Die fünf besten R’n’B-Alben 2012 // Feature

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Wenn man älter wird, schätzt man auf einmal Dinge, die einem früher sauber wurscht waren. Zum Beispiel kontemporären Rhythm & Blues. In den Neunzigern brüllte JUICE-Chefredakteur Stephan Szillus noch mit Pharoahe Monch: »Why do you choose to listen to R&B?« Trotzdem schlich er stets verdächtig um die Tanzfläche herum, wenn Jon B oder Blackstreet liefen. 15 Jahre später kann er ganz offen zu seiner Liebe zu einer Kunstform stehen, die von Anhängern der reinen Lehre gerne zum Sündenbock für die Verwässerung der Kultur respektive den Verfall des Abendlandes gemacht wird. Für JUICE.DE hat er seine fünf Lieblingsalben des R&B-Jahrgangs 2012 zusammengestellt.

05 Usher
Looking 4 Myself

(RCA/Sony)
Schon klar, ihr habt einen dieser Trance-Stampfer von der Swedish House Mafia gehört, einmal kurz verächtlich die Nase gerümpft und Ushers fünftes Soloalbum einfach ignoriert. Kein kapitaler Fehler, aber ein Versäumnis. Abseits dieser misslungenen Experimente findet Usher nämlich zeitweilig zu seiner Klasse der späten Neunziger zurück. Zusammen mit Noah »40« Shebib, einem erklärten Fan der »My Way«-Ära, ist die sphärische Midtempo-Nummer »What Happened To U« entstanden, die einen klaren Höhepunkt darstellt, genau wie die Diplo-Produktion »Climax«, die enthemmte Rave-Euphorie ohne komprimierte Schranz-Drums einfängt. Und auch Danja, Pharrell oder Jim Jonsin machen eben das, was sie gut können. Als Album ist »Looking 4 Myself« eher unbrauchbar, fährt aber eine Handvoll Playlisten-Granaten auf, die man nicht übersehen sollte.

04 Tank
This Is How I Feel
(Atlantic/Warner)
Einer der letzten großen Songwriter des Genres, der sich noch nicht von grenzdebilen A&R-Managern in die Eurodance-Falle treiben ließ. Musikalisch bietet »This Is How I Feel« einen besser gelaunten Tank als sein Genre-Klassiker »Sex, Love & Pain« von 2007. »Lonely«, »Nowhere« und »Compliments« haben stärkere Beats als die meisten Rap-Singles (letzterer stammt von T-Minus aus dem OVO-Umfeld), auch der Rest ist Songwriting-Handwerk auf höchstem Niveau. Tanks Organ ist ohnehin über jeden Zweifel erhaben, zumindest wenn man etwas für erwachsene männliche R&B-Stimmen übrig hat. Tank macht keinen coolen Tumblr-R&B à la JMSN und ist auch kein Retro-Eigenbrötler wie Miguel, sondern hat seine traditionalistische Interpretation des Genres einfach nur in ein sehr zeitgemäßes Sounddesign gehüllt und mit diesem Ansatz die größere Platte gemacht. Allerdings auch die mit dem schlechteren Cover.

03 Keyshia Cole
Woman To Woman
(Geffen/Universal)
Keyshia Cole gehörte immer schon zu den cooleren Damen ihres zweifelhaften Gewerbes, mit ihrem jüngsten Album ist die Frau mit der herzzerreißend brüchigen Stimme endgültig zur ernstzunehmenden Künstlerin gereift. Für die musikalische Untermalung ihrer glaubwürdig erzählten Lebensgeschichte waren nur A-Listen-Songwriter verantwortlich, wobei viele ihre große Zeit bereits hinter sich zu haben schienen: Eric Hudson, Dre & Vidal, Jerry Wonda oder Darkchild etwa. Statt platter Retro-Romantik sorgt diese Konstellation hier aber für einen sehr distinktiven, 90s-inspirierten Sound, der zu keiner Stelle ins Altbackene abrutscht. Gastauftritte von Lil Wayne und Meek Mill sind nur Verzierungen eines ausgezeichneten, klassizistischen R&B-Albums.

02 Jeremih
Late Nights With Jeremih
(Download)
Die Überraschung des Jahrgangs: Der 25-jährige Posterboy ist klammheimlich erwachsen geworden und hat nach zweijähriger Pause ein explizites Gangsta-Grillz-Mixtape veröffentlicht, auf dem er sich nun als rechtmäßiger Erbe des bösen R. Kelly der »TP2.com«-Ära empfiehlt: Jeremih adaptiert dessen charakteristische Mischform aus melodiösem Rap und R&B-Intonierung, zusätzlich umgibt er sich mit absurden Charakteren wie 2 Chainz, Gucci Mane, E-40 oder Twista. Zugleich lebt »Late Nights With Jeremih« von progressiven Produktionen im 808-Spannungsfeld zwischen The-Dream und The Weeknd, zwischen Shawty Redd und Shlohmo. Überraschend dope.

01 Frank Ocean
Channel Orange
(Def Jam)
Das Album, über das schon alles geschrieben wurde. Der coolste, interessanteste Sänger der aktuellen Spielzeit hat mit diesem Jahreslistenfavoriten sein persönliches »Voodoo« erschaffen. Im Gegensatz zur ungestümen Kreativität seines Debüt-Mixtapes »Nostalgia, Ultra« haben ihm Om’mas Keith und Pharrell Williams einen kohärenten, zeitlosen Sound verpasst, der nach den besten Momenten sowohl von Sa-Ra als auch von N.E.R.D. klingt. Instant classic.

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