Wu-Tang Clan – Dolla, Dolla Bill, Y’all [Feature]

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Der Clan ist zurück auf der Bildfläche, daran gab es in der letzten Zeit ­keinen Zweifel. Dass es eher um alte Streitigkeiten denn um neue Musik ging, war weit ­weniger überraschend. Raekwon äußerte zunächst in aller Öffentlichkeit ­seinen ­Unmut über die kreative Führung RZAs. Dieser dagegen echauffierte sich im ­Gegenzug darüber, dass die Fertigstellung des anstehenden Reunion-Album nun an einer einzigen Person zu scheitern drohe, während Method Man wiederum mit halb Deutschland tweefte (#lovegermany).
Nur einer schien dem Wahnsinn Einhalt zu ­gebieten und kündigte überraschend fertige Aufnahmen an. Wer? Ausgerechnet eine Hand des erweiterten Clan-Arms namens Tarik Azzougarh, als Mitglied der Killa-Beez-Familie (erinnert sich wer?) unter dem Pseudonym Cilvaringz unterwegs, soll wohl ein komplettes Album vorliegen haben – inklusive exklusiver Aufnahmen aller Clan-­Mitglieder auf Retro-Wu-Tang-Beats. Anvisierter »Ladenpreis«: eine Million Dollar.

 
Was in der ersten Sekunde eher nach Geiselnahme klang, ­entpuppte sich als das ­medienwirksame Projekt »Once Upon A Time In Shaolin«: 31 Tracks, ­aufgenommen im Verlauf der letzten sechs Jahre, ­gebannt auf einen Tonträger, der in einem ­silbern ­funkelnden Case mit artgerechtem ­Wu-Emblem lagert. Dieses Case wiederum befindet sich in einer silbernen Schatulle mit Wu-Emblem, die in einer edlen schwarzen Kiste mit Wu-Emblem liegt – »a box within a box within a box«, handgefertigt aus Silber und Nickel von einem Meister ­marokkanischen Kunsthandwerks. Der Witz an dem ganzen Paket: Es wird limitiert bleiben. Auf ein Exemplar, ebenso wie ihr wertvoller Inhalt – den man absurderweise auf eine CD pressen lassen will.
 

 
Dieses Album-Unikat soll zunächst auf Reisen geschickt werden. Für ein Eintrittsgeld zwischen 30 und 50 Dollar können sich Besucher das jüngste Shaolin-Werk dann in ausgewählten Ausstellungsstätten einmal in Gänze – etwa zwei Stunden lang – mit ­Kopfhörern anhören. Im Anschluss an diese Tour soll das Exponat dann von einem Unternehmen oder einem Privatinvestor im siebenstelligen Bereich erworben werden können. Aktuell liege ein Angebot von 5 Millionen Dollar auf dem Tisch, wie RZA dem Billboard Magazin verriet. Ein solches Projekt, das sich den Titel »Konzeptalbum« tatsächlich verdient hat, bringt einige wirre Ideen mit sich, die man erst einmal ordnen muss. ­Zunächst lässt man sich die zentrale Message von »Once Upon A Time In ­Shaolin« auf der Zunge zergehen, die der Clan unlängst in einem Statement verlauten ließ: »Musik soll wieder etwas wert sein!«
 
In Zeiten, in denen sich der Musikmarkt in einem stetigen Umbruch befindet, und Künstler wie Labels täglich mit neuen Ideen für Plattenverkäufe um die Ecke kommen (#newrules), wäre vielleicht eine Diskussion über Plattenpreise und ­Minimaleinnahmen durch Streaming-Portale zu erwarten ­gewesen. Der Clan setzte in seinem Manifest, das dem Unikat ­vorausging, ­stattdessen aber noch viel weiter an: Musik habe unlängst ihren eigentlichen Wert eingebüßt, heißt es darin. Moderne Künstler wie Andy Warhol, Damien Hirst oder Jean-Michel Basquiat würden ein ebensolches Ansehen genießen wie ihre Vorgänger Rembrandt, Van Gogh oder andere. Und wenn man die Zeit mal ein paar Jahrhunderte zurückdrehe, hießen Musiker eben Beethoven, Bach oder Mozart – und die stelle man doch auch in eine Linie mit der hohen Kunst.
 
