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Co$$ Interview

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Die »L.A. Times« fragt sich, ob er der am meisten ­unterschätzte Rapper der Stadt sei, die Fachpresse vergleicht seine Stimme und seinen Flow mit Ras Kass und seine Inhalte mit dem frühen Ice Cube. Gerade jetzt, wo vor allem an der Westküste ein frischer Wind weht und ein guter MC nicht zwangsweise ein Drive-by überstanden haben muss, um als veritabler Künstler akzeptiert zu werden, könnte Co$$ zu einer festen Größe in der Stadt der Engel werden. Dank ­Künstlern wie Blu, Kendrick Lamar oder der Odd Future-Bande hat sich das Bild der Rap-Szene aus Los Angeles in den letzten Jahren sehr verändert. Und auch wenn Co$$ für viele noch ein eher unbeschriebenes Blatt darstellt, hat er das Talent, die Vision und das Potenzial, im Rahmen dieses neuen Movements eine Speerspitze darzustellen.

Ist es auch in Los Angeles so, dass eure HipHop-Szene heute anders wahrgenommen wird als noch vor zehn Jahren?
Früher herrschte hier so etwas wie ein lokaler Rassismus. Man steckte uns in eine von zwei Schubladen: Gangsta oder Underground. Außerdem war es so, dass Gangs primär als Westcoast-Thema gesehen wurden, doch jetzt sind sie im ganzen Land präsent. Im Rückschluss setzt sich in L.A. die Einsicht durch, dass man als Künstler mehr anbieten muss als nur eine Gangsta-Attitüde, um Erfolg zu haben. Erst jetzt wird die unglaubliche Vielfalt dieser Stadt deutlich. Ich selbst bin wie diese Stadt – weder ausschließlich Gangbanger, noch der Untergrundtyp à la Pharcyde. Ich sehe mich in einer Reihe mit anderen Newcomern wie Blu oder Kendrick Lamar, die einfach aus ihrem Alltag erzählen.

Du bist zwar auf eine Privatschule ­gegangen, warst aber auch in einer Gang aktiv.
In meiner Musik versuche ich diesen ­Umstand differenziert darzustellen. Es hat keine positive Seite, wenn du als Gangbanger unterwegs bist oder Drogen dealst, aber es ist ein Teil meines Lebens, weil ich in dieser Umgebung groß geworden bin. Wenn sich dein Horizont erweitert, wächst du da aber heraus. Auf der anderen Seite sind viele der schlauesten Menschen, die ich kenne, Kriminelle. Man sollte nie unterschätzen, was die Straßen einem abverlangen. Dort musst du clever sein, sonst kommst du nicht durch. Heute sehe ich das Leben auf der Straße kritisch. Daher bin ich eher ein Conscious-Rapper. Ganz ehrlich, ich würde lieber als guter Schüler in Erinnerung bleiben, denn als Thug.

Künstler wie Shawn Jackson oder Blu gehören zu deinem näheren Umfeld und haben dich auch ein Stück weit gefördert. Haben sie dich auch inspiriert?
Was meine Texte angeht, habe ich selbst genug erlebt und schöpfe daher voll aus meinen eigenen Erfahrungen. Stilistisch hat mich Blu schon ein Stück weit inspiriert, wenngleich man das wohl nicht wirklich hört. Aber wenn wir über wichtige Kollabos sprechen, muss ich mein Feature mit Freddie Gibbs erwähnen. Ich bin seit Jahren großer Fan. Er ist wirklich ein harter Dude, ein echter Gangster. Ich bin meilenweit von seinem Lebenswandel entfernt, aber eben auch echt in dem, was ich darstelle. Real recognize real. Als nächstes würde ich gerne einen Tune mit Nipsey Hussle, Kendrick Lamar, Jay Rock und Dom Kennedy machen. Mal sehen, ob wir das hinbekommen.

Aber Blu spielt für deinen Werdegang schon eine bedeutende Rolle, oder?
Das stimmt. Er ist einerseits so etwas wie ein Vorbild für mich, was seinen Werdegang und Fleiß angeht. Aber eigentlich sind wir wie Brüder. Wir kennen uns schon ewig. Früher war er mit dem Rapper Black unterwegs, ihre Crew hieß Black and Blu. 2003 lernte ich ihn kennen, seitdem sind wird befreundet. Ich bin zwar als Rapper nicht auf den Mund gefallen, aber sonst bin ich eher zurückhaltend. Ich habe nur wenige Features gemacht, was aber nichts damit zu tun hat, dass ich mit vielen Beef habe, sondern einfach damit, dass ich eher zurückhaltend bin. Daher ist meine Verbindung zu Blu schon etwas Besonderes.

