Disarstar – Bohemien // Review

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(Warner Music Germany)

Wertung: Vier Kronen

Disarstar hat zu keinem Zeitpunkt seiner Karriere den politischen Diskurs gescheut. Seinen musikalischen Output hat er stets genutzt, um kontroverse Standpunkte zu artikulieren und argumentativ zu untermalen. Dass er dieser Linie auch auf seinem neuen Album »Bohemien« treu bleiben würde, war abzusehen. Selbstverständlich ist dies gerade jetzt, wo ein Großteil seiner Kollegen in gesamtgesellschaft­lichen Debatten unsicher den Kopf einzieht und bereits das halbherzige Bekenntnis zum Hashtag #sagfuckzurassismus als mutige Stellungnahme eingeordnet wird, dennoch nicht. »Bohemien« ist ein weiterer Beweis für den Ausreißerstatus des Hamburgers, schließt in der Klarheit seiner Aussagen reibungslos an seinen Vorgänger »Minus x Minus = Plus« aus 2017 an. Disarstar spricht Tacheles, bringt komplexe Realitäten in teilweise nicht einmal dreiminütigen Themensongs erfrischend konkret auf den Punkt. Die Gratwanderung zwischen wütender Abrechnung mit den Missständen unserer Zeit und schlüssiger Beweisführung gegen seine politischen Feindbilder gelingt ihm insbesondere auf Tracks wie »Robocop« und »Alice im Wunderland« hervorragend – an anderer Stelle rutscht er bei diesem Experiment jedoch in zu plakative Darstellungsweisen ab. Besonders schlimm ist das nicht, dockt an einen Song der Marke »Nike‘s x McDonalds« dann doch jeweils eine persönliche Ballade an, die die Stimmungskurve gekonnt auf einen gänzlich anderen Kurs umlenkt. »Bohemien« ist insgesamt ein gelungener Kompromiss, verknüpft glasklaren Popsound samt gesungenen Hooks und harten Raps auf wilden Gitarren-Samples. Die Platte bietet ein bewusstes Wechselspiel zwischen ehrlichen ­Liebesgeschichten und gestochen-scharfer Agitation, weshalb die ständigen Brüche im Fortgang ihrer Tracklist zu jedem Zeitpunkt authentisch wirken. Disarstar ist ein inspirierender und ernstzunehmender Mutmacher in verrückten Zeiten und veranschaulicht ein weiteres Mal, dass Politik Leben und Leben Politik bedeutet – und Musik das vielleicht beste Stilmittel zur Verdeutlichung dieser Korrelation ist.

Text: Alexander Barbian

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