DJ Koze vs. The Beats: »Die Idee, dass elektronische Musik rocken soll, finde ich ätzend« // Feature

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In den frühen Neunzigern gründete er mit Fischmob die experimentellste Crew der Hamburger HipHop-Schule, editierte als Adolf Noise Chillout-Hörspiele und mixte sich nach der Jahrtausendwende zu einem der gefragtesten DJs des Landes. Mit seinem vierten Soloalbum »Knock Knock«, das Disco-Diggertum und Sample-Schnipselei verbindet, erscheint nun das schlüssigste Werk seiner Karriere. Dass das Herz von Kosi noch immer an echtem Rap hängt, zeigte sich beim Vs. The Beats in einem Berliner Nobelhotel.

Fischmob
Du (äh, du) (1998)


Ihr habt damals schon offen über ­chemische Drogen gerappt: ein ­absolutes Novum in der HipHop-Szene vor zwanzig Jahren.
Stimmt, das haben wir ziemlich früh gemacht. (grinst) Aber fällt dir auf, woher die Idee zu dem Beat stammt?

Ist das nicht die Gitarre aus »Rap Song« von den Black Eyed Peas?
Nein, »Got Til It’s Gone« von Janet Jackson und Q-Tip mit J Dilla. Es ist zumindest der Versuch einer Kopie.

Waren Fischmob denn die ersten deutschsprachigen Dada-Rapper?
Dada waren wir nie. Das war einfach unser Humor, der das Dadaistische gefeiert hat, aber wir hatten nie ganze Texte, die komplett abstrakt waren. Cloud Rap und Yung Hurn beruhen ja eher auf der amerikanischen Idee, die Vocals als Instrument zu begreifen: Man formt sich einen schönen Slang und es bleibt am Ende, faszinierenderweise, noch immer Deutsch. Die gehen weg vom Inhalt und mehr auf die Form. Und das reicht! Das reicht mir auch bei Young Thug. Da muss ich nicht genau wissen: »Wann hat er gestern genau Codein genommen? Krass, die Bitches nerven ihn schon wieder – interessant.« Man hört ja sofort weg. Vielleicht wirkt das entlastend in unserer Zeit, dass man in der Musik nicht auch noch Content braucht.

Du hast damals auch schon Hörspiele gesamplet und später absurde Interludes zu deinem Trademark gemacht.
Das war einfach der Flash. Kifferhumor. Märchenplatten und überhaupt deutsche Schallplatten zu diggen, sechs Tracks übereinander laufen zu lassen. Die Flohmarktplatte von Lübke, der nur verrücktes Zeug redet. Wir kamen dann auch recht schnell auf elektronische Musik: The Orb, KLF, Aphex Twin.

Deichkind
Limit (2002)


Das ist einer der Tracks, der die Zusammenführung von Rap und elektronischer Musik vorwegnahm. Wurden diese beiden Welten in Hamburg schon immer eher zusammengedacht?
Vielleicht, ne? Solche Musik haben wir aber nie gemacht. Das ist schon ein sehr eigener Ansatz, um das mal positiv zu formulieren: Rap auf schnellere Musik. Wir waren dagegen immer sehr puristisch. Dann machen wir eben einen Electro-Track, packen aber nicht noch Rap drauf. Für mich steht eins neben dem anderen und muss nicht gemeinsam funktionieren.

Das geht für dich also gar nicht zusammen?
Ganz klar: Nein! Hip-House und DJs wie Fast Eddie und Tyree Cooper waren eine Weile ja lustig, aber ernst nehmen konnte ich das nie. Diese Idee, dass elektronische Musik rocken soll, finde ich ätzend – außer bei The Prodigy, die aber auch eine eigene britische Punkattitüde reinbrachten. Für mich hat elektronische Musik immer eine Tiefe – selbst Techno. Das ist zwar monoton, hat aber etwas Manisches, Sphärisches, Hypnotisches. Wenn das nur rocken soll, kann ich nichts damit anfangen. Das ist dann Rockmusik mit elektronischen Mitteln: EDM. Jeder versucht sich an Hysterie zu überbieten.

Verfolgst du das Label Money $ex Records von Max Graef und Glenn Astro, auf dem HipHop-Produzenten wie Dexter, Retrogott, Knowsum und Hulk Hodn House veröffentlichen?
Das wurde mit gestern erst ans Herz gelegt. Finde ich erst mal super. Ich mag das Organische, den Dreck, das ­Rauschen und 8-Bit-mäßige. Ich bin nur leider ein bisschen übersättigt vom klassischen House-Vibe. Diese Chords und die Harmlosigkeit, die ich früher hart gefeiert habe, habe ich zu viele Jahre gehört. Diese House-Orgel hat ja immer etwas Liebliches, das ist mir manchmal zu wenig. Das finde ich so toll an HipHop- und 9th-Wonder-Instrumentals: dass es immer noch Ärsche kickt und glasklar ist. Ich liebe diese viel zu lauten Snares.

