Phunkonia: »Das ist Frankenland, kein Bayern« // Feature

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In Franken entwickelt sich gerade die spannendste Rapmusik in ganz Deutschland, aber keiner bekommt es mit. Um herauszufinden, warum das so ist und wie sie im konservativsten Bundesland der Republik überleben kann, sind wir einfach hingefahren.

Das Wichtigste vorweg, das muss sich jeder merken: »Frankenland kein Bayern«! So heißt ein Song von Kana und Mavie, die in den nächsten Zeilen eine Rolle spielen werden, aber nicht nur das: Diese drei Worte sind auch als Motto einer fränkischen Rapszene zu verstehen, die gerade so divers ist wie nie; die nicht in der (Afro)-Trapbap- bap-…-Endlosschleife festhängt. Obwohl einige Deutschrap-Größen, namentlich Capital und Luciano, ohne die Unterstützung durch fränkische Künstler heute vielleicht gar keine aufstrebenden Szenegrößen wären (aber dazu später mehr).

In Franken ist nicht der Sound festgefahren, aber die Politik ist es schon. Obwohl sich Franken nicht als Bayern sehen, ist die CSU dort genauso präsent. Es gibt Sperrstunden für Clubs, es gib Racial Profling, Heimatfolklore und, klar, Bier. Es ist nur so, dass die fränkische Rapszene ein Gegengewicht zum gesamtbayerischen Konservatismus darstellt; jene Strömung, die sich in den letzten sechs, sieben Jahren in irgendwelchen Kinder- und Hinterzimmern zwischen Bamberg, Nürnberg und Erlangen gebildet hat, prägt die Jugendkultur, die sich gegen »christsoziale« Apathie behaupten muss. Alexander Dobrindt, der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, forderte unlängst nämlich sogar die Anwendung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes auf Rapmusik, was einer Zensur gleichkommen würde. Wer aber verstehen will, wie diese Szene tickt und warum sie überhaupt tickt, obwohl Franken musikindustrielles Brachland ist, der muss nach Franken fahren; der muss Rapper wie Kuchenmann, Robanzee, Laca, Kornkreis Mafia oder SMG in ihrem Habitat besuchen.

Flucht aus dem Süden

Trotzdem beginnt diese Geschichte 400km entfernt von Franken in einem Park in Berlin-Wedding. Freddy Kana sitzt dort auf einer Bank, zieht an seinem Joint und sagt: »Man kann da unten seinen Charakter nicht komplett nach außen tragen, nicht seine Kreativität ausleben. Das Kulturangebot ist Mist.« Frustriert klingt er nicht, aber noch mal aktiv dort zu leben, das könne er sich nicht vorstellen. »Es ist ein Wunder, dass wir da unten was gerissen haben.« Mit »da unten« meint er den bayerischen Teil von Franken, mit »wir« zum einen die Kornkreis Mafia, deren Mitglied er ist, und zum anderen die Szene in seiner alten Heimat generell. Mit 17 Jahren ist Freddy Kana von Bamberg nach Berlin gezogen, um seinen Schulabschluss zu beenden. Damals hatten er und sein Crew-Kollege, der Nürnberger Rapper Mavie, einen ersten kleinen Hype. Die Songs »Dope« von Mavie und »Immer wenn der Winter kommt« von Kana erschienen und trafen einen Nerv. Sie waren der erste deutschsprachige Versuch, den damals ziemlich angesagten, ziemlich kaputten Sound des Raider Klan um SpaceGhost Purrp aufzugreifen.

Auf der im letzten Jahr erschienen »Phonk« EP der beiden sind nun sogar drei Beats des mittlerweile von der Bildfläche verschwundenen Vorreiters zu # nden. Kana und Mavie haben diesen von Memphis-Horrorcore beeinfussten LoFi-Sound gefressen und den Drill von Chief Keef noch dazu. Jetzt klingen sie eben so, wie niemand anders klingt, tragen einheitlich schwarz und das KMK-Logo in Weiß auf Bauchtaschen und Sweatern. Früher, mit elf Jahren, da war Kana Beatboxer und bemerkte irgendwann, dass sich in Bamberg auch andere Menschen außer ihm mit HipHop beschäftigen. Andere wie zum Beispiel die Bambäggas, eine lokale Spaßrapcrew, immer noch aktiv, ästhetisch aber weit entfernt von der neuen Szene. Oder Ray Joker, ein volltätowierter Typ mit Kampfhund, den sogar die 187Strassenbande vor einigen Jahren mal unterstützen wollte. Irgendwie sind sie trotzdem alle in Franken geblieben.

Irgendwann traf Kana den Rapper und Produzenten Robanzee in der Schule. Der zeigte ihm, wie man Beats macht, wie man rappt, wie man auflegt – und natürlich hörte die kleine Clique, die sich um die beiden bildete, nicht nur Mobb Deep. In Bamberg liefen damals auf HipHop-Partys aber ausschließlich Mobb Deep und Konsorten. »Wir mussten uns Räume erschließen«, sagt er, »haben dann immer auf kleinen Neben-Floors unsere Musik gespielt. Das hat zwanzig Leute interessiert.« Die damalige Clique um Robanzee und Kana brachte Grime und progressiven Trap in die Clubs. Mittlerweile existieren Partyreihen wie »Film51«, die gut besucht sind, und auf denen ausschließlich moderne Musik läuft. Es hat sich was getan.

Sound aus der Kaserne

Es gab noch andere Musik-Influencer in der Region. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gehörte auch Franken zur US-amerikanischen Besatzungszone. Auch in Bamberg gab es eine Kaserne, riesig, eine eigene Stadt in der Stadt, in der laut Kana viele afroamerikanische GIs aus den Südstaaten lebten. »Die standen mit ihren Trucks an der Tankstelle und haben laut Musik gehört. Da kam viel Südstaatenrap, Lil John, Crunk-Musik.« Es passierte schon immer HipHop in Franken, aber vor allem in einer amerikanisch geprägten Parallelwelt. Die jetzige Szene stellt musikalisch ein Bindeglied zwischen den Hinterlassenschaften der Trendsetter in den Kasernen und der Normalbevölkerung dar.

Aber für Kana ist Franken eben Geschichte, auch wenn seine Musik ohne die Heimat anders klingen würde. In Berlin ist er gut vernetzt. Anfangs saßen auch immer wieder zwei junge Rapper in seiner Wohnung, die damals niemand kannte: Capital Bra und Luciano. Wäre vor allem Ersterer damals nicht vom Kornkreis-Mafia-Umfeld musikalisch beeinflusst worden und hätte er nicht mit ihnen gefreestylt, würde sein Sound heute womöglich anders klingen, weniger brachial. Bye Berlin. Der Bus ist nach Bamberg gefahren, und die sagenumwobene Kaserne ist keine Kaserne mehr. Seit 2014 schon, die Amis sind abgezogen. Jetzt werden in Teilen des Komplexes Polizisten ausgebildet.

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