(Roc-A-Fella / Def Jam / Universal)
PRO
Der Kollege Davide Bortot hatte es Ye schon zum Release von »Graduation« bescheinigt: Da macht einer nicht nur Rap, sondern Musik – und die klingt eben manchmal anders als erwartet. Abseits all der Diskussionen um Gesangskorrekturen oder sonstigen Schnickschnack formt sich »808s & Heartbreaks« zu genau jener eklektizistischen Elegie, wie sie von Kanye West zu erwarten war. Wenn Mr. West seine durchstrukturieren Depressionen durchs Auto-Tune zwängt, dass seine leidende Stimme nur noch brodelt und blubbert, dann ist es einem völlig egal, ob die »808« im Albumtitel jetzt vom Drumcomputer oder der Zimmernummer des hawaiianischen Hotels herrührt. Die Features wurden mit Kurzauftritten von Kid Cudi und Mr. Hudson sowie Weezy und Jeezy verständlicherweise aufs Wesentliche und vor allem Essenzielle reduziert. Denn bei dem, was der kleine Wayne da beispielsweise auf »See You In My Nightmares« aus seiner hustensaftgeölten Lunge krächzt, können einem Trina und die restlichen Verflossenen schon ’n büschen leid tun. Für »Amazin’« kämpft sich Young Jeezy im Slow-Mo-Flow weitgehend sinnfrei, aber gewohnt swaggersicher durchs Urwaldgeschrei. Dennoch sind es vor allem die Alleingänge, die künstlerische Katharsis, die dem Album zu seiner enormen Größe und Bedeutung verhelfen. »Heartless« etwa, eines der besten Stücke, die Kanye wohl je geschrieben hat. Ähnlich auch »Bad News«, der wohl intimste Moment der Platte, oder das auf der Tears-For-Fears-Schmonzette »Memories Fade« basierende »Coldest Winter« für seine verstorbene Mutter Donda West. All das ist keine Egomanie mit NeoSoul-Couleur mehr, sondern schlichtweg ehrliche, gute Musik. Popkonzeption hin oder her – dass »808s & Heartbreak« so dreist mit den langweiligen Erwartungen der Hip-Hop-Hörerschaft bricht und dabei dennoch schonungslos die graue Anzughose runterlässt, ist für mich gerade die Stärke des Albums. Genau deshalb ist »808s & Heartbreak« so ein Wahnsinn – und das
könnt ihr ruhig jedem sagen, den ihr kennt.
Text: Jan Wehn
CONTRA
Kanye West hat immer schon polarisiert. So unumstritten das Wirken des größten Rap-Superstars der Gegenwart bislang war, um so mehr konnte man sich über seine persönlichen Eskapaden streiten. Mit dem Tod seiner Mutter und dem jähen Ende seiner Beziehung zur Designerin Alexis Phifer erlebte West dieses Jahr zwei Schicksalsschläge, die sein viertes Album musikalisch wie auch inhaltlich dominieren. Der Louis Vuitton Don vollführt darauf einen Dauerseelenstriptease, und so jagt ein melodramatischer Schmachtfetzen den nächsten. Während man beim Track für die Mutter (»Coldest Winter«) den Herzschmerz ja noch nachvollziehen kann, geht einem die große Abrechnungsnummer mit der Ex (»Amazing«. »Bad News«) irgendwann nur noch auf die Nerven. Auch »Heartless«, »Welcome To Heartbreak« oder »Love Lockdown« sind inhaltlich dermaßen eindimensional, dass man ins große Jammern nur zu gerne einstimmen möchte. Der einfache Fakt, dass Kanye West nicht singen kann, tut sein übriges. Ganz schlimm auch die Weezy-West-Autotune-Kollabo, nach der man vermutlich selbst als Fan erst mal genug vom überreizten Antares-Plug-In hat. Ye hatte bekanntlich schon immer ein sicheres Gespür für perfekte passende Samples und Arrangements. Bei der »College«-Trilogie war jedes Element ein Puzzleteil eines perfekt abgestimmten Masterplans. Gerade deshalb ist es um so erstaunlicher, dass »808s & Heartbreak« ein ganzes Album einzig und allein für den Augenblick ist und letztlich keinerlei bleibenden Eindruck hinterlässt. Kanye West ist jetzt ein Popstar – so klingt seine Musik, und so verliert sie auch ihren Wert. Mit dem Autotune-Effekt hat er den Trend des Jahres aufgegriffen. Es bedarf keines musikalischen Fachwissens, um zu erkennen, dass auch dieser Hype sein jähes Ende finden wird. Oder interessiert sich heute noch irgendwer für das künstlerische Schaffen von Lil Jon?
Text: Julian Gupta
Da hat der Gupta ja richtig geglänzt. lel
jop… das jähe Ende des Autotunehypes ist wirklich nur noch ne Frage der Zeit. 🙂 🙂
Dieses Album war bahnbrechend.
Aber das konnte der Gupta ja nicht wissen. 😀