Errdeka: »Ich möchte mich auf jeden Fall beweisen« // Interview

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Auf dem JUICE-Cover schon vor dem ersten Album? Für Raphael Endraß aka eRRdeKa war das so. Trotzdem haderte der Augsburger nach dem Erstling »Paradies« mit seiner Rolle als »Rapunderdog«. Nach einem Mixtape mit seiner Eyeslow Gang ist er jetzt mit Album Nummer drei zurück – ohne Feature von Labelboss Prinz Pi, dafür mit einer Symbiose aus den letzten beiden Alben. Eigentlich will er für seinen Berlinbesuch anlässlich »Solo« die neue supermegaschnelle Zugverbindung von München aus testen. Mehr als doppelt so viele als die angedachten knapp vier Stunden später treffen wir uns am Abend für ein langes Gespräch über Techno, Texte und Tiraden von Mauli.

Wie läuft es mit dem Buch, das du vor drei Jahren angefangen hast zu schreiben?
Ach, ich hab immer voll viel Bock auf Tausende Sachen, statt mich auf ein Ding zu konzentrieren. Ich hab ein paar Kurzgeschichten geschrieben, hatte aber kein Konzept und schnell gemerkt, dass es dann doch nichts für mich war.

Hast du noch andere Kanäle neben der Musik?
Wenn ich nicht rappe, dann produziere ich Rap-Beats und Techno. Da stehen auch bald zwei Releases bei einem englischen Techno-Label an, außerdem hab ich eine eigene Veranstaltungsreihe. Damit habe ich die letzten zwei Jahre viel Zeit verbracht. Und ich mach Grafikdesign.

Wie unterscheidet sich denn die Herangehensweise von Rap von Techno?
Rap ist mit mehr Aufwand verbunden. Ich versuche textlich und inhaltlich stark zu sein. Bei Techno erwartet niemand etwas von mir, da kann ich frei ins Blaue reinproduzieren. Dementsprechend ist das Produzieren sehr erfrischend, weil ich loslassen und einfach machen kann. Bei Rap-Beats habe ich Ideen, aber das kann ich noch nicht so ausproduzieren. Da muss ich noch etwas lernen.

Gehst du im Rap manchmal Kompromisse ein, damit es leichter verständlich ist?
Ja, mittlerweile schon. Ich will oft zu poetisch und kryptisch sein, gleichzeitig aber auch Interpretationsspielraum lassen, damit die Hörer ihre eigene Story hineindenken können. Oft läuft es auf einen Mittelweg hinaus.

Hat das auch so viel Zeit in Anspruch genommen? Dein letztes Album ist ja zweieinhalb Jahre her.
Ich wusste nicht so genau, wie es klingen soll. Ich hatte auch eine Schreibblockade und wusste nicht mehr, ob HipHop überhaupt mein Ding ist. Dann hab ich mich aufs Produzieren konzentriert und Rap zur Seite geschoben, weil ich nicht inspiriert war. Irgendwann hat es dann wieder klick gemacht und ich hab fünf Tracks an drei Tagen geschrieben.

Ist das neue Album die Symbiose aus den vorherigen beiden Alben? Poppige Sachen wie auf »Paradies« und straighter Battlerap wie auf »Rapunderdog«?
Das kann man so sagen. Ich wollte das vermischen, weil ich beides mag: den nachdenklichen Style und den straighten Rap. Ich wollte mich natürlich auch weiterentwickeln und denke, das ist mir gelungen.

Du hast dieses Mal wieder mit Producer Max Mostley zusammengearbeitet, aber auch mit Jules Kalmbacher und Benedikt Maile. Die sind eher Songwriter, oder?
Voll. Max Mostley hatte eine Zeit lang ein bisschen Struggle, und wir haben uns etwas aus den Augen verloren. Außerdem dachte ich, dass ich mal was Neues ausprobieren muss, weil ich schon zwei Alben mit ihm gemacht habe und wir beide sehr spezielle Menschen sind. Ich bin dann auf meinen Verlag zugegangen, und die haben mir Jules in Mannheim empfohlen. Ich hab ihn besucht, wir haben uns gut verstanden und ich hab ein paar Synthesizer mitgebracht, auf die ich Bock hatte. Dann haben wir Tracks gemacht und zeitgleich ist der Kontakt mit Max Mostley wieder enger geworden, der dann doch wieder den Großteil produziert hat. Aber mit Jules habe ich Tracks gemacht, die hätte Max wahrscheinlich nicht produziert. Die wären ihm zu einfach gewesen, während seine Sachen eher sperrig sind. Die Kombo aus beidem finde ich echt geil.