Arrested Development
People Everyday (1992)


Speeech, der Sänger der Band, singt auf deinem neuen Album. Über den Einfluss von Arrested Development wird heute selten gesprochen. Welche Bedeutung hatte die Band für dich?
Als Public Enemy und dieses ganze militante Zeug rauskam, musste meine Mutter mir natürlich erst mal einen PE-Patch auf die Bomberjacke nähen. Das war ja für uns der Urknall. Das war nur leicht schizophren: Die kleinen Kiddies gingen aufs Gymnasium und solidarisierten sich mit den Five-Percentern. Und dann kam die Flavor Unit mit Naughty By Nature, Queen Latifah und die Native-Tongue-Bewegung. Arrested Development waren wahrscheinlich auch die erste Rap-Gruppe, in der Frauen gleichberechtigte Mitglieder waren. Die haben einen ganz neuen Flavour reingebracht, der meiner Flensburger Sozialisierung aus Hippietum, Jazz und Kiffen mehr entsprach. Ich hatte dann letztes Jahr diesen Beat, auf dem ich mir Speeech gut vorstellen konnte, und er war Wochen später zufällig für ein Konzert in Hamburg. Das war eine unglaubliche Party. Die steifen Hamburger haben total ­abgedancet. Die Kraft ihrer Hits ist unbeschreiblich. Damit könnte man ein Altersheim in Brand setzen. Die Attitüde ist positiv, lebensbejahend und politisch. Diese Farbe fehlt mir im Rap manchmal.

DJ Khaled feat. Jay-Z, Future & Beyoncé
Top Off (2018)


Das letzte Khaled-Album hab ich mir angehört. Das ist ja das unglaublichste Aufgebot an Künstlern.

Er produziert aber nichts selbst, sondern bringt die Stars nur zusammen.
Echt? Das ist wahrscheinlich so ein cooler Dude im Studio, den alle mögen. Ich hab das nicht nochmal gehört. Ich fand das zu pompös und episch überladen. Da knallt es in jedem Song, dass es schon anstrengend wird. Der hat die besten Leute am Start, trotzdem ist alles einfach nur laut und in die Fresse. Jeder Song will ein Hit sein. Eigentlich ­schade. Wie diese Hollywood-Filme. Hast du »Black Panther« gesehen?

Ja, fand ich super.
Ich fand ihn auch gut und war natürlich geflasht von den Kostümen und dem Afrofuturismus. Aber dieses »Star Wars«-mäßige Weggeballere der letzten halben Stunde konnte ich nicht aushalten. Ich hab den Film gestern nach einem langen Interviewtag gesehen und dachte, mein Kopf platzt. Das ist aber auch die Idee in der amerikanischen Unterhaltungskultur, wie man bei DJ Khaled hören kann. Dieses Prinzip, alles zu überladen – oder eben haufenweise Produktionsteams zusammenzubringen: Die einen machen die Beats im Trap-Style, der ist gut für die Streicher und andere schreiben die Hookline. Das bläst einen dann einfach nur weg, mag aber viele befriedigen – bloß nicht wegen der Essenz eines Songs, sondern weil man glaubt, etwas für sein Geld zu bekommen.

Kanye West feat. John Legend
Blame Game (2010)


Ist das Aphex Twins »Avril 14th«? Und Kanye?

Anscheinend hat er das Sample nie geklärt.
Lustig! Größenwahnsinnig! Das ist eines der schönsten Stücke von Aphex Twin, eine richtige Komposition, die auch nur knapp zwei Minuten geht. Dass Kanye das so benutzt hat, ist schon respektlos und auch unwissend. Wenn er das so sehr lieben würde, hätte er doch nach einer Zusammenarbeit gefragt oder zumindest um Freigabe gebeten. Das ist, als würde ich Curtis Mayfield samplen.

Wobei du auch Edits von Marvin Gaye gemacht hast.
Das ist aber was ganz anderes, weil hier die Essenz, also das Herz des Songs, die Melodie eines anderen Stückes ist. Marvin Gaye wird von mir nur mal so reingeschossen.

Wie unterscheidest du zwischen ­Remixing und Sampling?
Remixe zu machen, find ich anstrengend. Wenn du einen obvious Evergreen nimmst, kannst du nicht einfach die komplette Melodie übernehmen. Oder du klärst halt Jay-Z-mäßig das Sample von Nina Simone und machst was Freshes draus. Im besten Fall nimmt man nur das Material und macht etwas in einer ganz anderen Tonhöhe oder mit anderer Abfolge daraus.

