Hassan Akkouch
Du wohnst in München, oder?
Ja, aber eigentlich komme ich aus Berlin. Ich bin fürs Schauspielstudium nach München und war jetzt drei Jahre im Ensemble der Kammerspiele. Ich gehe jetzt aber trotzdem wieder zurück nach Berlin, nach Neukölln. Ich muss ein Auge auf meine Brüder haben. Die machen Faxen. (grinst)
Also keinen Bock mehr auf München?
Ich habe die Hierarchien und die Sklaverei am Theater satt – das ist nicht mein System, für das ich außerdem schon viele tolle Projekte absagen musste. Wenn ich nicht drei Jahre lang Theater gespielt hätte, hätte ich meinen Eltern schon ein Haus bauen können. In Berlin bin ich dann auch wieder näher bei meiner Familie und meinen fünf Geschwistern. Meinen kleinen Bruder kennst du vielleicht: Maradona, der ist B-Boy. Der war auch im »Sodom & Gomorrha«-Video von Bushido zu sehen oder bei »Brudi« von Gringo.
Seid ihr also eine Künstlerfamilie?
Ja, auf jeden Fall. Mein Vater ist auch ein krasser Tänzer, macht aber eher Folklore. Ich habe ja auch als B-Boy angefangen und erst dann mit dem Schauspiel.
Hast du das Tanzen über deinen Vater für dich entdeckt?
Ja – und über Michael Jackson. Meine Mutter hatte eine VHS-Kassette von ihm, die habe ich immer geguckt.
»Je besser man sich kennt, ein desto besserer Schauspieler ist man« – Hassan Akkouch
Tanzt du immer noch?
Ich hatte zuletzt wenig Zeit, und die Szene in München ist eine andere als in Berlin. Außerdem hatte ich einen Meniskusriss. Aber wenn ich zurück bin in Berlin, fange ich wieder an. Meine Jungs warten schon.
Und wie kamst du zur Schauspielerei?
Nach meinem Abi und nach dem Film »Neukölln Unlimited«, der über meine Familie gemacht wurde, habe ich darüber nachgedacht, was ich machen möchte. Es sollte politisch, künstlerisch und kommunikativ sein und die Chance bieten, damit Geld zu verdienen. Meine Mutter meinte dann: »Was ist mit Schauspiel?« Und das habe ich dann studiert, ganz pragmatisch. Ein Studium war mir wichtig, damit meine Eltern nicht umsonst nach Deutschland gekommen sind, und ich am Ende nichts daraus gemacht habe. Obwohl ich letztlich nur Schauspieler geworden bin und kein Doktor. Aber ich bin stolz darauf, dass ich meinen Weg gegangen bin.
Dein erstes Casting hat gleich zu einer Rolle geführt.
Ja, ich habe in »Verbrechen nach Ferdinand von Schirach« mitgespielt und konnte dadurch gleich von der Schauspielerei leben – obwohl ich noch meine Familie unterstützen musste. Manchmal habe ich in einem Jahr vier »Tatorte« gedreht, dadurch ging das. Damals gab es noch nicht so viele Araber. Ich habe da eine Nische für mich entdeckt.
Nervt es dich, dass du oft die Rolle des kriminellen Ausländers angeboten bekommst?
Das war mir von vornherein klar. Es geht mir aber weniger darum, wen ich spiele, sondern wie ich jemanden spiele. Ich lehne aber auch viele Rollen ab, wenn ich sehe, dass da nur Klischees bedient werden und die Figur keine Substanz hat. Aber nimm jemanden wie Al Pacino: Der hat auch oft Verbrecher gespielt – und jeder erinnert sich daran.
Wie war das bei den »Tatort«-Figuren?
Da fehlte auch ein bisschen Substanz. Ich habe jetzt fünf »Tatorte« gedreht und in vier davon renne ich irgendwann vor irgendwem weg. Immer dasselbe. Dass den Autoren da offensichtlich nichts Besseres einfällt… . Aber damit muss man umgehen können. Am besten ist es daher immer, wenn man Figuren zusammen entwickelt – wie wir es bei »4 Blocks« gemacht haben. Deshalb ist die Serie auch so authentisch.
Wie bist du an die Rolle in »4 Blocks« gekommen?
Durch ein Casting. Ich hatte bereits für die erste Staffel vorgesprochen, konnte dann aber nicht wegen meines Theaterengagements.
Stimmt es, dass du früher selbst in einer Gang warst?
