»Ich feier‘ vieles von der neuen Generation voll ab« – Jan Delay vs. The Beats // Feature

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Deichkind – Keine Party (2019)

Ich liebe Deichkind. Ich glaube jede*r liebt Deichkind. Das ist ein bisschen wie früher bei Die Ärzte. Ich habe in den 90ern bei Viva in der Maske mal einen schönen Satz gehört. Da meinte eine Maskenbildnerin: »Die Ärzte nicht zu mögen, ist wie Hunde zu treten.« (lacht) Das kann man heute auf Deichkind beziehen. Deichkind nicht zu mögen, ist wie Hunde treten.

Der Song hat durch die Pandemie auf jeden Fall nochmal eine andere Bedeutung bekommen. Wie geht es dir in den letzten Monaten ohne Partys und Nachtleben?
Ich habe gar keinen Bock über Corona zu reden, aber ich vermisse das tierisch. Ich vermisse den Club, das Tanzen, Feiern, Mukke hören und auch Auflegen fast noch mehr als die eigenen Auftritte. Bei den Auftritten ist es normal, dass man danach erstmal im Studio ist und eine neue Platte macht, das bin ich gewohnt. Aber normalerweise bin ich während dieser Zeit in den Club gegangen, um mich inspirieren zu lassen und mir Input zu holen. Das ist nicht da und das fehlt mir auf jeden Fall.

Trotzdem konntest du in dieser Woche ein Konzert spielen, was aktuell schon etwas besonderes ist. Was hat das mit dir und deiner Band gemacht, in so einem Setting aufzutreten?
Das war krass. Zuerst hat man das gar nicht richtig realisiert, weil es so viel zu tun war. Sowohl an dem Tag selbst, als auch davor war es ein echter Hustle, weil alles neu war. Dann kommt irgendwann der Moment, an dem es losgeht und dann fängt es an: Ich stehe hier mit meiner Band, es klingt geil, man muss – anders als bei den Proben –  nicht mehr darauf achten, was die anderen so machen. Ab da habe ich es genossen und auch bei meiner Band gesehen, dass sie es genossen hat. Ab da ist man voller Energie und es stellt sich ein Live-Feeling ein. Zwischen den Songs ist es wieder komisch, weil man dann eine Wand anguckt und dazu drei Klatscher kommen. Aber nach dem Konzert war es krass, die Reaktionen der Leute zu sehen, die mir geschrieben haben. Wie sie geweint haben, wie sie getanzt haben und was ihnen das Konzert bedeutet. Ich habe in dreißig Jahren noch nie so viele Reaktionen auf ein Konzert bekommen. Man hat natürlich gemerkt, dass das nicht alleine deshalb so ist, weil wir so eine geile Band sind (lacht), sondern weil die Leute danach dürsten und es ihnen krass etwas bedeutet hat. Das verstehe ich auch total. Gerade in einer Zeit, in der alles scheiße ist und in der es so wenig Entertainment gibt, findet auf einmal ein Event statt. Und das ist nicht nur Live-Musik, sondern die Leute haben sich Gedanken gemacht und keine Mühen gescheut, haben sich in eine neue Garderobe geschmissen, spielen neue Songs, haben viel geprobt und neue Bandmitglieder. Man bekommt ein geiles Paket mit Premium-Entertainment, das die Leute tierisch glücklich gemacht hat. Das hat mich und die Band wiederum sehr glücklich gemacht und mir gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Auch ein Streaming-Konzert kann was und macht Menschen glücklich.

Schön zu hören, dass solche Effekte eben auch bei digitalen Veranstaltungen erreicht werden. Oft wird solchen Veranstaltungen die emotionale Wirkung ein wenig abgesprochen.
Je öfter man das machen würde, desto mehr würde sich der Effekt aber auch abnutzen.

Natürlich. Aber alleine für diese vielen Reaktionen hat es sich ja schon gelohnt. Ich nehme mal an, dass genau dieser Knall-Effekt bei einem einzigartigen Auftritt das Ziel war.
Genau, das war das Ziel. Aber ich habe es am Anfang gar nicht so gesehen. Mein Manager hat das wahrscheinlich gesehen, aber für mich war das erst nur ein Streaming-Gig. Ich habe die Tragweite und dieses Momentum erst hinterher gecheckt. Das ist wahrscheinlich auch gut so. (lacht)

Tightill – Rudi Völler (2018)

