J Dilla – The Diary // Review

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Dilla cover

(Mass Appeal/Groove Attack)

Wertung: Dreieinhalb Kronen

J Dilla ist jetzt seit zehn Jahren tot. Hätte man währenddessen ununterbrochen sein letztes Album »Donuts« gehört, käme man inzwischen auf mehr als 100.000 Durchgänge – und hätte bei jedem davon ein neues Detail an der ultimativen Produzentenplatte entdecken können. Etwas krasser Ansatz vielleicht, aber auch nicht krasser als die Schlammschlachten, die seit 2006 um das Erbe des Beatmakers geführt wurden. Die ursprünglichen Nachlassverwalter waren auf Gewinnmaximierung bedacht, andere Trittbrettfahrer verkauften ­fragwürdige ­CD-Mogelpackungen, während Dillas Familie vor einem schwierigen Konflikt stand: Einer­seits wollte sie das Ansehen ihres Sohnes schützen, andererseits waren zahlreiche ­Arztrechnungen aus dessen langer Krankengeschichte liegengeblieben. Seit die Kontrolle über Dillas Erbe im Jahr 2010 an seine Mutter und Geschwister überging, ist die Lage an der Mixtape-, Bootleg- und Compilation-Front etwas überschaubarer: Den meisten posthumen Dilla-Releases kann man inzwischen ein halbwegs klares Konzept zuordnen. So auch bei »The Diary«. Die Platte ist Dillas Vocal-Album, sollte ursprünglich schon 2002 erscheinen und sei­nen Wandel vom Hitlieferanten zum rappenden Solokünstler markieren. Dilla probte damals den Aufstand gegen das Majorlabelsystem, dem er jahrelang zugearbeitet hatte. Ein Album von ihm mit lediglich vier Eigenproduktionen musste zwangsläufig als Provokation aufgefasst werden. 14 Jahre später klingt diese Geschichte allerdings aufregender als die Platte selbst. »The Diary« zeigt Dilla als kompetenten, wenn auch schematischen Rapper. Gastauftritte von Bilal, Nottz, Kokane und Snoop Dogg (im Sleep-Modus) lassen heute niemanden mehr von seiner Facebook-Timeline aufblicken. Die Produktionen von Hi-Tek, Pete Rock und Madlib, aber auch Dillas eigene Beats bleiben in ihrer geradeaus gerichteten Zweckmäßigkeit weit hinter »Donuts«, »Ruff Draft« und anderen Dilla-Klassikern zurück – was wohl nicht anders zu erwarten war. Wer überrascht werden will, hört sich einfach noch 100.000 Mal »Donuts« an.

Text: Daniel Gerhardt

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