Was für ein Jahr! 2016 würden viele am liebsten sofort in die Tonne kloppen. Doch musikalisch gab’s dann doch noch einiges zu holen. Die JUICE-Redaktion hat deswegen zusammen mit ausgewählten freien Autoren wie gewohnt abgestimmt, um die wichtigsten Alben des Jahres ganz demokratisch zu ermitteln. Wer mit dem vorliegenden Ergebnis unzufrieden ist: Bei den JUICE Awards habt ihr noch bis einschließlich 15. Januar 2017 Zeit, eure Favoriten zu wählen.
Da sind die eigentlich viel zu lauten Drums, die weit offenen Synth-Flächen und die sogenannte Sidechain, die alles auf Kick-Einsatz schön pumpen lässt. Als einer von wenigen seiner Generation findet Kaytranada damit eine wirklich eigene Soundschrift.
»Malibu« gewinnt vor allem, weil ein Produzenten-Sammelsurium von 9th Wonder bis DJ Khalil das Album nicht nur zusammenhält, sondern zu einem der besten, haltbarsten Soul-Statements (nix Neo) der letzten paar Jahre macht, auf dem HipHop und Soulquarians-Spätfolgen gleichberechtigt neben Sixties-Motown-Arrangements und House-Fluffigkeit stehen. »I’m glad that you finally made it to the future but you’re late«, verkündet Paak mit dem verschnupften Gestus des lange Missverstandenen. Einigen wir uns doch darauf, dass er und wir uns mit »Malibu« in einer richtig guten Gegenwart wiederbegegnet sind.
08 Schoolboy Q – Blank Face LP
»Blank Face« flirtet durch diesen unberechenbaren Vortrag mit dem Kontrollverlust, lässt ihn aber niemals wirklich geschehen. Das Album bleibt konventioneller Westcoast-Rap bis in die meist schnörkellosen Produktionen von Swizz Beatz, Metro Boomin, Tyler, The Creator, The Alchemist oder TDE-Hausherr Sounwave. Einzige Extravaganz dieser Genreexzellenz: Eine Schwäche für penisverlängernde Gitarrensolo-Samples.
07 Isaiah Rashad – The Sun’s Tirade
Isaiah setzt klanglich sein Debüt fort und wagt diesmal einen noch größeren Spagat zwischen 808 und MPC. So findet die Mike-Will-Produktion »A Lot« ganz selbstredend ihren Platz neben dem Dilla-esken (zweiten Teil von) »Rope — Rosegold«, während Isaiah die Brücke zwischen den Klangwelten mit seinem leiernden Singsang schlägt. Gerade dieser melancholische Vortrag, der so unterschiedlichen Südstaatenhelden wie Outkast und den No-Limit-Soldaten huldigt, lässt »The Sun’s Tirade« zwischen all den Alben, die in diesem Jahr mit einem Ear-Drummers-Tag versehen wurden, herausstechen.
06 Pusha T – Darkest Before Dawn: King Push
so intensiv die reservierte Stahlstadt-Atmosphäre von »Darkest Before Dawn« Pushas Stärken hervorhebt, so kurzweilig wirken der »Numbers on the Board«-Aufguss »Untouchable« oder die teilnahmslose Hookline von »M.P.A.«.
»Views« thematisiert, was bis dato jedes Drake-Release thematisierte: Drake. Dass der Protagonist damit aber mehr über seine Generation zu erzählen weiß, als das aus einer gesellschaftlichen Vogelperspektive heraus je der Fall wäre, wird im Zuge von »Views« gerne unterschlagen. Er sitzt eben auf einem Türmchen, was soll man da schon sehen.
04 Travi$ Scott – Birds In The Trap Sing McKnight
Mit der 54-minütigen Auto-Tune-Extase »Bird« bleibt nicht die große Introspektive, aber ein kohärentes Zeitdokument des Vibes, den Scott fühlt wie keines seiner Idole – und keine seiner Kopien.
03 Kendrick Lamar – Untitled Unmastered
Die rassistisch begründete Ungleichheit in der US-Gesellschaft wird auf »untitled unmastered.« zum zentralen Thema, etwa in dem zwingenden Uptempo-G-Funk »untitled 08« oder in »untitled 05«, dem Drum-durchwirbelten Klimax der Platte, den K-Dot mit Jay Rock und Punch sowie Sonnymoon-Chanteuse Anna Wise feiert, unterstützt vom bewährten Produktionsteam Terrace Martin, Thundercat und Sounwave. »Look at my flaws, look at my flaws«, heißt es anschließend in »untitled 06«, wenn K-Dot in aller Gemütlichkeit mit Cee-Lo Green auf einen Bossa-Groove von Ali Shaheed Muhammad und Adrian Younge springt. Flaws also. Wo denn?
Aller neuen Freundschaften zum Trotz (»I got day ones and I got new ones, no fakes ones, trust no one«), weiß Skepta, dass er die Cosigns befreundeter Weltstars nicht nötig hat. Um die eigene Welle zu surfen, braucht er lediglich einen harten Riddim und einen einfarbigen Tracksuit. Alles andere liegt zu Recht in der Mülltonne.
01 Kanye West – The Life Of Pablo
»Pablo« gleicht dem Psychogramm eines notgeilen Megalomanen, der Lexapro und Xanax zur neuen Modedroge erklärt und über gebleachte After, Penis-GoPros und Handjobs philosophiert – Khaled’sche Verschwörungstheorien à la »they don’t wanna see me love you« inklusive. So scheint der Antrieb hinter »Pablo« tatsächlich im Wahn zu liegen. Doch für die überlebensgroße Inszenierung war Yeezus schon immer bereit, sich zu opfern.