Zugezogen Maskulin – Alles brennt // Review

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zugezogen_maskulin
(Buback/Indigo)

Wertung: Fünf Kronen

Es gibt Musik, die irgendwie egal ist. Musik, die nicht mehr will als unterhalten. Musik, die Luxuslife­styles finanziert. Musik des Swags wegen. Und es gibt Zugezogen Maskulin. Groß geworden in Nord und Ost, heute wohnhaft in der Hauptstadt, haben Testo und grim104 mehr als genug Erfahrungen gesammelt, um das Leben in Deutschland anno zwofuffzehn auf Albumlänge einmal sorgfältig auf seine Widersprüche abzuklopfen. So erzählen die beiden bildhaft von jugendlicher Leere, die in Dosenbier ertränkt wird und sich zwischen Platten­bauten in sinnentleerten Krawall­exzessen entlädt (»Plattenbau O.S.T.«), um wenig später mit »Agenturensohn« den vielleicht cleversten Deutschrap-­Beitrag zum Thema Gentrifizierung zu liefern. Denn Zugezogen Maskulin wissen, dass nicht die enge Hose sondern die kulturelle Antizipation der eigentlich Feind ist – »Lass mal anziehen wie ein Assi, Streetwear und so«. Apropos Hauptstadt: »Monte Cruz« ist der längst überfällige Kommentar zu einem Berliner Alltagsrassismus, den man gelinde als »Spanierhass« bezeichnen darf. Dass Testo dabei die Spießigkeit eines Hassan Mustermann entlarvt – Tatort-guckender Finanzsenator mit strengem Scheitel – und grim104 in die Rolle von Pedro schlüpft, der fleischgewordenen »Rache für Mallorca«, zeigt die vielen Perspektiven, die ZM aufmachen, ohne dabei in kurzsichtige Ideologie zu verfallen. So wird auch das akute Flüchtlingsdrama in Europa nicht mit einer Weltschmerzhymne betrauert, stat­dessen werden auf »Oranienplatz« die Fehler in unser aller Alltag gefunden: »Willkommen in Berlin, (…) wo die Sambatruppe beim Kulturenkarneval zwar klargeht/Doch sich Argwohn in den Blick legt, wenn ein schwarzer Mann im Park steht«. Überhaupt: Auf Piano-Pathos weiß das Duo getrost zu verzichten. Stattdessen dient vor allem brachialer Trap als Brechstange, um die angestaute Aggression zweier perspektivloser junger Männer durchzudrücken, die es selbst nicht besser wissen. Vielleicht verhält es sich also ein bisschen wie mit Deichkind: clubtaugliche Bretter als Trojanisches Pferd – den Massen die Message subversiv unterjubeln? Andererseits steckt allein in einem Track wie »Guccibauch« mit seinem Beatwechsel so viel Gespür für musikalische Details, dass man den Trap-­Marxisten das plumpe Antizipieren zum eigenen Zweck kaum vorwerfen mag. Womöglich erfüllt dieser Sound einfach seine Funktion als Brandstiftung. Ab jetzt ist nichts ist mehr egal.

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