Ufo361: »Future wollte 100.000, das habe ich zugesagt« // Titelstory

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Industrieregel 4079: Ein Hit löst alle Probleme. Als Ufo 361 mit »Ich bin ein Berliner« vor gut zwei Jahren über das Internet hereinbricht, dreht er erst die deutsche HipHop-Szene und später die halbe Musikindustrie auf links. Über mittlerweile drei Mix­tapes installiert der Kreuzberger mit seinem straßenerprobten Trap-Bombast etliche Ohrwurm-Hits und Catchphrases auf den Schulhöfen der Nation, bis er schließlich sogar die Privatradios mit der Dancehall-Hymne »Nice Girl 2.0« übernimmt. Sein epochales Debüt­album »808« könnte als Magnum Opus der Trap-Genera­tion deutsche Musikgeschichte schreiben.

»Hast du dir schon einen Anzug besorgt?« – wir befinden uns in der Teeküche der Kung-Fu-Studios unweit der Kreuzberger Bergmannstraße, als Sera Finale, der älteren HipHop-Semestern bekannt ist als I-Luv-Money-Records-Rapper und jüngeren Zeitgenossen vor allem durch sein Mitwirken beim Comedy-Trash-Duo Keule, sich nach Ufos Garderobe erkundigt. Vor wenigen Tagen wurde Ufuk, wie dieser mit bürgerlichem Namen heißt, neben den Westberliner Rap-Schwergewichten Prinz Pi und Kool Savas für den deutschen Musikautorenpreis in der Kategorie HipHop nominiert. »Ich habe dich vorgeschlagen«, sagt Sera, der heute Lieder für Adel Tawil und Udo Lindenberg schreibt und Mitglied der Preisjury ist. »Ich musste für deine Nominierung ein bisschen kämpfen, aber ich habe denen erklärt, dass du dieses ‚Mumble Rap‘-Ding in Deutschland authentisch übersetzt hast.« Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Sera Finale Ufo361 als möglichen Preisträger empfahl, hat doch Ufo mit »Ich bin ein Berliner« Sera Finales Klassiker »Berlin« aus dem Jahr 2007 als quasi-offizielle HipHop-Hymne auf die Hauptstadt 2015 abgelöst – Seras nachträgliche Fackel­übergabe, wenn man so will. Auch wenn Prinz Pi den Preis später erhalten wird, kann die Nominierung durchaus als Stimmungsbarometer gewertet werden für das, was Ufo noch bevorstehen könnte. Denn in keinem anderen nationalen Rapkünstler bündelt sich der Paradigmenwechsel, den HipHop hierzulande vollzogen hat, so deutlich wie in Ufuk Bayraktar.

Oberflächlich betrachtet hat der Instagram-Story-Junkie etwas getan, auf das die HipHop-Polizei normalerweise mit einem kulturellen Todesurteil reagiert: Er hat einen Imagewandel vollzogen. Doch sind es rund ein Jahr, nachdem er von der JUICE als eine von sieben Deutschrap-Hoffnungen aufs Cover gehoben wurde, nicht mehr nur die tieffrequentierten Synthie-Downer wie »Scheiß auf eure Party« oder »Für die Gang«, die Kommentarspalten-Kritiker charmant, aber bestimmt in Rage schnoddern und deine BWL-Kommilitonen auf dem Weg in die Bib grölen. Auch die Storys vom ehemaligen Hoodrich-Spaßvogel, der mit flotten Sprüchen auf Boombap-Grooves 2014 das Album »Ihr seid nicht allein« in die Irrelevanz hinein releaste, ist, nun ja, Geschichte – genauso wie sein viel gerühmter Graffiti-Background um die legendäre Crew THC. Ufo hat HipHop durchgespielt, gemäß dem alten Dead-Prez-Motto »It’s bigger than…« ist auch Ufos Mission längst viel größer. Mit »Nice Girl 2.0«, einer leichtfüßigen Dancehall-Ode inklusive aberwitzigem Video, gelang ihm im Juni 2017 das, was selbst »Macarena«-tanzende Mallorca-Touristen als lupenreinen Sommerhit bezeichnen – und damit eine verlässliche Eintrittskarte ins Radio-Airplay und in die Gesellschaftsmitte samt Gold-Auszeichnung.

