, das ist aber auch nichts besonderes eigentlich. Wir haben zwar eine große Library an Plug-Ins, aber oft sind es auch einfach nur die programm-internern Effekte, die wir verwenden. Wenn alles fertig ist, geht der Beat wieder zu Timothy. Recording passiert dann wieder in Logic. 

Trap ist oft minimalistisch. Ein Laie kann hier auch vermuten, es ist leicht reproduzierbar, wie eure Umschreibung als »Computermusik« ja auch nahelegt. Gerade im Zeitalter von splice.com und Co. ist das kein haltloser Vorwurf.

Jonas: Wir wirken dem ja damit schon entgegen, in dem wir nie Samples benutzen. Dadurch ist schon mal verhindert, genauso wie jemand anderes zu klingen. Der andere Punkt ist, dass man einen Beat von jemand anderen eh nie 1:1 nachbauen kann, außer man ist ein Genie. Wenn man anfängt, orientiert man sich ja zum Beispiel auch viel mehr noch an den Vorbildern und trotzdem klingen deine Beats nicht wie Metro Boomins. Man entwickelt sich mit der Zeit einfach immer weiter. Es ist ja auch eine Kunst, die Sachen reduziert zu halten und es wirkt trotzdem.
Timothy: Ich bin ein großer Verfechter von Minimalismus, das heißt aber nicht, dass unser Sound einfach ist. Oftmals ist es viel schwerer die wenigen Elemente so zusammenzuführen, dass es trotzdem krass klingt. Nur weil ein Beat an sich in unter 60 Minuten entsteht, ist er ja nicht schlecht. Wir haben insgesamt schon so viel Zeit in Musik investiert, machen jeden Tag Sessions. Wenn man das als Arbeitsstunden zusammenrechnet, hört man die Erfahrung trotzdem raus, auch wenn der Beat simpel klingt. 

»Gross Beat« wurde vor ein paar Jahren sehr viel für Vocals benutzt, auch bei Samples gibt es immer wieder Trends, Stichwort: Flötenbeat. Wann ist ein Sound oder ein bestimmtes Tool für euch nicht mehr interessant?

Jonas: Ich würde sagen, wenn ich etwas zu oft bei anderen gehört habe. Wenn ein Produzent, der auch aus Berlin kommt, irgendwas andauernd in seinen Beats vorkommen lässt, würde ich davon erstmal die Finger lassen. Aber das ist auch eine lokale Geschichte. Wenn ich ein Element bei US-Producern beispielsweise entdecke und es für mich hier in Deutschland übersetze, dann bekommt das oft einen anderen Drive. Das ist für mich dann auch nicht klauen. Man lässt sich halt inspirieren. Du kannst ja auch gerne die selben Effekte verwenden wie andere Produzenten, aber du solltest da schon etwas Eigenes draus machen. 
Timothy: Wir haben bestimmt schon 20 Flötenbeats gemacht und die kommen tatsächlich auch immer sehr gut an, weil es eben gerade gefragt ist. 

»Wenn ich ein Element bei US-Producern entdecke und es adaptiere, ist das für mich nicht klauen«

Jonas

Ist das nicht frustrierend, wenn immer nur das angenommen wird, was bereits bekannt ist?

Jonas: Ich weiß, was du meinst, aber wir sind mit unseren Beats gar nicht so emotional verbunden, da wir immer schnell arbeiten. Die Beats entstehen zwischen fünf und sechzig Minuten, würde ich sagen. Es sind häufig auch erstmal nur Skizzen, bevor wir das zu einem Track ausproduzieren, was meistens sogar erst nach dem Recording passiert. 
Timothy: 90% unserer Tracks entstehen auch on peak. An dem Tag, an dem drauf aufgenommen wurde, ist meistens auch der Beat entstanden. Das ist aber kein Credo, wir haben auch Beats, die eine Weile herumgelegen haben. Der Grund hierfür ist, dass man einfach auf dem gleichen Vibe ist, wenn man eine Session zusammen macht. Die Rapper können dann auch direkt Einfluss auf die Produktion nehmen, das macht es entspannter. Das ist im Endeffekt wie eine klassische Songwriting-Session. 

