Prinz Pi: »Ich finde es geil, Sachen so auf den Punkt bringen zu können, dass Leute sich das auf die Haut stechen lassen.« // Interview

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Der »Rebell ohne Grund« manövrierte sich mit »Kompass ohne Norden« vor rund vier Jahren an die Spitze der deutschen Albumcharts, nur um nach einem kurzen Abstecher in die pornöse Vergangenheit 2016 festzustellen, dass es »Im Westen nix Neues« gibt. Mit »Nichts war umsonst« will Friedrich Kautz nun die Essenz seines Sounds aus eingängigem Raop-Pathos und den großen Gefühlen vorgelegt haben. Ist Prinz Pi eine deutsche Untergrundikone oder doch nur Sprüchebildpoet für Teenager-Herzen? Am Ende ist er vermutlich einfach nur er selbst.

Das Cover von »Nichts war umsonst« zeigt dich auf einer Münze, die dem 1-D-Mark-Stück nachempfunden ist. Was verbindest du damit?
Für mich war die D-Mark eine Währung, bei der ich einem bestimmten Betrag noch einen Gegenstand zuordnen konnte: Ein 5-Mark-Stück steht für mich gleichbedeutend für eine Schachtel Kippen zum Beispiel. Dadurch, dass die D-Mark irgendwann abgesägt wurde, hat sich das bei mir aber nicht verändert – diese Verknüpfungen sind immer noch da. Dadurch ist die deutsche Mark ein Synonym für Beständigkeit für mich geworden; eine Konstante, ein Wert, an dem ich mich festhalten kann. Der Euro ist im Vergleich zur D-Mark viel schwankender in seinem Wert. Versteh mich aber nicht falsch: Es geht mir nicht um die Wiedereinführung der D-Mark. Sie ist einfach nur ein Symbol für etwas Konstantes aus meiner Kindheit. Das hätte auch etwas anderes sein können. Eine Münze passt aber perfekt, weil sie ja zwei Seiten hat. Du kannst sie werfen und bekommst entweder Kopf oder Zahl. Dieses Bild passte gut zu »Nichts war umsonst«.

Die Münze ist einerseits ein Wertgegenstand, also etwas Berechenbares, andererseits kann sie auch als Zufallsgenerator gesehen werden, wie du es gerade beschrieben hast. Was unterscheidet den Zufall vom Schicksal?
Das Wort »Schicksal« ist bloß ein religiös überblendeter Begriff für Zufall und suggeriert, dass irgendein Gott alles vorherbestimmt hat. Das hilft natürlich beim Akzeptieren von Todesfällen oder Missgeschicken, aber auch, wenn etwas Gutes passiert. Wenn man jemanden kennenlernt zum Beispiel, rufen viele: »Das war Schicksal!« Aber am Ende überhöht es den Zufall nur. Ich weiß nicht, ob man wirklich besser damit fährt, wenn man so etwas Abstraktes darüber aufbaut. Aber diese Romantik steckt einfach im Menschen.

Du hast in einem Tweet die Designs und dein Aussehen der vier letzten Alben-Cover kommentiert. Inwiefern hast du dich mit dem kreativen Prozess und der Produktion dieser Alben im Vorfeld zu »Nichts war umsonst« auseinandergesetzt?
Ich habe das erste Mal seit 2005 wieder mit Djorkaeff und Beatzarre zusammengearbeitet. Beatzarre ist mein Sparringspartner beim Boxen, wir kennen uns schon ewig, hatten aber lange keine Musik mehr zusammen gemacht. Die beiden schlugen mir dann bei einem Treffen vor: »Lass uns mal als deine Freunde, Wegbegleiter und Hörer das Prinz-Pi-Album produzieren, das wir uns immer gewünscht haben.« Es ging darum, die Essenz herauszustellen. Wenn jemand nichts von meiner Musik kennt, muss er nur dieses Album hören und wird bei den anderen Platten nicht mehr überrascht. Im Zuge dessen haben wir aus all meinen Songs eine Liste erstellt, aus der man Prinz Pi quasi zusammenbauen könnte.

