(Regenbogenpinguin/Soulfood)
Dieses Album ist die letzte Scheiße. Spaß, war nicht so gemeint. Obwohl… Nein, keine Angst. Oder doch? »Tourette-Syndrom EP« ist vielleicht das anstrengendste Album, das ich in den letzten Jahren hören durfte – und gerade deswegen ziemlich nah dran an perfekt. Wenn Edgar Wasser rappt, dass seine Texte keine zweite Ebene hätten, ist das die größte Lüge seit Entdeckung der Hitler-Tagebücher. Man weiß nie genau, wann der Münchener etwas ernst meint, und wann er den Hörer gehörig an der Nase herumführt. In der Sekunde, in der man denkt, man hätte die Person hinter dem Mikrofon auch nur ein bisschen begriffen, folgt die Wende um 180 Grad. Vermeintlich persönliche Songs entpuppen sich nicht selten als verworrenes Spiegelkabinett mit doppeltem bis achtfachem Boden. Stärken werden zu Schwächen, Schwächen werden zu Stärken. Auch nach dem zehnten Hören von »Faust« habe ich keine Ahnung, ob Edgar es wirklich bereut, Worte wie »behindert« oder »Spast« inflationär zu benutzen oder ob er es vollkommen legitim findet. Selbst wenn ich bei »Weiße Flagge« mit Gast Weekend ganz genau hinhöre, lässt sich für mich Edgars Position im verworrenen Political-Correctness-Dschungel nicht ausmachen. In dem Moment, in dem sich langsam ein Bild zusammenzufügen scheint, zerfällt alles wieder zu einem Scherbenhaufen – und Edgar scheint es zu genießen, wenn sich Leute daran schneiden. Tracks wie »Bad Boy«, in dem Edgar kurz mal klärt, was Frauen im deutschen Rap zu suchen haben (nämlich nichts), lassen die Intention etwas deutlicher durchschimmern, sind dadurch aber nicht weniger schneidend. Dieses Album fordert einen von Minute zu Minute mehr heraus und zwingt einen zum Nachdenken. Man kommt nicht umhin, eine eigene Position zu beziehen, und vor allem: diese immer wieder zu hinterfragen. So hat man nach dem zehnten Hören vielleicht keine Ahnung, wer dieser Edgar Wasser eigentlich ist, dafür aber die ein oder andere Selbsterkenntnis hinter sich. Dieses Album fickt deinen Kopf auch mit seinem entspannten Sound. Mehrmals. Aber auf wunderbare Weise.
Text: Patrick Lublow