Man kann auch hören, wer welche Songs produziert hat. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit beiden?
Von Max hatte ich noch ein paar Beats, ein paar hat er mir auch noch geschickt – das lief über die Distanz. Die Sachen mit Jules haben wir zusammen produziert. Wir waren im Studio und haben Loops und Skizzen gebaut. Dann habe ich in der Studiosession oder zu Hause geschrieben. Ich fand es aber sehr spannend, während der Produktion mit dabei zu sein. Bei »Sterben« stand zum Beispiel eine alte Orgel im Studio, und die habe ich dann eingespielt. Deshalb liegt der Track mir sehr am Herzen.

Siehst du dich immer noch als Rap-Underdog?
Ich möchte mich auf jeden Fall beweisen. In Berlin treffen sich die Leute halt viel häufiger und hängen auch mal zusammen. Da ich aber immer noch in Augsburg wohne, werde ich von vielen Leuten nicht wahrgenommen und nicht so wertgeschätzt. Zumindest kommt es mir so vor.

Bist du allgemein ein glücklicher Mensch?
Kann man das über sich selbst sagen? Ich bin eher ein kleiner Pessimist und mache mir viel zu viele Gedanken. Insofern: nein – auch wenn das jetzt nach Drama klingt. Ich kann mich superschnell über Dinge freuen, aber ich bin genauso schnell abgefuckt.

»Ich habe viele Tracks, wo ich jemanden umgebracht habe.«

Ich frage, weil das Album emotional extremen Stimmungsschwankungen unterliegt. Auf dem Song »Messer« bringst du sogar jemanden um. Wie kommt man darauf?
Das habe ich mich auch gefragt. Ich habe viele Tracks, wo ich jemanden umgebracht habe. »Ave Maria« ist ja quasi der Vorspann von »Messer«, wo ich mehr die Konsequenzen trage. Vielleicht verarbeite ich so Beziehungsstress oder so – überspitzt natürlich. Vielleicht habe ich auch zu viele Filme gesehen. Ich hatte einfach das Bild im Kopf, wie ich mit einem Messer in der Hand eine Allee runterlaufe.

Also ist das alles nah an deiner echten Person?
Es ist alles sehr nah, ja. Ich bin aber eigentlich ein superlustiger Mensch. Ich mach den größten Scheiß mit meinen Kumpels. Ich würde auch gerne mal entsprechende Songs machen, aber irgendwie passiert das nicht. Das wäre ein zu starker Kontrast zu dem, was ich aktuell mache. Da bräuchte es vielleicht einen anderen Namen für ein anderes Projekt.

Ist die Assoziation mit Prinz Pi eher Fluch oder Segen?
Wird das denn noch so wahrgenommen? Es liegt halt nah, wegen des Labels. Natürlich war es für mich ein Kompliment, weil ich Friedrich immer abgefeiert habe. Die neuen Sachen sind nicht mehr so ganz mein Fall, trotzdem respektiere ich ihn zu 100%, weil er alles selbst macht, intelligent ist und alles aufgesaugt hat wie ein Schwamm.

Nerven dich solche Sachen wie die ganzen Lines gegen dich auf Maulis »Spielverderber«-Album?
Ich habe vor allem nicht verstanden, wieso er das macht. Ich würde so was nur machen, wenn ich mit jemandem ein krasses persönliches Problem hätte. Mich hat es schon genervt, aber es war mir auch schnell wieder egal. Wenn jemand, den ich krass wertschätze, das machen würde, wäre ich in meinem Stolz angekratzt. Aber Mauli kannte ich vorher gar nicht.

Text: Arne Lehrke
Foto: Ewelina Bialoszweska

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #185. Aktuelle und ältere Ausgaben könnt ihr versandkostenfrei im Shop bestellen.

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