6ix9ne – Day69 // Review

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Eine Krone

(ScumGang Records / TenThousand Projects / Caroline)

Tekashi69 lässt sich schon phänotypisch kaum von anderen Wolkenrappern unterscheiden: Regenbogen-Haarpracht, Glitzer-Grillz und Facetats. Dazu hat er mit ihnen ein, sagen wir, auf die rohe Emotion reduziertes Kunstverständnis gemein. Da ist es nicht überraschend, dass das Debüt-Tape des New Yorkers auch musikalisch nicht aus der Reihe fällt. Alle Beats basieren auf einem generischen Synth-Motiv und sind nur anhand des Verzerrungsgrads der 808 zu unterscheiden. Dazu brüllt Tekashi, bis seine Stimmlippen zu Reibeisen werden. Das kann als intensive Rap-Performance oder schlichtweg als belastend empfunden werden. Aus seiner Anti-Ästhetik könnte ein Punk-Moment entstehen: Ein erhobener Mittelfinger, der mit den Mitteln des Hässlichen zeigt, was moralisch nicht schön ist. Doch der bleibt aus, denn 6ix9ne hat rein gar nichts zu erzählen. Gewaltverherrlichung und Sexismus werden auf einer derart hohen Lautstärke transportiert, dass alle Ohren glücklicherweise geschlossen sind, noch bevor sie die Inhalte verarbeiten könnten. Dazu kommt, dass die Texte in Anbetracht seiner Verurteilung wegen Verbreitung pornogra­fischer Aufnahmen mit Minderjährigen ein Gschmäckle mehr haben als ohnehin schon. Nichtsdestoweniger konnte er mit Offset, Young Thug und Tory Lanez Industrie-Giganten als Feature-Gäste gewinnen – kein positives Signal zum Umgang mit sexueller Gewalt in der Musikindustrie. Aber auch ein stabiler Thugger-Part kann »Day69« nicht retten. Es scheint, als würde sich sein kreativer Prozess ausschließlich in seinem Rückenmark ab­spielen. Und auf dieser reptilen Ebene spricht er auch sein Publikum an. ­Entsprechend gut funktioniert Tekashi im Internet, dem Ort an dem Klick-Entscheidungen innerhalb von Millisekunden anhand von Leuchtsignalen getroffen werden. Als neon­farbener, wild blinkender Werbebanner mag 6ix9ne für einen Moment Klicks, Likes und ­Reichweite generieren. Doch irgendwann werden die Sinne auch für die extremsten Reize stumpf, wenn sie nicht durch neue ersetzt werden.

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