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Mit Instrumentals wie »Igloo«, ironischen Hit-Kommentaren wie »Wot Do U Call It?« und Mainstream-Erfolgen wie »Heatwave« hat Wiley Grime geprägt und bekannt gemacht. Dass Wiley auch nach beinahe zwanzig Jahren Szene-Aktivismus noch ein Don ist, hat er nicht nur eigener Musik zu verdanken. Er hat Crews aufgebaut, MCs und Produzenten unterstützt, ihnen Studiozeit bezahlt, sie mit vor die Mikros in Piratenradiosendern und auf Bühnen gezogen. Respekt bekam Wiley diesen März sogar vom britischen Königshaus dafür, als ihm von Prinz William der Ritterorden MBE verliehen wurde. Dass Wiley sein Erbe nicht einfach nur verwalten möchte (obwohl er schon einige Male ans Aufhören dachte), hat er Anfang 2017 mit dem Album »Godfather« gezeigt. Es war ein starkes und konsistentes Grime-Statement, das den MC und Produzenten in großartiger Form zeigt. Daran kann der Nachfolger »Godfather II« leider nicht anknüpfen. Trotz der kurzen Laufzeit von 36 Minuten entsteht kein stimmiges Bild. Die erste Hälfte wird von Grime-Tunes bestimmt: »Bar« feat. D Double E & Scratchy oder »Been A While« machen ordentlich Druck, und in dem starken »Remember Me« reflektiert der 39-Jährige seine Karriere: »Bigging up the MCs on my team and the ones that sent for me/A don told me the Godfather title ting, it was meant for me/And it don’t matter what you say to me/I just hope you remember me«. Bei der anderen Hälfte der Tracks verlässt er die Grime-Komfortzone. Mit teilweise sehr cheesy geratenen Tracks, die mit singenden Gästen wie Sinead Harnett oder Shakka in Richtung Uptempo-R’n’B gehen, zielt Wiley auf die Charts ab. Diese Seite konnte er in der Vergangenheit treffsicher bedienen, wenn er wollte. Hier zeigt er, dass er auch heute noch über Musikgrenzen hinausdenken und mit Grime, Rap und poppigem R’n’B arbeiten kann – ob das den Puristen unter den Grime-Fans gefällt oder nicht. Dass Wiley macht, was er will, ist am Ende vielleicht der wahre Grund dafür, dass er als Godfather noch lange nicht ausgedient hat.
Text: Philipp Weichenrieder