Track-by-Track: Veedel Kaztro über »Frank und die Jungs« // Feature

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Veedel Kaztros neues Album ist nun seit einigen Tagen draußen. Wir sind mit ihm »Frank und Jungs« Track für Track durchgegangen und haben ihn berichten lassen, was die einzelnen Songs für ihn bedeuten. Veedel Kaztro über Veedel Kaztro – »Frank und die Jungs«.

1. »Frank und die Jungs«
»Im ersten Track des Albums geht es um die Leute, die man liebt. Mit all den guten Seiten, die das mit sich bringt, aber auch mit den Verpflichtungen. Das ist so ein bisschen Engelchen-/ Teufelchen-mäßig. Auf der einen Seite geht es also um das Mitgerissen-Werden. Der Song soll natürlich auch live Feuer geben und abgehen. Dann schwingen da aber auch noch die Schattenseiten mit, zum Beispiel, wenn man rausgezogen wird, wenn es gerade ungünstig ist. Ich will damit aber gar nicht ausdrücken, dass ich da in irgendeiner Opferrolle wäre, sondern dass es ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Ich bin einer von den Jungs und damit mitverantwortlich. Es ist einfach ein geschlossenes, sich selbst verstärkendes System innerhalb der Leute. Der Einfluss von außen wirkt sozusagen auf mich, dann hab ich das in mir und strahle das selbst auch ab.«

2. »Ohnmacht«
»In ‚Ohnmacht‘ geht es um das Leben der Menschen auf der anderen Seite des Planeten, die in den Sweatshops arbeiten und dort ausgebeutet werden. Gleichzeitig geht es aber auch um uns, denn wir haben dieses Wissen ja eigentlich im Hinterkopf und wissen, dass wir mit unserem persönlichen Konsum auch mit Schuld daran sind. Also mir persönlich geht es so, dass ich gewisse Dinge einfach nicht ausblenden kann. Gleichzeitig ist auch klar, dass es schwierig bis unmöglich ist, da rauszukommen. Man muss halt das fressen, was einem vorgesetzt wird. Man kann eben nur das kaufen, was da ist.«

3. »Gute Jungs«
»Auch in ‚Gute Jungs‘ geht es um die Schattenseiten des Systems, in dem wir leben. Um den Druck von außen, der auf jedem Einzelnen lastet. Dass alle schaffen müssen, funktionieren müssen und wirtschaftliche Leistung erbringen: Daran kann man aber auch zerbrechen, Depressionen bekommen. Man sieht, wenn man draußen rumläuft, tausende Leute, bei denen es anscheinend irgendwie funktioniert, die Geld haben, Luxus-Klamotten und so weiter. Durch die Ansage der Gesellschaft, dass das das Erstrebenswerte ist und man selbst das aber nicht schafft, entstehen eben Minderwertigkeitskomplexe und Lethargie und Depression. Dass man gewisse Dinge vorgelebt bekommt, die als Erfolg gelten. Und wenn man das nicht schafft, das auch so zu machen, dann gilt man eben als Looser oder als Opfer und kann dann auch daran dann zu Grunde gehen.«

4. »Schulden«
»Der Song ist für mich ist ein Liebeslied, ich habe da auch an eine konkrete Person gedacht. Der Song kommt ja auch direkt nach ‚Gute Jungs‘, in dem ja auch aus meiner Perspektive über die Jungs gesprochen wird, die sich eben entgegengesetzt zu dem Leistungsdruck verhalten. Das soll mich dann mit einschließen, weil ich ja auch selbst vielen Leuten Vieles zu verdanken habe, quasi Schulden habe. Ohne die würde dann bei mir selbst auch gar nichts funktionieren. Das ist eine ähnliche Thematik wie zuvor, nur dass ich hier der Abhängige bin. Es ist aber im Endeffekt ein Liebeslied.«

5. »Schulterklopfen«
»Das ist vom Tempo her vielleicht der klassischste Song auf dem ganzen Album. Es gibt ja viele Songs auf dem Album, die deutlich schneller oder deutlich langsamer sind, Schulterklopfen bewegt sich aber in dem klassischen 90bpm-Bereich. Dann gibt es da ja noch das Tocotronic-Sample. Da haben wir zum Glück ein Clearing bekommen. Dirk [von Tocotronic, Anm. d. Redaktion] hat den Song jetzt auch gehört. Er hat ihm auch gut gefallen und es ist alles ok. Für mich ist das mega und eine große Ehre, weil das ist für mich auch ein Jugendheld war oder auch immer noch ein Held ist. Der weiß jetzt, dass es mich gibt und dass es diesen Song gibt. Und er fand den Song cool. Das ist auf jeden Fall nice.«

