Jace: »Bei uns war es nie cool auf Twitter zu grinden« // Feature

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»Ich feier halt Punchlines, gute Technik und will Flows ausprobieren.« Kurze Pause. »Das klingt jetzt aber alles behindert«, lacht Jace in den Telefonhörer. Eigentlich will sich der Anfang-Zwanzigjährige nicht selbst zu ernst nehmen und vor allem nicht hinstellen als der Typ, der seit zwanzig Jahren Fitted Caps trägt und Bong raucht. Das würde auch gar nicht zu dem Hamburger passen, der erst seit zwei Jahren so richtig Rap macht. Mit 15 Jahren schmissen er und seine Jungs zwar alle einen Zwanni in den Topf, um ein Billigmic zu kaufen. Das lag dann allerdings nur rum. Bis dahin relativ 08/15 in 040. Mittlerweile hat Jace aber in den letzten zwei Jahren die Flavour Gang um sich gescharrt. Teil davon ist das Duo S.D.T., das aktuell in Holland lebt, Skool Boy, Cha Lee und – für seine Musik wahrscheinlich am wichtigsten – Produzent Maru. Mit diesem veröffentlichte er die beiden EPs »Komme vorbei« und »Vorschuss«, die dieses Jahr zwei erste Ausrufezeichen mit einer Eins dahinter setzten.

Auch der breiteren Öffentlichkeit blieb sein Talent nicht verborgen. Die Jury des Hamburger Musikerpreises »Krach+Getöse« wählte ihn zu einem der Preisträger des Jahres, und auch einen Contest des Alles-oder-Nichts-Produzenten Reaf gewann Jace quasi ohne Anlauf mit doppeltem Salto aus dem Stand und perfekter Landung. Nach der ersten EP meldete sich sogar DJ Craft von K.I.Z und gab Props. »Da bin ich fast vom Stuhl gefallen. Die habe ich früher hart gepumpt und von ihnen viel für mich mitgenommen: ironisch sein und in jede Line noch einen Witz reinkloppen.« Kein Wunder, dass das Internet bei Humor in Verbindung mit dem basslastigen Turn-up-Sound, einer Prise Autotune und einem hyperaktiven Flow Vergleiche zieht: »Wenn Fruchtmax und Ufo361 ein Kind hätten«, heißt es in der Youtube-Kommentarspalte. Ohne deren Qualität zu bestreiten, sieht sich Jace allerdings nicht in direkter Verwandtschaft. Kein Meme-artiger Internet-Rap. »Ich hab nie über das Internet connected, und bei uns war es nie cool auf Twitter zu grinden oder in irgendwelchen Gruppen rumzuhängen.«

Eines Tages meldet sich DJ Craft von K.I.Z.

Das merkt man, wenn man bei der »Vorschuss EP« genauer hinhört. Hinter den lustigen Lines blitzt ein reflektierter und talentierter Rapper durch, der auch von Selbstzweifeln nicht frei ist. Bestes Beispiel ist der Song »Augen zu«. »Ich war immer ein komisches Kind«, heißt es und auf die Frage, was aus ihm eigentlich mal wird, findet er keine Antwort. Banale Texte will Jace nicht schreiben. Und auf Turn-up folgt eben auch immer ein Morgen danach. Das Gespräch mit JUICE führt er in einer Pause während der Arbeitszeit. Am Abend des Interviews hat der Newcomer einen Auftritt, wird den Soundcheck allerdings wegen seines Jobs verpassen und auch am nächsten Tag wieder arbeiten. Das macht den Hansestädter zu mehr als nur einem vermeintlichen Ziehsohn von Fruchtmax oder Ufo361. Er und seine Flavour Gang würden es in dieser Zeit, in der »alles egal« als cool gilt, vielleicht nicht offen sagen, aber neben der einen oder anderen illegalen Substanz und dem unbestreitbaren Talent zirkuliert auch Ehrgeiz in seiner Blutbahn. Und seit wann sind Punchlines, gute Technik und krasse Flows eigentlich etwas Schlechtes?

Text: Arne Lehrke
Foto: Niklas Zeiner

Diese Feature erschien in JUICE #183 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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