Du legst größten Wert darauf, dass ­zwischen deiner Rap- und deiner Privatperson keine Unterschiede existieren.
Ich finde es lächerlich, dass Rapper immer dazu tendieren, eine aufgeblähte Superversion ihrer Privatperson in ihren Texten abzubilden. Ich habe einen Song, der »Feelin’« heißt, in dem ich meine Beziehungsprobleme mit verschiedenen Frauen schildere. Das gehört für mich dazu. Ich bin nicht als Privatmann Peter Parker und als Rapper dann Spiderman. Co$$ und Troy sind dieselbe Person, ich differenziere da nicht. Natürlich übertreibt man hier und da, natürlich haue ich auch mal auf die Kacke. Aber im Großen und Ganzen versuche ich, die Wahrheit zu sagen. Bei vielen Rappern habe ich das Gefühl, dass sie gar nicht wissen, wer sie wirklich sind. Deshalb kreieren sie eine künstliche Person, deren einzige emotionale Regung ihr überhöhtes Selbstbewusstsein ist. Ich stehe zu meinen Schwächen als Mensch und bin der festen Überzeugung, dass das eine große Stärke sein kann. Ich war zumindest genau aus diesem Grund fanatischer Tupac-Fan. Er hat sich als ganz normaler Mensch dargestellt und hat offen erzählt, wann er traurig, ängstlich oder wütend war.

Dein Album heißt »Before I Awoke«. Was hat sich denn jetzt geändert, da du offensichtlich aufgewacht bist?
Ich bin noch gar nicht wach, sondern ­befinde mich noch mitten in diesem Prozess. Ich werde mir mit Ende 20 langsam bewusst, wer ich bin. Aber bis zu diesem Punkt war es ein weiter Weg. Erst war ich ein Thug, dann war ich auf diesem Pro-Black-Film à la Dead Prez und daraus hat sich schließlich ein gemäßigtes sozialkritisches Bewusstsein entwickelt, das mich heute prägt. Meine Platte spiegelt also die Reise eines jungen Mannes wider, der versucht, sich klar zu werden, welche Rolle er spielen und was er im Leben erreichen will.

Wie konntest du dem Gang-Leben entfliehen?
In die Gang-Kultur bin ich mehr oder weniger reingerutscht, weil alle meine Freunde als Gangbanger aktiv waren. Irgendwann habe ich realisiert, wie dumm das alles ist. Gangbanging ist ein Teufelskreis aus Gewalt, Tod und Selbstzerstörung. Irgendwann wurde ich einfach reifer und bin aus diesen radikalen Bewegungen herausgewachsen. Heute will ich eine rechtschaffene Person und ein Vorbild sein.

Ich finde den Soundentwurf ­deiner Platte sehr interessant, weil sie ­klassische West- und Eastcoast-Komponenten kombiniert. Wie siehst du das?
Das spiegelt einfach meine Einflüsse wider. Ich war immer schon vom Sound beider ­Küsten inspiriert. Das Skelett ist der klassische Westcoast-Sound, aber das Fleisch auf den Rippen kommt von der Eastcoast. Einerseits soll meine Platte eine Ode an den G-Funk sein, andererseits gibt es auch Elemente, die eher nach Flying Lotus klingen. Ich hatte sogar einen Song mit ihm für die Platte aufgenommen. Zunächst schien auch alles cool zu sein, dann bat er mich, den Beat nicht mehr zu benutzen. Ich habe wirklich größten Respekt vor seiner Arbeit, aber ich habe jetzt kein Bedürfnis mehr, mit ihm zu arbeiten. Gerade dieser Song war für mich ein persönlicher Höhepunkt der Platte. Dass er die Freigabe verweigert hat, war eine große Enttäuschung. Am Ende geht es wieder nicht um gute Musik, sondern um Geld, Images, meinen Bekanntheitsgrad und irgendwelche Geschäftsinteressen. Scheiß auf die Beats von Flying Lotus, scheiß auf ihn. Was innovativen Sound angeht, kann ich ihn problemlos ersetzen: Dela, J83 oder Fonetik Simbol sind meine Jungs, die sind genauso innovativ. Ich liebe Soul-Samples, aber möchte in Zukunft unbedingt noch elektronischer werden, weil ich darin eine große Herausforderung für mich als MC sehe. Irgendwann will ich ein elektronisches Westcoast-Album machen.

Aber einem Album mit Exile steht nichts im Weg?
Nein, da ist alles gut. Ich will aber noch nicht zu viel versprechen. Für mich ist es schon eine Ehre, dass Exile überhaupt mit mir arbeiten will. Ich könnte mir auch vorstellen, mit Madlib eine EP zu machen. Oder mit Dâm-Funk. Vielleicht erfüllt sich eines Tages sogar mein großer Traum und ich realisiere ein Projekt mit Warren G oder DJ Quik. Das sind für mich unglaubliche Legenden, mit ­denen ich gerne mal arbeiten würde. Aber ich bin einfach zu sehr mit mir beschäftigt und auch zu schüchtern, um auf andere Künstler zuzugehen.

Text: Julian Gupta

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