6ix9ine – Dummy Boy // Review

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(Scumgang Records)

Wertung: Vier Kronen

Kennst du den irischen Mythos, am Ende des Regenbogens stehe ein von Kobolden versteckter Topf voll Gold? Bei Tekashi aka 6ix9ine ist das anders. Seines Zeichens ebenfalls ein Regenbogen, liegen seiner schillernden Erscheinung Anklagen wegen sexuellen Missbrauchs, Verwicklungen in Gangaktivitäten sowie fragwürdige musikalische Qualitäten zugrunde. Was an seinem Ende auf ihn wartet, steht ebenfalls in den Sternen: Irgendwas zwischen einer lebenslangen Haftstrafe und einem Dasein als Megastar und Multimillionär. Obwohl »Dummy Boy« das Licht der Welt zuerst als spektakulärer Dropbox-Leak erblickte, schoss das Album nach seinem offiziellen Release prompt an die Spitze der US-iTunes-Charts. Der Hype ist real. Aber ist er auch gerechtfertigt? Kaum eine Frage scheidet die Geister stärker als jene, ob 6ix9ines Songs ein Haufen Müll oder geniale Banger sind. Das Geheimnis scheint tatsächlich die Mischung aus beidem zu sein: Tekashi, der alles andere als ein musikalischer Virtuose ist, hat wohl eine Art Universalformel für Hits. So ist auch »Dummy Boy« kein zusammenhängendes Album, sondern eine bunte Single-Collection und funktioniert live sicher viel besser als im Wohnzimmersessel. 6ix9ines größte Stärke: Er ist ein High-Performer. Egal ob im Interview, in seinen Videos, live on Stage oder im Studio – was der New Yorker an Charisma und Energie abliefert, ist einmalig und macht in seinen Songs tatsächlich einen Großteil der offensichtlich fehlenden künstlerischen Finesse wett. Dadurch funktionieren sogar die grausam gesungenen Latin-Pop-Songs. Er weiß bei jedem Lied genau, wohin die Reise gehen soll. Das transportiert er meisterlich. Auf genauso zielbewussten Instrumentals und mithilfe einer breiten Spannbreite begnadeter Feature-Gäste entsteht ein buntes Sammelsurium von Tracks mit sofortigem Wiedererkennungswert ­– und das ohne schwungvoll geflowte Parts oder elegante Harmonien. Like it or not, aber dem polarisierenden Krawallmacher und seinem Produktionsteam ge­lingt der Zaubertrick ein ums andere Mal: Sie machen aus Scheiße Gold. Damit schließt sich auch der Bogen zur eingangs gewählten Metapher. Denn ein bisschen ist »Dummy Boy« tatsächlich wie ein Topf voll Gold, wenngleich sich zwischen einigen Hochkarätern das ein oder andere wertlose Stück schrottigen Altmetalls versteckt. Beeindruckende Platte eines visionären Stümpers.

Text: Till Böttcher

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