Und nun also: »808«. Doch ist das Quasi-Debüt von Ufo361 weder das erwartbare Feel-Good-Album mit Großraumdisko-Reggae und Cameo-Auftritt von Tiffany (dem Kult gewordenen Puppenkopf, den Ufuk erst als Gimmick bei einem Foto­shooting herumschleppte und dem er später einen eigenen Instagram-Kanal mit mittlerweile 150.000 Followern widmete), noch reitet er die morphine Trap-Formel zu einem »Ich bin 4 Berliner« in die Beliebigkeit. Überhaupt: Das alles hat kaum noch etwas zu tun mit dem, was 2014 noch mit Money Boy als Trap durchs Internet gejagt wurde. Alles sollte größer, tiefer, ja, monumentaler werden – und zwar so sehr, dass Ufo nach der ersten Songskizze, der späteren Single »Beverly Hills«, gleich mal nach Kalifornien fliegt, weil ihn die Melodie an »Axel F« erinnert, Harold Faltermeyers ikonischen Titelsong zur Eighties-Hollywood-Komödie »Beverly Hills Cop«. Mit knapp 100 Millionen Spotify-Streams seiner zehn beliebtesten Songs ist auch das Ufos neue Lebensrealität.

Doch so richtig zu begreifen scheint der an diesem Dienstag etwas verschlafene Sympathieträger all das noch nicht, und so schlurft er leicht desinteressiert an Sera Finale vorbei zum Küchenfenster, zündet sich einen Joint an und sagt lachend: ­»Dicker, ich glaube, ich gehe da in Jogginghose hin.« Du kriegst den Jungen aus der Hood, doch die Hood nicht aus dem Jungen.

Kann man deine Musik eigentlich noch als »Trap« bezeichnen?
In Deutschland kannst du nichts als Trap bezeichnen. In Deutschland hat auch niemand die Deutungshoheit, das festzulegen. Wenn es Leute getan haben, war es meistens alles andere als Trap. (lacht) Aber wie soll ich es sonst nennen? Hierzulande denken viele, Trap sei Halftime-Beats, ein paar Sätze wiederholen, Mumble-Rap machen und ­Autotune drüberlegen. Das stimmt nicht, Mann.

Hierzulande wird Trap häufig von HipHop getrennt. Wie siehst du das, als jemand, der auch Boombap-Alben gemacht und einen Graffiti-Hintergrund hat?
Das ist doch in den USA auch so: Da kommt jede Woche irgendein Lil Pump auf Codein an und sagt, er sei krasser als 2Pac. Da geht es ja auch darum, etwas Neues zu erschaffen und sich vom Alten abzugrenzen. Ich finde aber nicht, dass das sein muss. Für mich ist Trap zu 100% HipHop. Ich habe beides mitbekommen: Die neue Welle, aber auch die Neunziger. Deshalb würde ich auch sagen, ich kann es besser beurteilen als andere. Man muss das nicht trennen. Als Youngster habe ich Sido gefeiert, vielleicht rappe ich sogar wegen ihm. Warum sollte ich dann nicht einen Song mit ihm machen? Diese Abgrenzungen finden ja auch nur statt, weil die Leute sich profilieren wollen. Ich nehme es aber auch persönlich, wenn es andersherum geschieht und Oldschooler Trap schlechtreden. Man muss es ja nicht mögen, aber zu sagen, es wäre keine Kunst oder wir würden uns keine Mühe geben, ist dumm.

Wofür steht der Titel »808«?
Ich habe lange hin- und herüberlegt, wie man das Album nennen könnte, und wusste, dass der Titel einen Trap-Bezug haben soll. Aber das Wort »Trap« selbst will ich nicht mehr sagen, weil es in Deutschland mit Dingen verknüpft ist, für die ich nicht stehe – außerdem gibt es »Trap Lord« zum Beispiel schon. Ich habe irgendwann angefangen, alle Member von 808 Mafia auf Instagram anzuschreiben, und denen erklärt, dass ich diesen Sound in Deutschland mache. Als ich die ersten Beats bekam, fiel mir deren Voice Tag auf. Als Wort klingt »808« einfach geil. Außerdem ist es das wichtigste Element in einem Trap-Beat. In Deutschland ist der Begriff auch noch nicht so ausgelutscht wie bei den Amis. Hier ­sagen ja auch alle »Acht-Null-Acht«. Aber das ist die »Eight-O-Eight«, Dicker. (lacht)