Nee, aber das stand mal irgendwo in der Zeitung. Ich bin jedoch auf der Sonnenallee aufgewachsen, war Sozialarbeiter im Rütli-Kiez und kenne die ganzen Leute.
Konntest du das in deine Rolle einbringen?
Na klar. Das, was ich auf der Straße erlebt und gesehen habe, das kann dir kein Autor schreiben.
Du spielst in der Serie den dealenden Rapper Maruf. Was macht deine Figur aus?
Da treffen zwei Welten aufeinander: Zum einen die feinfühlige Welt der Kunst, zum anderen die grobe Welt der Straße. Meine Figur kann in beiden Welten überleben, will es aber eigentlich nicht. Für die Rolle habe ich angefangen, eigene Texte zu schreiben, zu rappen, und mich mit Musik noch mal anders auseinanderzusetzen. Man weiß ja nicht, wie sich die Rolle noch entwickelt.
Und hast du in Sachen Rap nun Blut geleckt?
Nein. Früher habe ich ja selbst gerappt, hab das aber lange liegen lassen. Aber Samra ist mein Cousin, von dem bekomme ich viel mit.
»Jemand wie Gzuz, der selbst im Knast war, der viele Sachen erlebt hat, der muss ja gar nicht spielen, sondern braucht nur er selbst zu sein« – Hassan Akkouch
Also erscheint dein Debütalbum über Ersguterjunge?
(lacht) Nein, ich glaube nicht. Obwohl: Eigentlich wäre das ein geiler Move: Jemanden zu nehmen, der kein Rapper ist, und daraus einen besseren Rapper zu machen als alle anderen.
Welche Art Rap gefällt dir persönlich?
Ich mag vor allem lyrische Sachen, sowas wie MoTrip. Diese Metaphorik, die er mitbringt in Songs wie »Mathematik« oder »Wie ein Dealer«, das ist schon ein krasses Level.
Warum sind eigentlich so viele Rapper in der Serie? Ist das Zufall, oder bringen Rapper etwas mit, das andere Schauspieler möglicherweise nicht haben?
Die Serie lebt von ihrer Authentizität. Und jemand wie Gzuz, der selbst im Knast war, der viele Sachen erlebt hat, der muss ja gar nicht spielen, sondern braucht nur er selbst zu sein. Veysel hat durch sein Spiel für viele Rapper eine Tür aufgemacht und in der ersten Staffel sehr gut und authentisch agiert. Denk nur mal an die geile Szene, in der er sich wie ein kleines Kind seine Hose mit seinen Füßen ausgezogen, sich dann in dieser Versace-Unterhose auf die Couch gesetzt und Playstation gespielt hat – richtig asozial. Aber jeder erinnert sich an diesen Moment. Das war einfach real.
Merkst du einen Unterschied, ob du mit einem gelernten Schauspieler oder einem Rapper spielst?
Das hat viel mit Talent zu tun. Nicht jeder schafft es, in einer existenziellen Situation dieser auch gerecht zu werden. Aber es ist in jedem Fall komplizierter, wenn die Leute das Handwerk nicht gelernt haben. Da muss man mehr miteinander sprechen, mehr improvisieren.
Hast du dich als Mensch durch die Schauspielerei besser kennengelernt?
Ich bin ja nach München gegangen, um Schauspiel zu lernen, aber eigentlich habe ich mich dort vor allem selbst besser kennengelernt. Und ich habe durch das Spielen neue Facetten an mir entdeckt. Ich musste auch mal jemanden spielen, der abgeschoben wird – eine Erfahrung, die ich ja selbst schon habe machen müssen. Die Szene konnte ich nicht spielen, ich musste den Raum verlassen, konnte kaum noch atmen und bin einfach gelaufen. Irgendwann stand ich am Marienplatz und wusste gar nicht mehr, wie ich da hingekommen bin. Das war zehn Jahre nach meiner Rückkehr nach Deutschland nach der Abschiebung, aber das hat mir gezeigt, dass es noch vieles in mir gibt, was ich aufarbeiten muss; was ich noch nicht über mich weiß. Manchmal kommt sowas hoch, und die Schauspielerei hilft einem dabei, das zu verarbeiten. Und ich glaube: Je besser man sich kennt, ein desto besserer Schauspieler ist man.
Fotos: TNT Serie
Dieses Feature erschien in JUICE #188. Die aktuelle Ausgabe gibt’s versandkostenfrei im Shop.