J. Cole – 4 Your Eyez Only // Review

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(Dreamville / Universal)

 

Wertung: Viereinhalb Kronen

Dass J. Cole die oberen Sprossen der US-Rap-Leiter erklommen hat, ist so unwahrscheinlich wie unglaublich. Vor gut zwei Jahren holte er als erster US-Rapper mit einem Album ohne Features Doppel-­Platin. Im vergangenen Dezember dann veröffentlichte er »4 Your Eyez Only« ganz ohne Social-­Media-Push – kein Skandal, kein Beef, nicht einmal Tweets. Einzig ein ruhig erzählter 40-Minüter mit relativ unspektakulären Aufnahmen aus den Electric Lady Studios machte auf Youtube die Runde. So anachronistisch, wie sich Coles Anti-Promo zu heutigen Entertainment-Strategien verhält, so unzeitgemäß wirkt J. Coles lyrische Perspektive im aktuellen ­Rap-­­Dis­kurs. Auf seinem vierten Album spinnt der Wohlerzogene aus Fayetteville, North Carolina, seine antikapitalistische, pazifistische und emanzipatorische Erzählung weiter, die bereits »2014 Forest Hill Drive« bestimmte. Nur rappt J. Cole zum ersten Mal nicht nur aus eigener Erfahrung, sondern schließt eine weitere Perspektive mit ein: Der fiktive Charakter James McMillain Jr. ist einem verstorbenen Freund von Cole nachempfunden, sein Leben ist geprägt von Straßenstorys, früher Vaterschaft, Jahren hinter Stahlstäben und schließlich Bleikugeln im Körper des 22-Jährigen. Damit dient die Figur nicht nur als Sinnbild für das Leben vieler Afroamerikaner, 150 Jahre nachdem die Sklaverei auf dem Papier abgeschafft wurde; Cole benutzt sie auch ganz konkret, um das tragische Thema Tod aus nächster Nähe zu verhandeln und in den Kontrast des neu geborenen Lebens zu stellen. Cole, der selbst gerade Vater wurde, erklärt der hinterbliebenen Tochter McMillains im Titeltrack, dass die Realness ihres Dads allein auf seiner Liebe zu ihr beruhe und nicht auf dessen Kriminalität. Überraschenderweise funktioniert das in all seiner Cheesi­ness. Apropos: Cole gibt sich auf »Eyez« immer öfter auch als Sänger. Das steht ihm im Opener noch wunderbar, führt aber Mitte der Platte mit »She’s Mine Pt. 1« auch zum großen Problem dieses Albums: Es klingt an keiner Stelle so dringlich, wie das viele Anprangern J. Coles nahelegen würde. Stattdessen verrennt sich »Eyez« stellenweise in egalem Gedudel. In »Foldin Clothes« gesteht sich Cole die Gemütlichkeit ein, legt für seine Dame die Wäsche zusammen, schlürft Mandelmilch, gibt den Pantoffelhelden mit Netflix-Abo – und wirkt dabei einfach nur gelöst. Fast wünscht man sich, dass J. Cole für sein nächstes ­Album lupen­reinen Schlafanzug-Soul recordet.

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