»Ich glaube: Jeder hat dieses Gefühl, fremdgesteuert zu sein.«

Neben dem Bosse-Feature dürfte vor allem »Das Original« mit Mark Forster überraschen. Was unterscheidet deine Musik eigentlich vom Ansatz dieser sogenannten »Deutschpoeten«?
Bei dem Song waren sich alle einig, dass das die Single sein muss – ein glasklarer Prinz-Pi-Song. Djorkaeff produziert aber nicht nur mich oder Sido, sondern auch in anderen Bereichen, wie zum Beispiel für Lena Meyer-Landrut oder Adel Tawil. Eines Tages kam ich ins Studio, und er sagte zu mir: »Gestern war ein Kumpel von mir hier, um aufzunehmen, und er fand deinen Song richtig krass. Er wollte unbedingt einen Refrain darauf machen. Bevor ich dir sage, wer das ist, und du sagst, dass das ein Vollspast ist, höre es dir wenigstens einmal an, ja?« (lacht) Ich habe es mir angehört und fand es cool, wusste aber nicht, um wen es sich handelt. Als Konstantin [Djorkaeff; Anm. d. Verf.] meinte, dass das Mark Forster sei, wusste ich zwar, dass das irgendein Radio-Pop-Softie ist, aber auch nichts Genaues. Die Jungs haben mich dann überredet, ihn einfach mal kennenzulernen, und am Ende war er auch noch ein supernetter Typ. Der Song hat nochmal eine andere Farbe durch ihn bekommen. Er hat zum Beispiel den Chorpart ausgearbeitet und noch einen Bariton dafür organisiert und so weiter. Der Song ist viel cooler geworden mit ihm. Ich habe mir seine Sachen auch hinterher einmal angehört und finde es eigentlich gut für das, was es ist. Dabei ist mir zudem aufgefallen: Es gibt unbestritten optische Parallelen zwischen Mark Forster und mir. (lacht)

In dem Song beziehst du dich auch auf den Vorwurf, dass du der Phrasendrescherkönig für Teenager bist.
Ich hatte mal ein Gespräch mit LGoony, der mir sagte, »Neopunk« wäre das krasseste Album für ihn gewesen. Ich glaube, er hat sogar deswegen angefangen zu rappen, aber das kann ich auch verwechseln! Er meinte: »Irgendwann hatte man bei deiner Musik das Gefühl, die Leute tätowieren sich die Zeilen.« Und da sagte ich: »Das war genau der Punkt, an dem ich es geil fand, Sachen so auf den Punkt bringen zu können, dass Leute sich das auf die Haut stechen lassen.«

Das ist also schon deine Intention. Auf »Meine Welt« sagst du, dass du deine Taten manchmal selbst nicht verstehst. Wann war das das letzte Mal der Fall?
Manchmal sind es nur kleine Sachen, wo man sich im Nachhinein fragt, warum das jetzt so von dir gemacht wurde. Gestern war ich wegen eines Interviews in einer Hall Of Fame am S-Bahnhof Priesterweg. Als ich 17 Jahre alt war, bin ich da immer über den Zaun geklettert und habe alles vollgemalt. Heute ist da ein Park und es läuft so eine Park-Ranger-Tussi rum, die dir sagt: »Ja, man kann hier sprühen. Aber erst ab 15 Uhr!« (Gelächter) Ich hasse so was. Was ist das denn für eine Ansage? »Ihr dürft Ghetto sein – aber nur während der Öffnungszeiten!« Ich habe mich mit ihr dann gestritten und sagte: »Willst du mich verarschen? Der Reiz daran ist doch, dass man das einfach macht – ohne irgendeine Erlaubnis!« Hinterher habe ich mich gefragt, warum ich überhaupt diesen Disput angefangen habe. Ich glaube: Jeder hat dieses Gefühl, fremdgesteuert zu sein. Manche Sachen sind klein, wie eben dieser Streit, aber andere gehen über mehrere Jahre: »Warum habe ich dieses Studium gemacht oder jene Liebesbeziehung geführt?«

Das ist dann aber doch fatalistisch.
»Nichts war umsonst« ist eher eine erlösende Formel. Man blickt auf die Vergangenheit und kann bei schlechten Dinge sagen, dass es immerhin eine Lektion war. Aber auch beim Guten soll es daran erinnern, dass es dich Zeit oder Arbeit gekostet hat.