Es liegt nahe, sich auch mit der eigentlichen Maschine zu beschäftigen.
Wir wollten fürs Intro erst die richtige 808 benutzen. Paul NZA sammelt alte Drumcomputer und hat eine. Es war mir aber dann doch zu verkopft: »Oh, ich habe das Album danach benannt, jetzt muss ich auch Sound von dem Gerät verwenden.« Scheiß drauf, wir produzieren nicht so. Das kann man als Stilmittel vielleicht mal machen, aber wir sind Fruity Loops, Dicker. Unsere 808 ballert auch ohne das Originalgerät.

»Ich weiß, dass es in Deutschland schon viel zu spät war, als ich mit Trap angefangen habe – abgesehen davon, dass es hier allgemein viel zu spät losgegangen ist«

Du hast auf »808« mit US-Producern ­gearbeitet, unter anderem mit Ronny J.
Den hab ich ganz stumpf über Insta kontaktiert. Ich schreib bei den Amis immer direkt »Let’s talk business«, weil die erst denken, du bist ein Fanboy und dir nicht glauben, dass du ernsthaft mit denen Musik machen willst – auch, weil sie denken, dass du nicht über das Geld verfügst. Ich habe Ronny gleich gefragt, wie viel er für einen Beat nimmt. Aber er meinte nur: »Wie viel Budget hast du denn?« Ich so: »Dicker, sag mir wie viel du willst, und ich schicke es jetzt!« Innerhalb von drei Minuten habe ich was per Paypal und ihm den Screenshot davon geschickt. Wenig später hatte ich ein Paket mit sieben Beats. Du darfst nicht reden. Bei den Amis zählt nur Geld. Alles andere ist egal.

Glaubst du, die US-Producer erschließen sich vielleicht nochmal den deutschen Markt?
Viele Leute kommen zu mir und wollen jetzt den Kontakt zu denen. Aber da sage ich nur: »Ich verrate dir jetzt nicht den Preis, aber bist du wirklich sicher, so viel dafür ausgeben zu wollen?« Der macht halt keine Beats für 300 Euro. Mit Ronny war es aber entspannt. Wir haben wirklich zusammengearbeitet – du kaufst ihm nicht einfach nur Beats ab. Bei Southside war es anders: Der hatte mir zwei Beats geschickt und dann kaum noch geantwortet.

Ist es aus künstlerischer Sicht sinnvoll, eine teure US-Produktion einzukaufen, wenn man, wie du, ein Produzententeam hat?
Das eine schließt das andere ja nicht aus. Ich habe schnell gemerkt: Wenn du so teure Beats kaufst, kann es sehr wehtun, wenn darauf keine Single entsteht – finanziell und aus kreativer Sicht. Der Beat kann zwar geil sein, aber wenn dir nichts dazu einfällt, ist er wertlos. Ich versuche die Amis lieber mehr in den Produktionsprozess einzubinden und auf fertige Songs zu holen, damit die noch ein bisschen Feinarbeit leisten. Sonst hast du halt nur einen Southside-Beat, was noch lange nicht heißt, dass du dadurch auch einen Hit hast. Ich versuche auch, unseren eigenen Sound dadurch weiterzuentwickeln. Ronny J wollte manche Beats zum Beispiel komplett mixen, und entsprechend haben wir sofort ein Element, das wir mit unseren Mixes abgleichen können. Ich möchte den Sound besser verstehen. Das geht ja am besten, wenn man direkt zum Ursprung geht.