Madlib & Freddie Gibbs
Shame (2012)


Du hattest das Instrumental und eine weitere Madlib-Produktion auf deiner »DJ Kicks«-Folge für das Label K7! Was hat Madlib in dir ausgelöst?
Wie cool kann man bitte Samples treaten? Dieses Dreckige, Brüchige, dieser Jay-Dilla-Flavour hat mich total inspiriert. Ich find das beeindruckend, wie die ihre Beats einfach rausschießen – auch wenn das bei mir nicht der Fall ist. Knxwledge ist so ein neuer Produzent, den ich feiere, weil ich diesen komprimierten, dreckigen Sound so mag. Der ist nicht ganz so totkomprimiert wie Flying Lotus, aber auch organisch und soulig. Madlib ist ein Gigant. Ich finde auf jeder Platte von ihm drei Stücke, die für mich zu All-Time-Favorites werden. Der hat ja eine richtig große Virtuosität, und Dilla hat das perfektioniert: etwas nicht Naheliegendes zu picken – das Sample morpht sich im Laufe des Tracks zusammen, verkürzt sich, dann kommt Geschrei rein, alles nicht im Takt, aber nie zufällig. Diese Idee versuchen viele zu kopieren, trotzdem springt der Funke nicht über. Die Dilla-Klone machen technisch oft alles richtig, da fehlt dann bloß das Kaputte, der Soul, der Dreck. Bei Madlib spürt man das hingegen sofort.

Young Buck feat. Snoop Dogg
I Ain’t Fuckin Wit You (2007)


Das ist von Hi-Tek produziert, von dem du auch ein Instrumental auf deiner »DJ Kicks« platziert hattest.
Mag ich natürlich sofort. Mir ist jetzt auch klargeworden, warum ich bei Trap nie so reinfinde: Ich liebe dreckige Claps, Snares, Rims und kann einfach die 808 und diese kristallinen HiHats nicht ab. Ich mochte das nie, auch nicht so was wie die 2 Live Crew. Oder das neue N.E.R.D.-Album, das fühl ich gar nicht. Da ist meistens eine Spur des Liedes mit etwas Kaltem verschwendet, das mich nicht mit Stimmung auflädt. Ich liebe Snares, kurze knackige Dinger. Wenn das organisch, holzig ist, bleibt das für mich auch in zehn Jahren noch fresh.

Aus Hi-Teks »Tekstrumental« hast du auf deiner »DJ Kicks« ein Mash-Up mit dem Indie-Rock-Duo The Two Bears gemacht.
Im besten Fall gewinnen beide Songs dadurch. Ich finde meine Version jetzt fast schöner als die beiden Originale. Das ist dann magisch, wenn sich die Sachen überflügeln und anflamen – das ist mein neues Lieblingswort. (grinst) Bei Rap-Acapellas ist das natürlich nicht ganz so magisch, weil Rap tonal auf alles passt. Bei Gesang ergibt sich aber eine ganz neue Ebene, ein Mehrwert.

Fünf Sterne Deluxe
Moin Bumm Tschak (2017)


Du hast gesagt, dass es keine Fischmob-Reunion geben wird. Jetzt sind gerade die Beginner und Fünf Sterne zurückgekommen. Wie hast du diese Comebacks wahrgenommen?
Also ich hab sie zumindest wahrgenommen. (grinst) Jan hat es ja im Gegensatz zu Tobi und Bo geschafft, in den letzten 15 Jahren noch mehr Leute anzusprechen. Ich glaube auch, dass viele Menschen Bock auf Revivals haben: in die Zeitmaschine und zurück in die Jugend! Ich brauch das nicht.

Gibt es denn neuen Deutschrap, der dich bewegt?
Trettmann mit Gzuz hab ich gehört – was ein Hit! Dieses poppige, emotio­nale Instrumental fand ich schon so toll. Bazzazian mag ich auch sehr seit ­diesem unglaublichen »Ich rolle mit meim Besten«-Beat. Dieses viel zu laute Ride-Becken, diese Brutalität in den Toms – das bringt einfach Monsterbock. Es sind wahrscheinlich eher einzelne Lieder, die ich geil finde. Das Dendemann-Album soll ja angeblich fertig sein.

Hättest du nicht Lust, mal wieder für einen deutschen Rapper zu produzieren?
Ja, aber das müsste dann sehr speziell sein. Ich bin zu alt für Deutschrap-Texte. Inhaltlich ist mein Herz da nicht ganz bei der Sache. Aber stimmt, Samy hatte ich einen aggressiven, ASD-mäßigen Beat geschickt, der mir mal passiert ist. Gestern hab ich ihn zufällig getroffen, und er meinte, er würde ihn feiern und was darauf aufnehmen. Mit Marteria zu arbeiten, könnte ich mir auch gut vorstellen. Ich mag seinen Pop-Appeal, seine Assoziationen und Bilder – und dass seine Musik größer ist als Rap.

Dieses Feature erschien erstmals in JUICE #186. Back-Issues können versandkostenfrei im Shop nachbestellt werden.

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