»Hör dir mal LGoonys »Heilig« an: Das ist kitschiger als irgendein Chakuza-Kack. So cheesy sind nicht mal meine schlimmsten Balladen.«

Wie passt ein Künstler wie Bausa in das Konzept von »Nichts war umsonst«?
Das ist der einzige Typ von den Neuen, der mit Autotune geil und virtuos umgehen kann. Seine Delivery ist einfach erstklassig. Er kann ganz unterschiedliche Stimmungen erzeugen. »Dreifarbenhaus« war als Album zwar nicht ganz on point, hatte aber seine Momente. Ich habe das Gefühl, dass er noch in einer Selbstfindungsphase steckt. Er passt gar nicht in diese KMN-Schublade, in der ihn viele sehen. Der ist auch gar nicht so street, sondern eigentlich ein Poet. »Nordpol« ist auch sein bislang bester Song, meiner Meinung nach. (lacht)

Bist du manchmal traurig, dass viele aus dem Untergrund dich und deine heutige Musik kritisieren?
Als ich in dem Alter von LGoony war, habe ich auch keine Lust gehabt, mich mit meinen Vorgängern auseinanderzusetzen: Ich fand die halt nicht geil. Man muss vermutlich immer so eine Art »Vatermord« begehen. Das hat ja dieser eine Vogel auch mit mir gemacht, und sein Partner dasselbe mit Bushido [Anspielung auf den Song »Vatermörder« von Zugezogen Maskulin; Anm. d. Verf.]. Ich habe den Vorteil, dass ich schon etwas älter bin, da kommst du irgendwann an den Punkt, wo es sich wieder egalisiert. Aber hör dir mal LGoonys »Heilig« an: Das ist kitschiger als irgendein Chakuza-Kack. So cheesy sind nicht mal meine schlimmsten Balladen. Aber Goony rappt ja wenigstens gut. Es gibt ja auch viele Newcomer, die bewusst unpräzise rappen und eher lallen. Das soll dann dadaistisch wirken und hat sicher seine Berechtigung. Das empfinde ich persönlich aber als relativ anstrengend. Wenn einer fünf Minuten lang »Ich will, dass du mich brauchst« nölt, ist das für mich genauso nervig, wie wenn mich ein besoffener Kumpel volllabert. Da denke ich mir: »Alter, nerv mich nicht und geh dich ausnüchtern!«

Die zentrale Frage von »Im Westen nix Neues« lautete: »Ist der westliche Lebenstraum, den wir von Hollywood eingeimpft bekommen haben, in Erfüllung gegangen?« Der Song »Für immer und immer« ist nun Teil des Soundtracks zu »Planet der Affen: Survival« – ein Hollywoodfilm. Ist das nicht Ironie?
Nein. Die Fragestellung bedeutet nicht zwangsläufig Kritik am amerikanischen Way of Life. Das ist ja ein Lebensmodell, nach dem immer noch viele Menschen streben: Du ackerst viel und kannst dir dann vielleicht irgendwann ein Leben im Überfluss leisten. Die »Planet der Affen«-Saga stellt sich ganz andere Fragen wie: Was macht den Menschen aus? Die Affen im Film sind, zumindest zeitweise, dem Menschen moralisch überlegen. »Planet der Affen: Survival« selbst ist im Prinzip von der Moses-Geschichte aus dem Alten Testament inspiriert. Ich persönlich finde den Teil davor auch leider geiler als diesen. Für einen Hollywoodblockbuster ist der aber recht vielschichtig.

Damals warst du auch in Detroit. Bist du im Nachhinein froh, noch die USA unter Barack Obama erlebt zu haben?
Nur weil dieser Idiot da jetzt an der Macht ist, sollte man nicht aufhören, dort hinzufahren. Gerade, wenn dort jetzt rassistische oder faschistische Positionen gesellschafts- und mehrheitsfähig werden, darf man doch nicht die Augen davor verschließen und die sich selbst überlassen. Wie viele Freunde von dir und mir haben Wurzeln in der Türkei und wohnen hier? Willst du dann auch den Dialog zu diesem Land abbrechen, weil dort jemand regiert, der ganz offensichtlich ein Diktator ist und jede Opposition verbietet? Willst du die Leute alleine lassen? Das kann es doch nicht sein.

Dieses Feature erschien erstmals als Titelstory in JUICE #183 (Back Issues hier versandkostenfrei nachbestellen).

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