Nun sei es für die großen Musiker unseres Jahrhunderts also auch an der Zeit, eine entsprechende Anerkennung einzufordern. Rap solle endlich als Kunst wahrgenommen werden. Denn Kanye West, Dr. Dre und RZA heißen die Genies, die jüngst das Volk mit frischen ­Kompositionen versorgen. ­Warum also nicht ebenso gut bezahlt ­werden dürfen wie die Typen am Kunstmarkt? Die Schlussfolgerung: Das ökonomische Modell der Kunstwelt muss her!
 

 
Über die Unterscheidung zwischen ­Popmusik und vermeintlicher Hochkultur sowie die Anerkennung des künstlerischen Werts von HipHop allein zu reden, wäre eine Sache. Doch gerade was die Ökonomie ­dieser zwei Welten betrifft, wird im Hause Wu so einiges durcheinandergebracht. Die Marktmechanismen des HipHop sehen nun mal grundsätzlich anders aus als diejenigen, denen klassische Komponisten vor über zweihundert Jahren unterlagen. Ohne Tonträger musste eben der Königshof (oder ein anderer Mäzen) als Geldquelle herhalten. Und da könnte man mal hinterfragen, wie viele Komponisten damals eigentlich von gutbezahlten Aufträgen leben konnten.
 
Ein zentraler Verdienst der Popmusik – und somit auch von Rap – besteht jedenfalls genau darin, dass sie von vielen Menschen konsumiert werden kann. ­Klassische Kunstwerke hingegen, die auf dem Kunstmarkt gehandelt werden, befinden sich in der Regel im Besitz eines Sammlers und stehen bestenfalls in Galerien oder Museen einem breiteren Publikum zur Bewunderung zur Verfügung. Nicht zuletzt ein Resultat der viel geringeren Menge an kauffreudigen ­Interessenten – die es bei einem neuen Wu-Tang-Album hingegen geben dürfte, sofern der Preis nicht siebenstellig ist.
 

 
Bei all dem medialen Hype wird sich »Once Upon A Time In Shaolin« für den Wu-Tang Clan aber aller Wahrscheinlichkeit nach finanziell rentieren. Ein cleverer Move also, nicht zuletzt deshalb, weil der Clan in den letzten Jahren weniger durch musikalische Präsenz glänzte. »Day One«-Fans haben das letzte Album »8 Diagrams« sicher noch mitbekommen, die jüngere Generation aber kennt das ikonische W wohl nur noch als dieses Tattoo auf Marterias Hintern.
 
Neben dem Clan wissen natürlich auch andere Künstler derlei Exklusivität längst als profitable Einnahmequelle zu nutzen. Denn das Millionen-Dollar-Album ist ja im Prinzip nichts anderes als der gutbezahlte Auftritt beim Geburtstagsfest im britischen Königshaus oder bei der Hochzeit des ­meistbietenden Ölmagnaten. Dass dieses Konzept nur mit einem gewissen ­Legendenstatus funktioniert, sollte man dabei aber nicht vergessen. Wenn RZA sich also darüber beklagt, dass die Musik an einem Punkt angekommen sei, an dem sie sogar umsonst angeboten würde, dann mag man ihn unbedingt darin bestärken, über neue Finanzierungsmodelle nachzudenken. Doch wie wäre es mit einem Modell, mit dem gerade kleinere Künstler die wegfallenden Plattenverkäufe auffangen können? Denn gerade für die dürfte eine Querfinanzierung wie die des Clans kein vielversprechendes Zukunftsmodell sein.
 
Und wenn Produzent Cilvaringz dann im Gespräch mit dem Forbes Magazin behauptet, es ginge dem Clan mit dem Unikat einzig und allein darum, eine Debatte über den wahren Wert von Musik in unserem Leben anzustoßen, dann fragt man sich schon, welchen Wert die Musik in unser aller Leben haben soll, wenn sie zu einem Luxusgut für nur wenige Leute wird.
 
Oder man fragt mal beim Clan selbst nach, wie oft die sich früher so unter die In-Crowds der Galerien gemogelt haben, um sich Zugang zu Kultur zu verschaffen. Letzten Endes wäre dann noch mal auf die verquere Gleichstellung von Rap und Bildender Kunst zurückzukommen: Rap ist doch längst eine Kunstform, und sie wird es auch bleiben; eine Kunstform jedoch, die es verdient, nach ganz eigenen Parametern gemessen zu werden, eine Kunstform, die man nicht klassischer Musik gegenüberstellen muss, um nach Anerkennung zu ringen. Wenn Wu-Tang aber das Albumformat retten wollen und die Anerkennung ihrer Arbeit wirklich so nötig haben – wie wäre es denn einfach mit einer vernünftigen Reunion-LP?
 

 

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