Auf »Superstar« sagst du, dass du einen Song mit Future machen willst. Wie sieht es damit aus?
Die Preise von Ami-Features sind utopisch, das lohnt sich nicht. Future wollte 100.000. Das habe ich zugesagt. Sein Management hat aber immer noch herumgedruckst und gemeint, dass sie es in Dollar wollen, also habe ich das Geld in Dollar organisiert. Ich wollte die festnageln, es sollte keine Ausreden mehr geben. Trotzdem haben die irgendwann nicht mehr reagiert – bei 100.000 ­Dollar, Alter! Ich finde aber auch deutsche und englische Vocals auf demselben Song nicht so geil. Egal, wie sehr ich mich bemühe, dass das irgendwie zusammenpasst, würde es immer eine Differenz geben. Das Ding mit Future hätte mir ein bisschen Prestige gebracht. Es wäre eine Art Qualitätsmerkmal gewesen, das auch meine Fans verstehen. Aber ich vermute, dass vielen gar nicht auffallen wird, wie viel Mühe wir uns geben. »Oh, da rappt er so heiser und hier schreit er!« Ich weiß gar nicht, ob sich die Leute so intensiv damit beschäftigen.

Begrüßt du es, wenn sich jemand so mit deiner Musik auseinandersetzt?
Nicht unbedingt. Aber das liegt auch daran, dass ich selbst Musik gar nicht so wissenschaftlich höre. Das mache ich eher unbewusst. Ich analysiere manche Songs krass, aber chille auch einfach und höre die Mucke. Das gönne ich meinen Fans auch, Dicker! Die müssen nicht alle meine Musik unter die Lupe nehmen.

»Ohne mich wäre deutscher Rap schon längst verloren«, heißt es im Intro. Denkst du nicht, dass dir da ein paar Leute widersprechen würden?
Klar, Mann. Selbst meine eigenen Fans werden das. Ich weiß, dass es in Deutschland schon viel zu spät war, als ich mit Trap angefangen habe – abgesehen davon, dass es hier allgemein viel zu spät losgegangen ist. In Atlanta war die Hochzeit von Gucci Mane und der Bricksquad schon fast vorbei, als ich auf »Hard In Da Paint« gerappt habe – und trotzdem war ich einer der ersten hier. Ich kannte keinen deutschen Trap. Dann bin ich bei »Ich hör nicht auf« auf Autotune und den Singsang-Film gekommen. Drei Monate später ging es hier los. Aber ich will nicht sagen, dass es nur meinetwegen so einen Schub in Deutschland bekommen hat. Da haben safe auch andere Leute ihren Beitrag geleistet.

Warum wäre deutscher Rap verloren?
Weil es den Switch nicht gegeben hätte. Der Trap-Sound wäre hier so nicht angekommen. Du kannst dir doch nicht von irgendeinem 40-jährigen Rapper erzählen lassen, was neu ist. Seine erste Musik ist 1996 erschienen, das ist sein Film. Okay, vielleicht hat er Triple-Reime eingebracht, die damals noch keiner gemacht hat, aber sonst klingt das doch alles nach Neunzigerjahre. Retro ist schon cool, gerade kommen Fila-Schuhe raus, die aussehen wie früher; oder diese Adidas-Knopfhosen, die plötzlich wieder alle tragen. Aber wir haben 2018, Mann!

»Future wollte 100.000. Das habe ich zugesagt«

Insbesondere der Song »Alpträume« sticht heraus. So persönlich hat man dich vorher selten erlebt. Wie viel Überwindung hat es dich gekostet, dich so zu öffnen?
Ich hatte eigentlich bis zur Master­abgabe ­Hemmungen, den Song zu ­veröffentlichen. Ich mache mich sehr angreifbar mit so einem Track, vielleicht sogar zu sehr. Aber ich bin es dem harten Kern meiner Fans schuldig. Für die ist dieser Song, damit sie auch verstehen: Es ist nicht alles »Gucci« bei mir. Die Leute sollten erfahren, dass Ufo, die Privatperson, nicht im Lotto gewonnen hat. Aber ich fühle auch eine gewisse Nähe zu meinen Fans mittlerweile, weil sie Loyalität bewiesen und mir das alles überhaupt erst ermöglicht haben. Ich kann fette Videos machen und Beats von Amis kaufen, Dicker. Es war an der Zeit, etwas zurückzugeben.

