(OVO Sound/Young Money/Cash Money)
Wenn diese Review erscheint, ist schon wieder alles zu spät. Aubrey Graham hat längst wieder sämtliche Web-Rekorde gebrochen und der dubiosen Chefetage von Cash Money die nächsten Millen ins Portemonnaie gespült. Darum, wie mit diesem Release umzugehen sei, hat man derweil nicht nur im Label-Office, sondern auch im Internet fleißig gerungen: Monetarisiertes Mixtape oder doch Album ohne Hit-Single? Dabei ist Drakes jüngster Streich vor allem eines: die ultimative Skizze. Wenn im Opener »Legend« Ginuwine so arg durch den Filter gejagt wird, dass nicht viel mehr als ein Durchschlag der Neunzigerjahre-R’n’B-Ikone bleibt, auf der Drake zum salopp gesungenen Egogetrippe ansetzt, dann deutet sich hier bereits der Horizont an, den dieses Release aufmacht. Hochmütig war er schon immer, mit »If You’re Reading This …« packt er nun noch eine Schippe drauf. Denn so eigensinnig und vielseitig wie auf diesen 68 Minuten hat Drake auf keinem seiner Studioalben geklungen. Da werden Beat-Switches so nonchalant vollzogen wie in dem heimlichen Hit »Know Yourself«, während Strophen und Hooks wie in »10 Bands« in- und auseinandergehen, bis man sich innerlich endgültig klassischer Songstrukturen entsagt. Immer wieder klingen die von Noah »40« Shebib und Boi-1da in eine Spur gebrachten Beats nach Entwürfen, die entsprechend ausproduziert ein klassisches Hitalbum im Pop-Sinne bedienen könnten. Und genau da zeigt sich die große Geste. Cash Money signte Aubrey Graham einst als Rapper/Sänger, der seine Karriere mit »Best I Ever Had« einleitete, einer klassischen Radio-Single. Doch mit Hits braucht dem Jungen aus der 6 heute wirklich niemand mehr kommen. Dass Drake »If You’re Reading This …« als Mixtape geplant hat, Cash Money das Ding jedoch als Album releast, führt zum Doppel-Win für Drizzy. Der arbeitet sich damit aus seinem Vier-Alben-Deal und wirft nebenbei so frei mit Ideen um sich, wie es in der oberen Rap-Riege lange keiner gewagt hat. Wäre doch nur jedes Album ein Mixtape.