Wutbürger-Rap: Ein paar Gedanken zu Prezidents Video »Du hast mich schon verstanden« // Kommentar

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Prezident hat in den letzten Wochen viel dafür getan, dass nun auch der letzte Auskennerstammtisch im Deutschrap-Bezirk von HipHop-Hausen mitbekommen hat, inwiefern er sich mit dem vorherrschenden Zeitgeist der linken Intellektuellen anfreunden kann. Abgesehen davon, dass er sein Album »Du hast mich schon verstanden«, das am 20. Juli erscheinen wird, promoten will. Aber der Reihe nach.

Nach Absztrakkt, JAW und Koljah erregte nun auch der Wuppertaler vor ein paar Tagen eine Menge Aufsehen in den Kommentarspalten für, sagen wir mal, etwas speziellere Ansichten zum Thema Humanismus. Sein Song »Über zwei verschiedene Arten des Gutseins« verhandelte eine angebliche Doppelmoral innerhalb der eher linksgerichteten Diskussion um Fremdenfeindlichkeit aller Art.

Es gebe zwei Arten des »Gutmenschen«: Die eine Art würde sich über angeblich indoktrinierte Moralkodex-Gemeinplätze definieren, ohne diese zu hinterfragen, was er unter anderem mit Zeilen wie »Die guten Menschen gehen protestieren/Sie sind sehr gut zu Kindern, sie sind sehr sehr gut zu Tieren« belegt. Die andere Variante würde allerdings einen Schritt weiter gehen und aus einer privilegierten (lies: reichen) Position heraus das Fremde idealisieren und angeblich rückständige Zivilisationen auf ein moralisches Podest stellen.

Kurz gesagt: Mitteleuropäische, links gesinnte Wohlstandsmaden halten geflüchtete, dunkelhäutige Menschen aus fernen Ländern für per se die besseren, weil weniger kapitalistisch-verdorbenen. »Noble Sauvage«, der edle Wilde, nannte das der französische Philosoph Jean-Jacques Rousseau. Das kritisiert Prezident mit der Aussage: »Die schlimmsten Herrenmenschen: die, die keine sein wollen«. Problematisch an dieser These ist allerdings der haarsträubende Umkehrschluss, Antirassisten wären die eigentlichen Rassisten – ein Vorwurf, der vor allem mit Begriffen wie »Social Justice Warrior« seit einer Weile durch rechte Internet-Diskussionen geistert. Uff.

Im Kontext des jüngst erst erschienenen Interviews bei den Kollegen von HipHop.de, wo Prezident »Fruchtsaft«-seelig von »linksversiffter Politik« spricht und sein Album obendrein als »rechtsintellektuell« bezeichnet, bekommen diese Gegenstände eine Ebene, die vor Dummheit kaum zu übertreffen ist. Seine Position als weißer Mann mit guten Bildungsvoraussetzungen mache ihn zur eigentlichen Randgruppe, da ihn diese Privilegien im »linksversifften« Öffentlichkeitsdiskurs in die Unmündigkeit stürzen würden. Abgesehen davon, dass das eine sehr wackelige, wenn auch irgendwie nachvollziehbare Theorie ist, bedient sich Prezident als angeblicher Beobachter hier durchweg rechter Sprachcodes und Gedanken. In einem Facebookpost entzieht er sich dann aber gleich der Konsequenz dieser Aussagen: »Wenns nach Pegida klingt, ist da was schiefgegangen, vielleicht von meiner, aber vielleicht, ganz vielleicht auch von Hörerseite aus.« Es sei alles nur eine Frage der Perspektive.

Obendrein legitimiert Prezident seine Ansichten, in dem er sich selbst in eine Linie mit dem US-Stand-Up-Comedian George Carlin stellt, der u.a. die ambivalenten Moralstandarts der US-Medienlandschaft mit »Seven Words You Can Never Say on Television« aufs Korn nahm. Carlin, der 2008 verstarb, war bekennender Nicht-Wähler mit liberalen Ansichten, würde allerdings unter heutigen Maßstäben eher als konservativ eingeschätzt werden, da er sogenannte political correctness als Heuchelei ansah.

Als könnte das Eis jetzt schon dünner kaum sein, wird Prezident auf der heute gedroppten Videosingle »Du hast mich schon verstanden« sehr konkret, wenn die angeblich verwöhnte deutsche Linke für ihre Wertevorstellungen kritisiert wird, die antisexistische, antirassistische und humanistische Grundsätze nur aus einer privilegierten Langweile heraus predigen würde:

»Wegen irgendetwas muss man doch beleidigt sein/Und empört scheinen/Und dieses und jenes für unerhört halten/Denn die anderen sind ja auch ewig geladen/Weil sie etwas, was sie stört im Leben haben/Etwa den Glauben, es gäb‘ irgendwas umsonst/Was nur sie, weil sie dieses und jenes sind, nicht bekommen/Weil sie Frauen sind zum Beispiel, oder Tunten, oder Türken/Arme Anne, armer Ahmed, armer Jürgen/Armer Kanye, armer Björn, arme Hengameh/Zusammen auf die Strasse, Faust geballt gegen das Dreckssystem«.

In Zeiten des allgemeinen Rechtsrucks, des Bundestagseinzugs der AfD, dem Brexit oder auch der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten, werden fremdenfeindliche und nationalistische Äußerungen in der Gesellschaft immer konsensfähiger. Prezidents aktueller Output, der sich immer mit zahlreichen Referenzen an Philosophen und Literaten eher im mittelständigen Bildungsbürger-Milleu verorten lies, zeigt final, dass diese Tendenz auch längst in Ecken der deutsche Rap-Szene angekommen ist, die bis dato eher straßenrapgeprägten und hypermaskulinen Vertretern wie Kollegah, Farid Bang und Konsorten zugeschrieben wurden.
Nochmal im Klartext: Fremdenfeindlichkeit, Nationalismus, Rassismus und jegliche Form von Ausgrenzung stehen und standen immer schon konträr zum Grundgedanken der HipHop-Kultur. Das bleibt auch mit »rechtsintellektuellem« Rap so sicher wie der Fakt, dass die Eins für die Treble und die Zwei für den Bass ist. Check yo self before you wreck yo self!