HAZE – BROT & SPIELE // REVIEW

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Wertung: Viereinhalb Kronen

(Alte Schule Records)

Immer, wenn du als klebengebliebener Royal-Bunker-Ulltra so richtig die Nase voll hast vom cleanen, inhaltsleeren Deutschrap-Mainstream unserer Zeit, kommt eine neue Platte von Haze um die Ecke und zwingt dich dazu, dich entschlossener denn je zu deiner alten Liebe zu bekennen. Das war schon vor zwei Jahren so, als »Die Zwielicht LP« kurzzeitig einen tiefschwarzen Vorhang vor einer sommerlichen Afro-Trap-Pool-Party aufzog und im Sonnenuntergang vor sich hin glitzernden Plastikpalmen eine fette Ladung schlechter Laune, trockener Wahrheit und nächtlicher Verruchtheit entgegensetzte. Wenn »Haze in der Luft« liegt, gibt ein gradliniges Eastcoast-Ambiente den Ton an, das wenig kompromissbereit und – angetrieben durch eine dämonische Mixtour aus Eleganz und Dickköpfigkeit – einen verächtlichen F*ck auf Mode, Spaßkultur und Zeitgeist gibt. Warum auch? Haze hat seinen wellig-wohligen, badisch-jugoslawischen Sprachfluss auf analog anmutenden Polter-Beats und heulenden Gitarren-Samples unlängst als Signature-Sound der »Karlsruher Schule« manifestiert. Thematisch betritt Haze mit seinem nunmehr dritten Studioalbum allerdings trotzdem neues Terrain. Dass er seinen Intro-Song mit der bedeutungsschwangeren Feststellung »Brot und Spiele lenken dich vom Elend ab« antritt, ist direkt als klares Signal zu werten: Haze hat lange genug selbstreferenziell gerappt. Diesmal geht’s ans Eingemachte. »Brot und Spiele« ist – mehr als alle vorangegangenen Alben und Mixtapes – eine konzeptioniertes Projekt, das eindeutig einer sozialkritischen Linie folgt. Haze hat die Schicksale in seiner unmittelbaren Umgebung beobachtet: Die Fixer und Säufer am Umsteigebahnhof, die auf Ewig Ausgeschlossenen und die alten Bekannten, die inzwischen Steine rauchen und ihr Leben verfluchen. Diejenigen, die im Schatten der Nacht zu Opfern polizeilicher Willkür werden aber eben auch jene graue Masse, die gleichgültig dreinblickend zwischen Arbeitsplatz und Pro-7-Abendunterhaltung hin und her oszilliert. Haze’ Sicht auf die Dinge ist resigniert und beinahe so dystopisch, dass sie nicht davor gefeit ist, in verschwörerische Gefilde abzudriften. Denn die aus der Zeit des römischen Reichs stammende Brot-und-Spiele-Theorie, unter deren Dach Haze alle Ungerechtigkeiten dieser Welt zu bündeln versucht, lenkt den Blick mit großer Sicherheit zu einseitig auf eine unsichtbare Elite, die alles daran zu setzen scheint, die sogenannten »neunundneunzig Prozent« mit üblen Tricks von Wesentlichen abzulenken. Weil es diese Elite nicht gibt, greift diese Theorie zu kurz und ist gewiss zu unfundiert, um ernsthaft progressiv zu sein. Die perfekte Atmosphäre für »Hase« und sein unverkennbares Kunstverständnis schafft die Formel am Ende aber dennoch.

Text: Alex Barbian

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