Future: »Es ist doch ­schmeichelhaft, wenn andere Rapper deine Techniken kopieren.« // Interview

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Future war ein unermüdlicher Mixtape-Hustler aus dem Kreis der zweiten Generation der Dungeon Family, bevor er vor zwei Jahren zeitgleich mit Waka Flocka Flame und 2 Chainz der Stadt Atlanta wieder Bling und ein kreatives ­Alleinstellungsmerkmal ­verlieh. Weird, wie in Sirup getränkt und außerirdisch klangen die eingängigen 808-­Balladen des Auto-Tune-Astronauten. Und nach seinem Major-Debüt »Pluto« ­erwachte Future in einem neuen Bugatti – neben seiner »Trophy Wife« Ciara.

In der folgenden Spielzeit riss die Hook-Maschine Nayvadius Cash gefühlt mehr Features runter als Weezy anno ’07 und verdingte sich als Ghostwriter für ­dekorierte R’n’B-Sternchen. Er verankerte die ­Produktionskünste von Mike WiLL Made It im Mainstream, penetrierte die Billboard-Charts mit hypnotischem Gejohle und dient so der heutigen Rap-Generation seiner Heimatstadt um Migos, Rich Homie Quan und Young Thug als wichtiger Bezugspunkt. Zuletzt veröffentlichte er den starken Labelsampler »F.B.G.: The Movie« seiner Freeband Gang, der bei DatPiff Platin ging und sich in einigen Jahresbestenlisten wiederfand. Future kann für Pusha T Dope-Hymnen anstimmen und zur gleichen Zeit mit Miley Cyrus Weltall-Kitsch säuseln. Seine Integrität bleibt davon unberührt. Als Voract auf Drakes »Would You Like A«-Tour wurde er wie ein Superstar empfangen. Nun ist sein zweites, mehrfach verschobenes Album »Honest« tatsächlich erschienen.

Als wir vor zwei Jahren zur ­Veröffent­lichung von »Pluto« miteinander sprachen, meintest du, du willst größer sein als Rap und in neue Dimensionen vorstoßen. Ist dir das gelungen?
Ich bin in einer großartigen Position und mit meiner Entwicklung sehr zufrieden. Seit ­»Pluto« erschien, habe ich noch ­besser verstanden, was es heißt, große Hits zu schreiben, und wie Hits eine Karriere ­verändern können – auch was Auftritte und die geschäftlichen Entscheidungen angeht. Ich denke, dass ich in jedem Segment einiges dazugelernt habe.

Du warst Support-Act auf der Nordamerika-Tour von Drake. In diesem Zusammenhang sprachst du von einem Neuanfang. Wie genau sah dieser aus?
Es war meine erste Tour überhaupt. Und da die Zuschauer nicht unbedingt ­meinetwegen auf die Konzerte kamen, hatte ich die ­Möglichkeit, eine neue Hörerschaft zu erschließen. Nicht jeder Drake-Fan kennt zwangsläufig meine Musik. Aber ich denke, ich konnte einige überzeugen. Für mich war das eine einmalige Chance, die sich wie ein neues Kapitel oder der Anfang zu etwas Großem anfühlt.

War das dein Karrierehöhepunkt bisher? Das Cover der Source soll dir ja auch einiges bedeutet haben.
Einen konkreten Punkt dafür festzumachen ist schwierig. Mir ist es wichtig, relevant zu bleiben und die Möglichkeit zu haben, meine Vielseitigkeit und Kreativität ausleben zu können. Dass die Fans meine ­verschiedenen Styles zu schätzen wissen und mir ihr ­Vertrauen schenken, ist die Basis dafür.

»Dein Status und dein Fame sollten keine Rolle spielen, wenn du Kunst schaffst.«

Ich hatte leider noch nicht die ­Möglichkeit, in »Honest« reinzuhören. Würdest du sagen, dass du dich als Songwriter weiterentwickelt hast?
Ich habe sehr viel Neues ausprobiert und rumexperimentiert. Als Songwriter ist es das Wichtigste, kreativ zu bleiben, neue Ideen einzubauen. Mit den simpelsten Mitteln lässt sich schon so viel erreichen. Es kann eine ­aktuelle Situation sein, die mich inspiriert, oder eine Erfahrung aus der ­Vergangenheit. Ich konserviere all meine Gefühle und greife beim Schreiben auf sie zurück. Dein Status und dein Fame sollten keine Rolle spielen wenn du Kunst schaffst. Man muss den Menschen verbunden bleiben. Ich ziehe viel Inspiration aus Beobachtungen und ­alltäglichen Gesprächen mit Menschen ­unterschiedlichster Herkunft.

