»Mir hat niemand ein Burnout bescheinigt, aber: Ich war auf dem Weg dahin« // Fatoni im Interview

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Und wie hast du Dirk nun kennengelernt?
Ganz unromantisch: Der Mensch, der sich um meine Konzerte kümmert, kümmert sich auch um die von Tocotronic, und er hat das eingefädelt. Ich dachte eh: Dirk von Lowtzow ist vermutlich der meistangefragte Feature-Gast und lehnt per se alles ab, aber das hat er nicht gemacht. Ich wollte eigentlich, dass er selbst was schreibt, aber er meinte, das würde auf dem Song komisch wirken, außerdem würde ihm gerade nichts einfallen, und dann habe ich das übernommen. Und dann hat Dirk von Lowtzow tatsächlich meinen Text eingesprochen, totaler Ritterschlag!

Du hast immer schon Rap aus dem Leben gemacht, wenn auch nicht zwangsläufig aus deinem eigenen. Sollte Rap nach deinem Verständnis nah an der Wirklichkeit sein?
Das ist ja die uralte Debatte. Ich kann mit diesen HipHop-Regeln aber nichts anfangen und finde es komisch, dass ein Sänger Dinge machen darf, die ein Rapper nicht dürfen sollte. Für mich persönlich wird Rap eh immer mehr Kunstform und weniger Ausdruckswerkzeug der eigenen Identität. Warum soll man als Rapper nicht auch in eine Rolle schlüpfen dürfen? Daher habe ich auch die Line aus dem Song »Rap ist« von Megaloh – den ich sehr schätze – nie verstanden, die von allen so gefeiert wurde: »Einzige Mucke, wo du das, was du sagst, auch verkörpern musst.« Ich sehe das anders. Man darf alles rappen, Rap darf alles sein. Klar, Authentizität ist wichtig, aber ich übersetze das nicht 1:1.

Woran liegt es, dass man im HipHop engstirniger ist? Ist das überhaupt noch so?
HipHop wollte sich früher immer abgrenzen vom bösen Pop, aber heutzutage ist das doch eh hinfällig geworden. Da laufen Sachen unter Rap, die de facto kein Rap sind und nur deshalb als Rap durchgehen, weil mit dem Gestus von Rap gespielt wird. Die Diskussion gab es ja bei Casper auch schon, aber der hat immerhin gerappt. Heute singen Leute aber über Pop-Produktionen. Ich will gar nicht der alte, hängengebliebene Mann sein, aber da bin ich halt ausgestiegen. Das wurde für mich immer alberner. Alle sagen jetzt: »Deutschrap hat so viel erreicht, Deutschrap ist die größte Musik«, aber: Nein, das ist kein Rap.

»HipHop hat sich entwickelt, ich mich aber nicht – oder zumindest in eine andere Richtung«

In nahezu jedem Interview, jedem Text über dich geht es um die von dir nach außen getragene Ambivalenz, das Nicht-so-wichtig-Nehmen, deine Ironie. Nervt dich die Fokussierung auf diese Attribute?
Ich versuche mich immer in Gelassenheit, aber es nervt schon ein bisschen, obwohl es natürlich nicht falsch ist.

Was würdest du gerne mal über dich lesen, was noch nie irgendwo gestanden hat?
Ich bin nicht so narzisstisch, dass ich schon mal darüber nachgedacht hätte. Aber seit »Yo, Picasso« habe ich schon recht viel Gutes über mich gelesen, auch so was wie: »Einer der besten Texter Deutschlands« – ohne dass ich das von mir selbst sagen würde. Obwohl: Finde ich eigentlich auch. (grinst)

Im Interview zu »Im Modus« hast du gesagt, es gebe gerade eine Deutschrap-Blase, in der alles gleich klingt, an der du in Songs wie »Clint Eastwood« auch recht deutlich Kritik übst. Ist das seither noch schlimmer geworden?
Ja – dabei wollte ich nie dieser Generation über mir angehören, die alles Neue kacke findet. Aber irgendwann habe ich mich dabei erwischt, wie ich vor Youtube gesessen und nur noch den Kopf geschüttelt hab; und da habe ich gemerkt: HipHop hat sich entwickelt, ich mich aber nicht – oder zumindest in eine andere Richtung.