Ist das Tightill? Den mag ich gerne, feier‘ ich. Erst ist auch gerade erst in meine Hood in Hamburg gezogen. Den Song kannte ich allerdings noch nicht. Er hört sich original an, wie eine Mischung aus Abdi und Romano, zumindest auf diesem Song. Sonst klingt es ein wenig anders. Als ich Tightill zum ersten Mal gehört habe, habe ich Marteria den Song direkt weitergeschickt und meinte, dass er sich anhört, wie eine Mischung aus Marsimoto und Jan Delay. (lacht)

Marteria – Paradise Delay (2021)

Finde ich voll schön. Das gemeine an der Zeit und dem Hustle ist, dass ich jetzt das erste Mal dazu komme, den Song in Ruhe und bewusst zu hören und nicht nur als Snippet oder nebenbei.  Dadurch, dass es aktuell keine Clubs oder andere Orte gibt, an denen man bewusst Musik hört, muss man halt bis zu einem Interview warten. Ich nehme den jetzt richtig bewusst war, voll schön.

Marteria ist auch auf deinem Album zu hören. Dort geht es auch ums Nachtleben, aber mit einer ganz anderen Perspektive.
Das stimmt natürlich. Aber das ist gar nicht so sehr der Grund, warum ich ihn auf den Song geholt habe. Ich habe ihn dort einfach gehört. Als ich den Beat und meinen eigenen Part hatte, dachte ich, dass dort eine Rapstrophe kommen muss, die runtergefiltert ist – das muss Marten rappen.

Ist das oft so, dass du so entscheidest, wo du Features brauchst?
Das ist eigentlich immer so. Außer vielleicht bei Denyos Parts auf dem neuen Album. Da habe ich einfach gesagt: »Auf dem Song ist noch Platz. Wo würdest du gerne drauf rappen?«

Am meisten hat mich das Feature von Summer Cem überrascht.
Da war es genauso. Ich habe den Beat gehabt, der prädestiniert dafür ist, dass dort jemand spittet. Ich habe diese Art von Beat und Vibe und überlege dann, welche Leute ich darauf höre. Da gibt es ein paar mehr, aber die bedeuten mir nicht so viel. Von den Leuten ist dann Summer Cem jemand, der aus dieser Modus-Mio- oder Shisha-Bar-Welt kommt. Er ist aber auch jemand, der seine Rapper-Ära hat, der einen geilen Reim findet und aus einer anderen Zeit kommt. Dadurch bringt er einen anderen Swag mit. Deshalb habe ich ihn da gehört. In letzter Zeit hat er oft Sachen rausgebracht, die ich gut fand. Deshalb hatte ich ihn direkt im Kopf.

Disarstar – Nachbarschaft (2021)

Kannst du mit Disarstar etwas anfangen?
Voll. Ich mag seine Platte, die ist total rund. Ich habe ihm auch geschrieben, dass ich seine früheren Sachen schon cool fand, aber es war immer ein wenig zu anstrengend, ich konnte nicht so richtig kleben bleiben. Jetzt ist es rund und ich finde die Platte echt cool. Natürlich ist das keine »Ich dance durch die Wohnung«-Musik. Aber er hat was zu erzählen, schafft gute Bilder und hat seinen eigenen Style. Da hört man gerne zu und bleibt kleben. Das ist doch das wichtigste.

Wie stehst du zu seinen politischen Ansichten? Passen die zu dir?
Klar. Das passt zu mir, das passt zu Hamburg. Es wundert mich nicht, dass so jemand dann aus Hamburg kommt. Das ist gut und wichtig. Ich finde es schade, wenn immer so eine Sparte wie »Polit-Rap« oder »Links-Rap« aufgemacht wird. Denn die Leute machen auch einfach gute Musik und man tut die Musik zu einer Theorie ab, als ob sie dort nur Marx verhandeln. Dabei sind das genauso gute Rapper, die geile Beats haben. Ich würde mir wünschen, wenn so ein Rookie kommt, der fresh ist und es schafft, so ein starkes Gesamtbild zu bringen, dass das dementsprechend überall gewürdigt wird. Nicht nur in solchen Kreisen, wo man die Texte hört und auf die Demo geht, sondern auch in anderen Kreisen, die er selber anspricht. Ich fände es geil, wenn das auch bei der Fußballer-Frau im Range Rover läuft. Das passiert in anderen Ländern. Wenn die Mukke und Kunst nur gut genug ist, dann ist es egal, wovon erzählt wird. Dann findet die Musik ihren Weg in den Range Rover. Das würde ich mir wünschen.

Foto: Thomas Leidig

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