Denkst du überhaupt in klassischen Songstrukturen: Strophe-Refrain-Strophe? Wenn man deine Musik hört, könnte man meinen, du versuchst mit Traditionen zu brechen.
Ich versuche immer, außerhalb des ­vorgegebenen Rahmens zu denken und mich von Gegebenheiten nicht einschränken zu lassen. Ein guter Songwriter hat die Gabe, sich in andere hineinversetzen zu können. Er stellt sich Fragen: Wie fühlt diese Person? Wie sieht sie bestimmte Dinge? Du musst eine Stimme für die Leute sein, eine »people person«, und ein Szenario entwerfen, mit dem sie sich identifizieren können. Wenn ich schreibe, versuche ich herauszufinden, was ein bestimmter Mensch empfinden und mit meinem Song verbinden könnte.

Dein Cousin Rico Wade war dir ein früher Lehrer, was das angeht. Wie stark ist er immer noch in deine Karriere involviert?
Uns verbindet eine Blutsverwandtschaft, von daher wird er immer Teil meines Lebens sein. Ich will das gar nicht hinsichtlich meiner ­Karriere beantworten, da mir unsere Verbindung so viel mehr bedeutet. Auch wenn ich nicht mehr tagelang mit ihm im Studio bin und wir uns länger nicht sehen, weiß ich, dass er immer für mich da ist. Er ist wie ein Vater für mich, der mir das alles erst ermöglicht hat.

Durch deine Beziehung zu Ciara führst du ein Jet-Set-Leben zwischen ­Atlanta und L.A. Inwiefern hat die neue ­Umgebung Einfluss auf die Arbeit an »Honest« gehabt?
Kunst kennt keine geografischen ­Grenzen. Aber klar: Die Atmosphäre dort hat mein Schaffen beeinflusst. Ich glaube auch, dass es mir als Schreiber, der sich ­ständig in ­andere Umgebungen ­hineinversetzt, leicht fällt, mich an einem neuen Ort ­zurechtzufinden.

»Immer, wenn ich mit DJ Khaled im Studio bin, entsteht etwas ganz Spezielles.«

Bevor du als Solo-Künstler Erfolg hattest, warst du Ghostwriter. Unter ­anderem für YCs Platin-Single »Racks«. Du schreibst auch heute noch für ­Kollegen. Setzt dich die Situation, in der Leute einen Hit erwarten, unter Druck?
Es kam nie soweit, dass ich nicht liefern konnte. Dem Druck setze ich mich gar nicht erst aus. Ich weiß, wie man einen Hit schreibt, und dass er immer organisch ­entstehen muss. Je mehr du es forcierst, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit zu scheitern. Wenn ich schreibe, dürfen solche äußeren Faktoren aber keine Rolle spielen.

Gibt es Ghostwriter-Jobs, die du ­aus Prinzip ablehnen würdest?
Nicht grundsätzlich. Aber es muss der richtige Zeitpunkt sein und sich natürlich anfühlen.

Was war die beeindruckendste ­Situation, die du in den vergangenen Jahren im Studio erlebt hast?
Immer, wenn ich mit DJ Khaled im Studio bin, entsteht etwas ganz Spezielles. Er hat eine unfassbare Aura und eine ­wahnsinnige ­Motivation, die er in seine Arbeit legt – und die in der Kabine auf alle inspirierend wirkt. Es ist meistens nur ein kurzer, aber ­magischer ­Moment, den wir einfangen, und dann auf Platte pressen lassen.

Besteht eigentlich die Möglichkeit, dass wir dich eines Tages ohne Auto-Tune-Effekt hören werden?
Diese Möglichkeit besteht. (lacht) Ganz ­bestimmt. Als Künstler willst du dich ­schließlich immer neu erfinden, und das wäre schon eine Möglichkeit für mich.

Atlanta hat in den letzten ­Monaten viele junge Talente und Trends ­hervorgebracht. Fühlst du dich der ­»Bewegung« verbunden?
Ich denke, dass ich in gewisser Weise Türen geöffnet und vielen Künstlern den Weg geebnet habe. Natürlich beobachte ich die Entwicklung mit Interesse und bin gespannt, was da noch nachkommt. Das hilft der Stadt, noch größer und einflussreicher zu werden. Wie sollte ich neidisch auf diese Künstler sein? Ich liebe es, wenn Leute ihren Respekt bekommen, und ich mag es auch, andere Leute gewinnen zu sehen. Das ist Karma. Man muss zuverlässig bleiben, fleißig ins Studio gehen, und man darf sich nicht von anderen reinreden lassen.

Du nennst deine Nachahmer »Swagger Snackers«.
Und selbst ihnen gegenüber hege ich nur ­positive Gefühle. Das ist doch ­schmeichelhaft, wenn andere Rapper deine Techniken kopieren. Wenn ich eines Tages behaupten kann, dass ich den Sound von ­Atlanta nachhaltig geprägt habe, dann kann ich auch ruhigen Gewissens in den ­Ruhestand gehen. ◘

Dieses Interview ist erschienen in JUICE #159 (hier versandkostenfrei nachbestellen).

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