Es gibt die Haltung, dass man Arrangement und Produktion voneinander trennen sollte.

Jonas: Ich finde nicht, dass es da Regeln gibt. Es ist ja immer noch Musik und am Ende kommt es eh nur auf das Ergebnis an. Wenn du es auf diese Weise am Besten kannst, dann ist das nicht besser oder verwerflicher, als über einen anderen Weg. Ich bin der Meinung, der Sound liegt im Moment. Wenn du hinterher zu viel veränderst, läufst du Gefahr, es zu überproduzieren. Ich gehe beim Mixing zum Beispiel auch extra nicht zu krass ins Detail. Das gehört einfach zu unserm Trap-Sound. Das ist beim Vocal-Mixing wiederum komplett anders, weil wir es wichtig finden, dass die Stimme gut über dem Beat liegt. In der Summe bekommt der Beat ja dann auch wieder eine neue Wirkung. Es kommt vermutlich darauf an, welche Musik du machen willst. Wir fahren halt den Underground-Film, wo es nicht darauf ankommt, ob eine Snare perfekt gemischt ist.

»Stoopid Tape Vol. 1« erschien vergangenen Freitag. Es ist euer erstes Release als Producerteam. Worin liegt der Unterschied zu den Produktionen für andere Rapper?

Timothy: Ich würde sagen, wir haben Produktionen noch nie als eine Art Dienstleistung umgesetzt, sondern immer irgendwo Einfluss auf den Song genommen, egal, ob das für unsere Projekt oder für ein fremdes war. »Stoopid Tape Vol.1« unterscheidet sich nicht so groß von den Sachen, die wir für andere gemacht haben. Es ist eher unser Stil, Sessions zu machen und mit den Rappern eng zusammenzuarbeiten. Das kommt gut an. Außerdem hast du dadurch automatisch das Gefühl, etwas zusammen entstehen zu lassen. 

Type Beats gibt es von euch bislang nicht. 

Jonas: Ich würde auch eher einen Type Beat von mir selber machen. Warum habe ich so lange daran gearbeitet, einen eigenen Stil zu entwickeln, um schlussendlich doch jemand anderen zu kopieren? Das ergibt für mich keinen Sinn. Ja, damit kann man Geld verdienen, aber das ist auch nicht unsere erste Mission. Wir wollen als Künstler wahrgenommen werden und für einen bestimmten Stil stehen, das ist uns wichtiger. Vor allem kann man bei Type Beats meistens auch nicht kontrollieren, wer darauf aufnimmt. Bis auf wenige Ausnahmen, wie zum Beispiel »Shababs botten«, rappen auf Type Beats häufig Leute, die nicht besonders originell oder talentiert sind. Da geht es halt nur ums Geld.
Timothy: Man kann das ganz gut vergleichen mit Rappern, die Featureparts verkaufen. Wenn wir das einfach so rausgeben, können wir ein bestimmtes Niveau nicht garantieren und wie Jonas ja schon sagte, wir wollen als Künstler wahrgenommen werden und nicht bloß etwas schon Dagewesenes reproduzieren.

Den Beatles hätte man aber ja auch vorwerfen können, dass sie nur R&B- und Soul-Bands der Fünfziger immitieren.

Jonas: Ich will ja auch niemanden haten, der Type Beats macht. Das ist nur einfach ein anderes Business. Wir machen halt keine Beats zum Verkauf, sondern für Rapper, die wir feiern. Wir haben es daher auch gar nicht nötig, unseren Beats irgendwelche Etiketten zu geben wie »$UICIDEBOY$ Type Beat« oder »Shoreline Mafia Type Beat«. Allein der Gedanke ist überhaupt nicht da.

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