Auf dem Song sprichst du über einen Burn-out.
Da geht es vor allem um die Zeit zwischen »Ihr seid nicht allein« 2014 und »Ich bin ein Berliner« 2015. Ich hatte 13.000 Euro in das Album gesteckt, und es hat Minus gemacht. Parallel dazu hat sich vieles in meinem Umfeld verändert: Meine Freundin war weg, viele Leute haben sich von mir abgewandt. Ich wusste wirklich nicht, was ich tun sollte. Irgendwann habe ich für mich beschlossen, dass musikalisch nichts mehr gehen wird, also habe ich wieder angefangen, Straßenbusiness zu machen. Es war aber nicht so, dass ich die ganze Zeit her­umgejammert habe, weil es nicht geklappt hat. Doch es hat mich sehr frustriert. Ich hatte das Gefühl, mit »Ihr seid nicht allein« nahe am Erfolg gewesen zu sein. Damals habe ich mich über 100.000 Klicks bei 16Bars gefreut. Das ­Album ist dann ­gefloppt, das war mies, Dicker. Die Euphorie ist von einem Tag auf den anderen verflogen.

Hast du da den Glauben an HipHop verloren?
Ey, ich bin jahrelang diesem HipHop-Film treugeblieben, habe A Tribe Called Quest und so was gehört. Ich habe noch Material für bestimmt drei Boombap-Mixtapes auf Halde. Ich habe sogar ein Feature mit diesem einen Typen von Morlockk Dilemma, Sylabil Spill! Mies HipHop alles. (lacht) ­Irgendwann habe ich mir gedacht, dass diese HipHop-Treue voll Quatsch ist, und habe mir angeschaut, was ich privat höre. Das waren halt Future und diese ganze Ami-Mucke. Also habe ich mal so was ausprobiert, einen neuen Youtube-Channel angelegt, mir Grillz machen lassen und das Ganze etwas amerikanischer aufgezogen. Auf »Bangbang« habe ich dann 30.000 Klicks bekommen und mich mega gefreut. Dann kam »Ich bin ein Berliner« und es ging richtig durch die Decke.

Du sagst auf dem Track auch, dass du nicht mehr leben wolltest.
Damals sind viele private Sachen passiert, die mich zusätzlich aus der Bahn geworfen haben. Mit 16, 17 Jahren war ich schon einmal an so einem Punkt, als vieles negativ wurde und ich ernsthaft den Gedanken hatte: »Es reicht mir jetzt.«

Gab es je einen Plan B?
Wahrscheinlich hätte ich einfach in meiner Bude Playstation gezockt, den ganzen Tag Joints geraucht und mit Ticken mein Geld verdient. Aber das ist ja auch nicht das Wahre. Ich sehe immer noch Leute, die so leben, höchstens ab und zu mal verreisen mit dem Geld oder sich ein Haus in der Türkei kaufen. Aber du siehst schon von Weitem, dass die nicht voll zufrieden sind. Wer will schon sein Leben lang Drogen verkaufen?

Du hast in einem Interview erzählt, dass du auch einen Nebenjob angenommen hast. Was für Jobs hast du gemacht?
Ich habe einen Hauptschulabschluss, aber mit vier Fünfen. Eine Zeitlang bin ich nicht so gut zurechtgekommen, und da hat mich auch meine Familie ermahnt, dass es so nicht weitergeht. Ich konnte denen aber nicht erzählen, dass ich letzte Woche bei einem Straßen­deal viel Geld gemacht hatte. Ich musste das verheimlichen. Für die Familie sah es also so aus, als würde ich nichts tun. Ich wollte die aber auch nicht verarschen und sagen, ich würde jetzt studieren, in Wahrheit aber nur Ott verkaufen. Mein Onkel hat mich irgendwann in seinem Sportstudio eingestellt, da habe ich sechs Tage pro ­Woche abgehangen. Ich habe auch mal eine Ausbildung zum Koch angefangen, aber da gab es 300 Euro Monatsgehalt. In meinem Business, das ich noch nebenher betrieben habe, habe ich so viel in einer Stunde verdient. Außerdem war mein Chef immer ekelhaft drauf. Dann überlegst du dir, ob du wirklich einen Monat lang jeden Tag in die Küche gehst und auch noch in die Berufsschule musst. Ich habe das dann abgebrochen. Das habe ich eine Zeitlang bereut, weil ich nicht wusste, wie es weitergeht. Heute bin ich aber froh, da raus zu sein.

Seite 2: »Soll ich dann morgen auch wieder ins Internetcafé gehen und »Counter-Strike« spielen?«

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