Ist aber vielleicht normal.
Total! Es ist doch immer so: Du fühlst Musik nie so sehr wie mit 17, mit der Irrationalität der Pubertät, wo alles noch identitätsstiftend ist. Nie wieder wird da irgendwas rankommen. Musik verliert im Lebensverlauf an Wertigkeit, sobald sich der Hormonhaushalt eingepegelt hat.

Hättest du gedacht, dass ein Song wie »D.I.E.T.E.R.« – gemeint ist Dieter Bohlen – durch Capital Bra plötzlich so aktuell werden könnte?
Das Schlimme beim Schreiben eines solchen Songs ist ja: Diese Figur wird mich nun verfolgen, weil mich irgendwelche Spaßvögel jetzt für immer unter irgendeinem Scheiß von ihm verlinken werden. Das hatte ich bei Mike Skinner auch, aber den mochte ich zumindest.

Wie ist deine Meinung zu »Cherry Lady«?
Ich habe den noch gar nicht gehört. Aber ist der musikalisch so krass anders als der Track mit Juju? Und wer jetzt erst checkt, dass das musikalisch letztlich nichts anderes ist als Modern Talking früher, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Dass die beiden kollaborieren und eine gemeinsame musikalische Ebene finden, wundert mich null. Ich finde ja auch: Dieter Bohlen ist ein Provokateur, ein Punchliner, so was wie der Pop-Bushido. Eigentlich feiere ich ihn dafür. Zumindest ein kleines bisschen.

Das Albumcover stammt von Klaus Voormann, einer Musiker- und Grafiker­legende. Wie bist du da rangekommen?
Ich habe den einfach angeschrieben, ich hatte ja nichts zu verlieren. Klaus hat mir sehr schnell geantwortet, und dann habe ich ihn am Starnberger See besucht. Und es ist wirklich krass, was der Typ alles gemacht hat: Hunderte Cover – Beatles, Mando Diao, Turbonegro –, aber der hat auch als Bassist eine unfassbare Weltkarriere hingelegt, mit den Beatles, B.B. King, Eric Clapton, Lou Reed und der Manfred Mann’s Earth Band gespielt – richtig krass!

Beim Blick auf deine »Theatrografie« auf Wikipedia klafft seit 2015 ein Loch. Gibt es Bestrebungen, es zu stopfen?
Man weiß nie, was das Leben noch für einen bereithält – ich lebe ja erst seit vier Jahren von Rap und werde sicherlich auch keine Millionen damit verdienen. Ich würde gerne gute Sachen drehen, aber etwas Geiles zu finden und davon leben zu können, ist ein krasserer Hustle, als deutscher Rapper zu sein.

Im Februar hast du mal getwittert: »Wie demütigend ist es, in der Sauna von einem Fan erkannt zu werden?« Beschreib mal die Situation.
Da war ein Pärchen, der Dude hat mich erkannt und es tuschelnd seiner Freundin erzählt. Ich hatte noch einen Bademantel an, aber unangenehm war es trotzdem. Dann hab ich viel Zeit im Dampfbad verbracht, damit er später nicht seinen Jungs erzählen kann, was für einen kleinen Yarak ich habe. (grinst)

Was war dein schönstes Fan-Aufeinandertreffen bisher?
Das war in München. Da bin ich mal an so einer peinlichen Mügida-Demo von zehn Leuten vorbeigegangen und habe mir das mit Kopfhörern im Ohr belustigt angesehen. Irgendwann hat mich ein Bulle angesprochen, ich hab ihn wegen der Kopfhörer nicht verstanden, war aber direkt anti, weil ich dachte, der will mir ans Bein pissen. Ich also voll aggressiv: »Ja, bitte, was denn?!« Und der dann nur zu mir im tiefsten bayerischen Dialekt: »San Sie der Fatoni? Super Musi!«

Text: Daniel Schieferdecker
Foto: Jan Philip Welchering & Simon Hegenberg

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