6. »Weg«
»Bei diesem Track geht es um einen Freund, der sich vor zwei Jahren umgebracht hat, Jonny. Seine Story habe ich auf dem letzten Album schonmal behandelt, in dem Song ‚Stadt unter Wasser‘. Jetzt geht es immer noch darum, aber eher im Sinne von ‚The Aftermath‘. Das ist jetzt zwei Jahre her und der Song berichtet davon, wie man das gehandelt hat. Die Kernaussage ist, dass solche Sachen einfach passieren und das Leben weiterlaufen muss. Die Welt dreht sich weiter. Aber das hat natürlich eine Narbe hinterlassen. Es stellt sich ja immer auch die Frage, was sich dadurch verbessert hat, also welche Alternative es gegeben hätte. Deswegen die Aussage: ‚Es gibt nichts, wofür es sich lohnt zu sterben.‘ Also, natürlich kann man in niemanden hineinschauen und das kann man sich auch nicht anmaßen, darüber zu urteilen. Weil man ja auch nicht im Kopf von jemandem drin steckt. Aber ich wollte nochmal betonen, dass das für nichts eine Lösung sein kann. Denn dann ist es ja vorbei und du hast auch nichts gewonnen, sondern nur alles verloren. Dich selbst. Das Leben hast du verloren, und deswegen kann das keine Antwort sein. Das sollte die Message des Songs sein.«

7. »Glanz«
»Das greift wieder die Thematik der Knappheit aus Ohnmacht auf, aber dieses Mal unter einem anderen Aspekt. Es geht da mehr um dieses Rap-Representing-Ding, dass man immer am Machen ist, am hustlen ist. Dass man immer versucht, alles zu geben, aber man sieht irgendwie, dass es trotzdem nicht so richtig vorankommt. Und das, obwohl man weiß, was man kann und was man macht und dass man ab und an auch mal Props einsteckt. Gleichzeitig bringt man auch eine Anti-Haltung mit. Das ist ja alles auch widersprüchlich: Man macht, und will, dass es vorangeht, will aber auch das alles scheiße finden: die ganze Konzeptmacherei und die Anbiederung und das Pläne schmieden und die Kalkulation.«

8. »Arsch«
»Der Plan bei ‚Arsch‘ war, weil ich ja sonst immer sehr textlastig und auch schwer und verkopft bin, dass ich auch mal was Stumpfes machen kann. Quasi das, was auch die Popmusik ausmacht, das sie auf eine Art und Weise stumpf ist. Es ging irgendwie auch drum, mir selbst zu zeigen, dass das geht. Tausendmal das selbe sagen: Arsch, Arsch, Arsch, Arsch. Gleichzeitig aber die Leute aus diesem neuen deutschen Popbusiness zu fronten und die eigene Roughness zu betonen. Dass man die Spießigkeit der genannten Leute auch nochmal auf die Schippe nimmt.«

9. »Schlaf Nicht Ein«
»Das Lied hat den Song ‚7 Seconds Away‚ von Youssou N’Dour als Sample. Also, ich hab da ein wenig kopiert, aber das ist natürlich trotzdem ein ganz anderer, eigener Song. Es ist aber auf jeden Fall kein Zufall, dass das ähnlich klingt, es ist eben die gleiche Tonlage. Ich hab ein bisschen überlegt, was darauf passt und hab diesen Klassiker einfach gesampelt.«

10. »Einkaufen«
»’Einkaufen‘ hat ein ähnliches Thema wie Ohnmacht, es geht also wieder um die Problematik, die durch unser Konsumverhalten ausgelöst wird. Um das Einkaufen an sich, wie es sich bei uns abspielt. Aber auch um die Arbeitsbedingungen der Menschen, die all die Waren herstellen, die wir kaufen können. Dann geht es darum, dass man gerne etwas dazu beitragen würde, um diese Situation zu verändern, aber gar nichts dazu beitragen kann, weil es eben in sich unmöglich ist, direkt helfen zu können. Man kann also einfach nicht viel machen. Man muss es nehmen, so wie es ist, und weiß aber gleichzeitig auch, was Sache ist: Das man Bestandteil dieser ausbeuterischen Prozesse ist.«

11. »Rheinischer Singsang«
»Hier geht es um meine Hood, um auch um das Fahne-Hochhalten meiner Heimat. Ich bin zwar nach Berlin gefahren und hab da ein Album gemacht, aber ich habe trotzdem nicht vergessen, wo ich herkomme. Das klingt jetzt nach Klischee, aber es war mir wichtig, das zu betonen, dass ich aus Köln bin. Ich habe auf dem Album ja auch viel über meine Leute gesprochen, zum Beispiel in ‚Gute Jungs‘, deshalb wollte ich nochmal zeigen, dass ich einer von ihnen bin. Ich kann zwar nach Berlin fahren und dort Musik machen und mich dort auch wohl fühlen, aber ich weiß trotzdem immer, dass ich ein Kölner in Berlin bin. Ich verarbeite in dem Lied aber auch die Eindrücke, die man als Fremder bzw. Gast dort gewinnt.«

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