»Das ist diese Liebe zum Handwerk« // Tufu im Interview

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Der Titel des Albums ist »Moorloch«. Auf dem zugehörigen Track baust du dir ein Haus am Moorloch. Ist die Vorstellung gruselig oder idyllisch?
Es ist eine düstere Romantik, die dahintersteckt. Auf der einen Seite ein isoliertes Haus, das irgendwo steht. Das steht für dieses abgekapselte Schaffen, in dem ich mich selbst gesehen habe. Wenn du in dem Modus bist, dann denkst du nicht an viele andere Sachen und beschäftigst dich, zumindest bei mir, mit Themen, die dich nicht besonders erfreuen, sondern die du eher kritisch beäugst und irgendwie kacke findest. Da bin ich in meinen Ausführungen immer schon relativ radikal gewesen und habe da auch eine Affinität zu Splatter. Es macht mir Spaß, solche Sachen selbst umzusetzen, da müsste man vielleicht Freud fragen, was das jetzt heißt. Den Track »Haus am Moorloch« haben wir im Westerwald aufgenommen. Bei Anthony Drawns Vater, der ist Schuster. Wir haben uns ein paar Tage lang in seiner Schuhwerkstatt eingemottet. Da ist es auch kalt und düster und wir haben den Track in einer Session gemacht, wo wir uns das Mic geteilt haben. Er am Saxophon und ich mit dem Textbuch. Wir haben einfach mitgeschnitten und am Ende den besten Take genommen, quasi eine Momentaufnahme. Das Moorloch-Motiv kommt daher, dass ich als Biologe arbeite und das erste Mal in einer Moorlandschaft war, am Hohen Venn. Das ist echt beeindruckend gewesen. So ein Moor konserviert krass, weshalb man dort immer mal wieder alte Leichen findet. Und wenn man sich selbst in so einem Moor bewegt und einen falschen Schritt macht, ist man weg. Also so richtig weg. Dann findet dich niemals jemand wieder, weil diese Landschaften so abgekapselt und weit draußen sind. Es ist eigentlich der ideale Ort, um eine Leiche verschwinden zu lassen. Also wenn ich jemanden killen würde, ich wüsste, was ich machen würde.

Wenn es nicht Horror ist, sind es oft Disstracks, die deinen Content bestimmen. Arbeitest du dich da an bestimmten Phänomenen oder Personen ab?
Die Battle-Sachen sind frei Schnauze. Da geht keine Denke voraus, dass ich irgendjemandem ans Bein pissen möchte. Ich habe das an die Rhetorik der 4-Track-Alben, die ich vorher schon genannt habe, angelehnt. Das ist etwas, was ich dort unbedingt haben wollte. Wenn ich schon ein 4-Track-Ding mache, dann sollen diese Komponenten eine Rolle spielen. Was dann zwischen den Zeilen steht, sind Beobachtungen, die man so macht, wenn man ein beobachtender Charakter ist. Wenn man so eine Kunst macht, ist man oft Beobachter und hat diese gewisse Überheblichkeit, über den Dingen zu stehen. Das muss einem Spaß machen und macht einen guten Rapper aus.

»Wir sind so organisch mit- und aneinander gewachsen, dass die Motivation, sich mit dem Zeitgeist auseinanderzusetzen, nie wirklich aufgekommen ist.«

Du bist Sichtexot-Mitbegründer und euer Label existiert seit 2011. Schon damals war es ein Gegenpol zum Mainstream, der sich in der Zwischenzeit wiederum selbst stark verändert hat. Gefühlt habt ihr eure Attitüde aber einfach beibehalten und fahrt euren eigenen Film.
Das stimmt. Ich weiß auch nicht, woran das liegt. In der Formation, in der wir uns gegründet haben, hat sich das durchgezogen. Wir haben uns in unserem Tun so bestärkt und sind organisch mit- und aneinander gewachsen, dass die Motivation, sich mit dem Zeitgeist auseinanderzusetzen, nie wirklich aufgekommen ist. Klar gab es auch neue Sachen, die wir geil fanden, aber unser Twist ist immer ein anderer. Es ist so eine Grundqualität da, auf die man sich bei allen verlassen kann und so bestärkt man sich gegenseitig im Kollektiv und braucht nicht so viel von Außen. Und es hat ja funktioniert, wir haben eine solide Fanbase von Leuten, die da Bock drauf haben. Der Kernpunkt ist, dass wir uns wirklich glücklich schätzen, uns alle kennengelernt zu haben. Bis heute ist das geil, macht Spaß und es kann gerne so weitergehen, dass wir uns gegenseitig pushen, beeinflussen und unser Ding machen können.

Ist euch Anerkennung in der Szene trotzdem wichtig?
Jedes Album entsteht in Eigenregie, man ist da komplett involviert und steckt unfassbar viel Herzblut und Energie rein. Dann ist man schon daran interessiert, dass es Leute erreicht. Jeder, der ein potentieller Hörer ist und dann zufällig auf etwas stößt, ist schon super. Man bekommt das zum Beispiel in den Kommentarzeilen mit. Trotzdem könnte man da noch mehr machen, wir sind jetzt alle auf Instagram und steppen unser Game up. Aber es ist der Kunst selbst schon nachgeordnet. Jetzt kann es aber auch langsam weitergehen, ich bin bereit für ein »Arte Tracks« über Sichtexot.

Dein Album »Die Symbolik des Mastschweins« wurde von der JUICE zumindest als eines der 20 meistunterschätzten Deutschrapalben gewürdigt.
Anton [Anthony Drawn, Anm. d. Verf.] hat mir den Artikel neulich geschickt. Ich fand, dass der Artikel den Entstehungsprozess, wie wir uns gegründet haben, am besten beleuchtet hat. Ich dachte mir »Krass. Genau so war das.« Damals ist gerade »Die Symbolik des Mastschweins« ganz anders beleuchtet worden. Ich habe mich auf jeden Fall mega über diesen Artikel gefreut.

Interview: David Regner
Foto: Anton Pfurtscheller

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